Nutzloses Fernsehwissen (3)

Gestern jährte sich zum 70. Mal der Tag, an dem eine Hörspielfassung von Orson Welles „Krieg der Welten“ Millionen Radiohörer in Panik versetzte, weil sie an eine echte Invasion vom Mars glaubten. (Deutschlandradio Kultur bringt dazu morgen ein einstündiges Feature.)

Das Fernsehen kann sowas natürlich auch:

6 Verwechslungen von Fiktion und Realität

1. Das Millionenspiel (ARD, 18. Oktober 1970):
In der Gameshow Das Millionenspiel des Senders TETV gewinnt ein Kandidat eine Million Mark, wenn er es schafft, eine Woche lang einer Bande von Auftragskillern zu entkommen und zum Schluss auch noch den Weg durch die „Todesschlange“ im Studio überlebt, ohne erschossen zu werden. Das Science-Fiction-Szenario, das Wolfgang Menge und Tom Toelle mit Dieter Thomas Heck als Moderator und sogar fiktiven Werbeeinblendungen umsetzten, wirkte auf einige Zuschauer offenbar nicht nur realistisch, sondern sogar attraktiv. Hunderte Menschen bewarben sich als Kandidaten.

2. Smog (ARD, 15. April 1973):
Wolfgang Menge und Wolfgang Petersen inszenierten 1973 eine fiktive, aber mögliche Umweltkatastrophe im Ruhrgebiet ebenso drastisch wie realistisch. Unter anderem waren Szenen im Stil von Nachrichtensendungen zu sehen. Das wirkte so echt, dass einige Zuschauer das ganze Szenario für wahr hielten und hysterisch reagierten. Eigentlich sollte vor allem die luftverschmutzende Industrie in Panik geraten. Tatsächlich hatten Politiker versucht, die Ausstrahlung zu verhindern – unter anderem mit der Begründung, sie sei ein „schwerer Rückschlag“ für die „Attraktivierung des Ruhrreviers“.

3. Private Live Show (ARD, 8. April 1995):
Mit Dolly Buster als Assistentin moderierte Burkhard Driest am späten Samstagabend in der ARD eine Sendung, die angekündigt war als „moderne Show, bei der verkrustete Zweierstrukturen aufgebrochen werden können“: Ein Kandidatenpaar sollte mit allen Mitteln des (privaten) Fernsehens dazu gebracht werden, seine Beziehungsprobleme offenzulegen. Am Ende eskalierte die Situation so sehr, dass ein Gast den Moderator mit einem Messer angriff. Zuschauer, die die Satire nicht als solche erkannt hatten, riefen die Polizei; beim Saarländischen Rundfunk sollen sich über 100000 Anrufer über die Sendung beschwert haben. Ein Sprecher äußerte sich „betroffen“ darüber, wie viele Leute die Täuschung für echt genommen hätten. Sie müssten sich fragen, „wie leichtgläubig sie dem Medium Fernsehen gegenüber geworden sind“.

4. Belgische Staatsteilung (RTBF, Belgien, 13. Dezember 2006):
Zur besten Sendezeit unterbrach das öffentlich-rechtliche belgische Fernsehen sein Programm und ließ einen Sprecher melden: „Das flämische Parlament hat die Unabhängigkeit Flanderns beschlossen. Belgien ist geteilt.“ Es folgten scheinbare Live-Reportagen vom Königsplatz und aus dem Land; erst nach einer halben Stunde wurde die Zeile „»Es handelt sich um Fiktion“ eingeblendet. Die Aufregung im Land war grenzenlos. Der Programmdirektor erklärte hinterher: „Wir wollten eine Diskussion über die Zukunft unseres Landes anstoßen, wollten zeigen, welche Konsequenzen eine solche Teilung auf das Leben der Bürger haben könnte.“ Nicht zuletzt stieß er aber eine Diskussion über die Grenzen dessen an, was Medien tun dürfen, und sah sich mit Rücktrittsforderungen aus der Politik konfrontiert.

