9. September

Nach mehreren Jahren verschwimmt die Erinnerung. Waren die Anschläge auf die USA im Jahr 2001 eigentlich am 9. oder am 11. September? Muss wohl der neunte gewesen sein, denn die deutschen Fernsehsender begehen den Jahrestag konsequent heute.

Das ZDF zeigt erst den Spielfilm Flug 93, eine Rekonstruktion des Flugs, der auf Washington zusteuerte, dessen Passagiere aber die Terroristen überwältigten. Anschließend folgt Flug 93 – Die Dokumentation, und wenn Sie exakt in der Minute, in der die Doku zu Ende ist, zu Kabel 1 umschalten, beginnt dort gerade der Film Die Helden von Flug UA93 – Widerstand über den Wolken, eine Rekonstruktion des Flugs, der auf Washington zusteuerte, dessen Passagiere aber die Terroristen überwältigten. Vorher kommt dort noch Michael Moores Fahrenheit 9/11. Nur warum diese „11″ im Titel steht, kapiere ich nicht.

A.D.

Sabine Christiansen stellte Margarethe Schreinemakers gerade als „Fernsehmoderatorin“ vor. Das ist wahrscheinlich so eine Art Ehrentitel, den man wie „Bundespräsident“ ein Leben lang behält.

Ab einem gewissen Alter will man von seinem Geburtstag nichts mehr wissen

ProSieben und Sat.1 haben heute Geburtstag. Also nicht der fusionierte Konzern ProSiebenSat.1, das würde ja auch niemanden interessieren, sondern die Sender ProSieben und Sat.1. ProSieben wird 20 und Sat.1 25 Jahre alt. Aber pssst! Das ist streng geheim.

Während RTL nämlich seinen Sendergeburtstag (RTL wird morgen ebenfalls 25) nächste und übernächste Woche in zwei stundenlangen Abendshows feiert, erwähnt ProSieben das Jubiläum nicht einmal. DWDL berichtete im Dezember über die Aussage von ProSieben-Sprecher Christoph Körfer, „für eine junge  Medienmarke wie ProSieben mache ein Rückblick auf die Anfänge des Senders in Form einer Show wenig Sinn, da sich große Teile der Zielgruppe aufgrund ihres Alters ohnehin nicht emotional damit verbunden fühlen.“

Das ist natürlich richtig. Der durchschnittliche ProSieben-Zuschauer ist 36 Jahre alt, war also zum Sendestart 16. Fernseherlebnisse, die man in diesem Alter hat, vergisst man ja sofort wieder. Oder kennen Sie einen Mittdreißiger, der sich noch an Fernsehereignisse aus seiner Teenagerzeit erinnert oder sich mit Magnum, Dallas, Ein Colt für alle Fälle, ALF und den ProSieben-Serien Cosby Show und Roseanne irgendwie emotional verbunden fühlt? Eben.

Sat.1 hat immerhin eine kleine Online-Feier eingerichtet, wo neben Fotos ein paar amüsante Videos gezeigt werden, darunter die ersten Sendeminuten überhaupt, die Anfänge des Sat.1 Frühstücksfernsehens und von Talk im Turm sowie die Maschendrahtzaunszene aus Richterin Barbara Salesch.

Ab in den Süden

Offenbar drohte beim rheinland-pfälzischen Sender ZDF, bei dem keine einzige Serie in Rheinland-Pfalz spielt, die Quote der bayerisch sprechenden Serienrollen unter 80 Prozent zu sinken. Für diesen Fall hält das ZDF vermutlich immer ein Notprogramm bereit, wie zum Beispiel den vor zwei Jahren gedrehten, aber noch nie gezeigten Samstagskrimi Kommissar Süden. An diesem Wochenende kommt er zum Einsatz. Darin spricht zwar nicht der Protagonist, aber viele Figuren um ihn herum so sehr bayerisch, dass, wäre es sächsisch, die Fernsehsender Untertitel einblenden würden. Kenntnisse in Bayerisch, dem einzigen in fiktionalen Produktionen erlaubten Dialekt, werden natürlich vorausgesetzt, und notfalls kann man sie ja schnell durch ein paar ZDF-Vorabendserien auffrischen.


Foto: ZDF

Kommissar Süden unterscheidet sich von den anderen Samstagskrimis: Tabor Süden arbeitet bei der Vermisstenstelle der Münchner Polizei. Auch sein eigener Vater ist seit vielen Jahren verschwunden, und Südens versoffener Kollege Heuer ist mit einer Prostituierten verheiratet, die ihr „Büro“ zu Hause hat, weshalb Heuer da zu sehr vielen Tageszeiten nicht sein darf. Beides klingt wesentlich interessanter als der längliche Fall, um den es eigentlich geht, spielt aber kaum eine Rolle. Die meiste Zeit kriecht die neue Reihe zur Premiere in einem Tempo voran, mit dem selbst Herbert Reinecker hätte mithalten können.