5. Die große Spendershow (BNN, Niederlande, 1. Juni 2007):
Drei Dialyse-Patienten spielten in einer großen Show um die Spenderniere der schönen, aber todkranken Lisa. Schon die Ankündigung der von Endemol produzierten Sendung hatte internationale Proteste von Politikern und Ärzten und sogar Demonstrationen ausgelöst. Erst am Ende der Show gab die Spenderin sich als Schauspielerin zu erkennen, und der Moderator erklärte, man habe mit dem Spektakel nur darauf aufmerksam machen wollen, dass viel zu wenig Menschen bereit seien, nach ihrem Tod als Organspender zur Verfügung zu stehen. 1,2 Millionen Menschen sorgten für die zweithöchste
Einschaltquote in der Geschichte des niederländischen Fernsehens; angeblich haben sich 12000 während der Sendung gemeldet und angekündigt, sich in die Spenderkartei aufnehmen zu lassen. Die Dialyse-Patienten waren übrigens echt.

6. Gala (ARD, 21. Dezember 1991):
Unter dem Titel „Weihnachten mit Harald Schmidt“ persiflierte der Moderator eine jahreszeiten-typische Fernseh-Benefiz-Veranstaltung und rief unter anderem zu Spenden für Russland auf. Unter der — zum Spaß — angegebenen zentralen Telefonnummer von Radio Bremen meldeten sich noch in derselben Nacht zahlreiche Zuschauer, die die Satire nicht verstanden hatten, und boten Sachspenden und insgesamt 200.000 Mark.Der Sender versprach daraufhin, damit tatsächlich zu helfen.

Aus Zapp!, dem gerade erschienen neuen Buch der bewährten Autoren des Fernsehlexikons.

Stefan, 31. Oktober 2008, 13:28.

Amerikanische Meisterschaft im Synchron-Debattieren

Drei Fernsehduelle haben sich Barack Obama und John McCain im Wahlkampf zur US-Präsidentschaftswahl geliefert. Das wär‘ doch nicht nötig gewesen:

Stefan, 30. Oktober 2008, 23:17.

Großes Ge-cenk

Der erste Hamburger Tatort der Post-Atzorn-Ära („Auf der Sonnenseite“) macht vieles, nein eigentlich alles anders.


Bild: NDR/Georges Pauly

Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) ist kein Kommissar im Trenchcoat, der anderen mit selbstgerechter Attitüde auf die Nerven geht, sondern verdeckter Ermittler. Er ist ein grundsympathischer Typ, hasst Chris de Burgh und spielt mit seinem Vater Fernschach. Außerdem läuft da irgendwas mit der Nachbarin.

Es ist eine der vielen netten Merkwürdigkeiten in diesem Tatort, dass wir in den ersten Minuten viel über Batus Privatleben erfahren, obwohl er als verdeckter Ermittler gar keines hat.

Für Humorpunkte in dem eigentlich kühl und spannend inszenierten Tatort sorgt Batus Chef, mit dem sich der Ermittler an allen möglichen absurden Plätzen trifft: In der U-Bahn, auf der Hafenrundfahrt, im Aquarium bei Hagenbeck, auf dem Parkdeck, im Schwimmbad, im Containerhafen, oder auf der schlimmsten Toilette der Welt. Nebenbei kümmert sich der Chef auch noch um Batus Fische, während der „verreist“ ist:

Batu: „Tierquäler!“
Chef: „Was?“
Batu: „Du hast meinen Fischen wieder Chris de Burgh vorgespielt!“

Die Geschichte ist schnell erzählt, aber wirklich spannend umgesetzt — und sie kommt eine Stunde lang ohne Leiche aus.

Um an den mutmaßlichen Schieber Tuncay Nezrem zu kommen, kommt Batu undercover ins Krankenhaus. Dort liegt er im Bett neben Nezrems Neffen Deniz, der eine Messerattacke verletzt überlebt hat. Seine Legende erklärt ihm Batus Chef so:

Batu: „Was hab ich eigentlich?“
Chef: „Peniskarzinom von der Größe eines Blumenkohls. Wir dachten uns, wir nehmen irgendwas Unauffälliges für Dich.“

War nur Spaß, Batu muss nur einen akuten Blinddarm vortäuschen. Dann kommt der Killer wieder, Batu rettet Deniz das Leben und kann sich der lebenslangen Dankbarkeit seitens Onkel Tuncay erfreuen. Er wird Fahrer beim Paten, und so nimmt eine spannende Undercover-Operation ihren Lauf. Nebenbei entdeckt Batu noch, dass sich seine Landsleute gegenseitig mit faulen Immobilengeschäften bescheißen:

Chef: „Ich dachte immer, Ihr Türken haltet zusammen?“
Batu: „Bei Fußball und Eurovision vielleicht.“

Erfreulicherweise entfallen die langatmigen Fahrten zum Tatort, die langweile Polizeiarbeit in muffigen Amtsstuben und die gerne in Tatorten auftretenden Laiendarsteller. Als einzige Nachteile im Leben des verdeckten Ermittlers fallen eigentlich nur die ständige Lebensgefahr ins Gewicht, und die möblierte Wohnung in Hamburg-Wilhelmsburg, die er für seine Legende beziehen muss. Sein Chef hatte sie freundlicherweise noch mit einem dieser billigen Moschee-Wecker mit Muezzin-Ruf ausgestattet.