Die Reihe mischt Redundanz, wie wir sie seit Reineckers Kommissar nicht mehr erlebt haben, immerhin mit Lebensweisheiten, von denen man wirklich lernen kann: 

– „Wie lang warst du Kellner bei dem?“
– „Zehn Johr.“
– „Zehn Johr?“
– „Zehn Johr!“
– „Und jetzt bist kein Kellner mehr?“
– „I bin liaber selber bsoffen.“

Ulrich Noethen spielt die Titelrolle, und in einer Nebenrolle sehen ZDF-Zuschauer ein bekanntes Samstagskrimigesicht: Produzent Oliver Berben besetzte die Rolle der ach so schönen, erhabenen Frau, die alle Männer verrückt macht und derentwegen sich sogar einer zu Tode hungert, natürlich mit seiner Mutter Iris.

In der Summe ist das ein klassischer deutscher Krimi, bei dem nicht so viel passiert, dass man nicht prima nebenbei noch Wäsche aufhängen oder aufräumen könnte. Eine Reihe also, von der wenigstens der Haushalt profitiert.

(Der zweite Teil des neuen „Samstagskrimis“ läuft übrigens in gut zwei Wochen an einem Montag.)

Kommissar Süden, Samstag um 20.15 Uhr im ZDF.

Ab in die Klapse

Doctor’s Diary war eine Serie, die für RTL viel geleistet hat:

  • Sie beendete den Fluch der zuverlässigen Erfolglosigkeit deutscher Serien und kehrte den Trend um.
  • Sie brachte Niveau in die Riege der RTL-Eigenproduktionen.
  • Sie vereinnahmte eine Fangemeinde, die die Serie zum Kult erklärten, wie es vor allem deutsche Serien nur sehr, sehr selten schaffen.
  • Sie verzeichnete in der dritten Staffel sogar noch gestiegene Marktanteile.

Was macht der Marktführer und klügste deutsche Sender RTL also? Er gibt heute offiziell die Einstellung der Serie bekannt. Wegen Terminproblemen. Die Schauspieler seien so erfolgreich.

Klar. Hätte man drauf kommen können.

Aber ‚allo!

ProSiebenSat.1 hat die alte britische Weltkriegscomedy ‚Allo ‚Allo gekauft, um sie voraussichtlich bei Kabel 1 zu zeigen: 85 Folgen Naziwitze mit deutschem Akzent. Dass der in der Synchronisation verloren geht, ist klar, aber vielleicht bleiben ja ein paar Witze drin.

Das britische Blatt „Metro“ schrieb dazu am Wochenende:

Good moaning, Metro readers. Leesten very carefully; ah shall say zees only wince: ‚Allo ‚Allo is to be broadcast in Germany for the first time.
(…)
Good luck, Germany…

Aber das darf die Öffentlichkeit nie erfahren

Meine Mutter telefoniert viel und ist deshalb am frühen Abend oft schwer zu erreichen. Mein Vater dagegen problemlos. In Wirklichkeit vermute ich dahinter aber eine Verschwörung, und die Verschwörer wollen, dass ich einen besseren Draht zu meinem Vater habe als zu meiner Mutter.

Ich schweife ab.

Wie immer, wenn im Fernsehen per Telefonabstimmung Entscheidungen immenser, wenn nicht gar nationaler Bedeutung getroffen wurden, vermutet nach Bekanntgabe des Ergebnisses ein Teil derer, die nicht für den späteren Sieger gestimmt haben, Schiebung. „ich hab gefühlte hundert mal versucht für jennifer anzurufen und bin nicht durchgekommen. danach hab ichs nur zum spaß einmal bei lena versucht und bin durchgekommen… sehr, sehr komisch….“, schreibt sepphoch2 im Community-Forum zu Unser Star für Oslo und findet sofort Unterstützer, die die gleiche Erfahrung gemacht haben. Er findet aber auch Gegenargumentierer, die die umgekehrte Erfahrung gemacht haben. Sehr, sehr komisch. Zumindest dürfte sich Raab TV bei so vielen belegten Leitungen nicht über mangelnde Teilnahme beklagen.

Lena Meyer-Landruts meistgewählter Song „Satellite“ findet auch nicht nur Unterstützer. Stefan Niggemeier fand ihren dritten Song „Love Me“ wesentlich stärker. Ich auch. Und natürlich die Forenschreiber, die sofort eine Neuabstimmung fordern.

Heute gibt es deutliche Indizien dafür, dass am Freitag alles mit rechten Dingen zuging und das Ergebnis durchaus die Meinung der Mehrheit widerspiegelt. Die beiden Download-Portale Musicload und iTunes, wo seit dem Wochenende nicht nur der Siegertitel feilgeboten wird, sondern jeweils alle drei Titel beider Finalistinnen erhältlich sind, kommen mit ihren aktuellen Bestsellerlisten zum gleichen Ergebnis. Und das ist vermutlich sogar noch repräsentativer. Denn während bei der Telefonabstimmung jeder so oft anrufen kann, wie er will und durchkommt, ist es unwahrscheinlich, dass hartnäckige Fans sich ihre Lieblingssongs ein Dutzend Mal kaufen, nur um den Song auf die vorderen Plätze zu schieben. Und dennoch steht bei beiden Anbietern die Siegerin vom Freitag vor der Zweitplazierten und der Siegersong vor den anderen Liedern.

Dass Lena Meyer-Landrut mit ihrer quirligen Art und dem Hang zum Klugschiss nicht nur Fans gewonnen hat, ist vermutlich das Beste, was ihr und den angeschlossenen Musikwettbewerben passieren konnte. Besser eine Teilnehmerin, die polariert polarisiert, als eine, die allen völlig egal ist.

Abgesetzt, Folge 24614398089

Weil man ja auch mal was Positives schreiben soll, sei ProSieben zunächst zu den ungewöhnlich hohen Zuschauerzahlen seiner neuen Mittwochsserien beglückwünscht. Endlich mal ein Sendeplatzwechsel, der sich ausgezahlt zu haben scheint. Ohne das starke RTL-Aufgebot als direkter Konkurrenz gewannen die Desperate Housewives viele Zuschauer zurück und Grey’s Anatomy viele neue dazu. Insbesondere der Erfolg von Grey’s Anatomy ist bemerkenswert, weil die Serie ursprünglich schon einmal zur Primetime lief, damals aber ein Flop war. Dieses eine Mal hatte ProSieben Geduld, ließ die Serie sich entwickeln und Zuschauer finden und machte sie so langfristig zum Erfolg. Umso erstaunlicher, dass der Sender sich nicht an sich selbst ein Beispiel nimmt und solche Geduld auch bei anderen Serien an den Tag legt.

Wie dem auch sei. Die heute abgesetzten ProSieben-Programme sind … (Trommelwirbel)…: das Comedyquiz Besserwisser und die Fremdschämshow Das Model und der Freak (Fanfare, Applaus)!

Die eigentliche Nachricht ist aber die feine Ironie, dass auch Survivor („Überwinde. Überliste. Überlebe.“) die Primetime nicht überlebt hat. Wie schon alle deutschen Adaptionen vorher ist auch dieser jüngste Versuch, den US-Erfolg Survivor nach Deutschland zu bringen, gescheitert und fristet den Rest seines teuren Daseins nach 22.00 Uhr. Und was zeigt ProSieben nun dienstags um 20.15 Uhr? Filme, Filme, Filme. Keine Ursache, den Vorschlag haben wir doch gern gemacht.

Abhauen mit Onkel Hotte

Bundespräsident Horst Köhler ist oft missverstanden worden, und dann musste er später erklären, was er eigentlich gemeint hatte. Die Kritik an seinen Äußerungen passte ihm nicht, obwohl er sich bewusst dafür entschieden hatte, beim Sprechen im Gegensatz zu seinen Vorgängern auch etwas zu sagen.

Wenn er sich nicht wieder missverständlich ausgedrückt hat, ist Horst Köhler heute Nachmittag zurückgetreten. Wer sein Nachfolger wird, ist noch völlig offen, denn Lena ist noch zu jung — wie Hans-Hermann Tiedtje bereits im „Nachrichtensender“ N24 bemerkte.

Bis dahin erfüllt der Bundesratsvorsitzende die Aufgaben des Präsidenten. Das ist im Moment der Bürgermeister von Bremen. Dessen geringen Bekanntheitsgrad konnte man nicht besser unterstreichen als Claus-Erich Boetzkes in der Tagesschau extra um 16.30 Uhr:

Nun ist Gerd Böhrnsen bundesweit noch nicht sehr bekannt…

In der Tat: Der Mann heißt Jens.

Abschied 2006

2006 verabschiedeten wir uns von…

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