Der selbstgefällige Dr. Specht Robert Atzorn ist also weg, Mehmet Kurtulus ist da. Und das ist sehr, sehr gut so. Ein hervorragend geschriebenes Buch, das keine der überflüssigen Dialoge nötig hat wie dieser:

– „Er ist tot!“
– „Tot, sagen sie?“
– „Ja, tot.“
– „Tot ist er?“
usw.

Dazu noch ein guter Regisseur (Richard Huber) und gute Schauspieler. Komplex, intelligent, spannend, bitte bald wieder.

(Der nächste Batu-Tatort ist laut Tatort-Fundus schon für den 13. April 2009 geplant.)

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Jochen, 27. Oktober 2008, 01:42.

Biss der Vampir kommt

– „Ich lebe schon fast 500 Jahre.“
– „Wow. Ich hätte Sie auf nicht älter als 450 geschätzt.“
– „Es geht nichts über Feuchtigkeitslotion.“


Foto: RTL II

Hurra, endlich mal eine Serie über ein Ermittlerduo, das aus einem Menschenweibchen und einem Vampirmännchen besteht! Das gab’s noch nie! Oder zumindest nicht mehr seit Moonlight — und das ist schließlich schon einen ganzen Monat her.

Bei RTL2 startet heute die neue Serie Blood Ties – Biss aufs Blut, in der eine menschliche Privatdetektivin und ein alter Vampir gemeinsam mysteriöse Gewalttaten aufklären. Während Moonlight aber eigentlich eine konventionelle Krimiserie war, in der eben Vampire mitspielten, ist Blood Ties der übliche Vampirkokolores mit furchterregend gemeinten, düsteren Dämonen, die tief sprechen und sich gegebenenfalls in Luft auflösen. Verzeihung: In Krähen.

Wie die meisten Vampirserien hält sie es für originell darauf hinzuweisen, dass die Klischees mit den Silberkreuzen und dem Knoblauch Quatsch sind und man Vampire durchaus im Spiegel sehen kann, und auch sonst passiert wenig Überraschendes, aber wer das Genre mag, findet hier vielleicht einen Lückenfüller, bis eines Tages das nächste Highlight kommt.

Blood Ties – Biss aufs Blut, sonntags gegen 22.05 Uhr bei RTL2.

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Michael, 26. Oktober 2008, 06:13.

Einmal im Leben

Seit 25. Oktober 2008 (RTL). „30 Dinge, die ein Mann tun muss.“ Überwindungsshow mit Ross Antony.


Foto: RTL

Nichts hatte das Fernsehpublikum im australischen Dschungel so gerne gesehen wie das Leiden des Ross Antony. Der ehemalige Bro’Sis-Sänger kämpfte verzweifelt und höchst unterhaltsam gegen eine beeindruckende Ansammlung von Ängsten, Phobien und Überempfindlichkeiten — und gewann so die dritte Staffel von Ich bin ein Star — holt mich hier raus. Zum Dank hat ihm RTL eine eigene Show geschenkt, in der er nun weiter zum Amüsement der Zuschauer leiden soll. 30 Aufgaben (angeblich alles Dinge, die ein Mann einmal im Leben tun soll) haben sie für ihn ausgesucht: Trotz Höhenangst soll er vom Zehn-Meter-Brett springen, trotz Allergie im Wollpullover einen Kuhstall saubermachen. In Schweden darf er ein Iglu bauen, vor der kalifornischen Küste mit Haien tauchen.

Daniel Hartwich ist der sporadisch auch im Bild auftauchende Erzähler. Vier 75-minütige Folgen laufen am späten Samstagabend.

Die singende Firma


Foto: RTL

Seit 25. Oktober 2008 (RTL). Einstündige Betriebsfeier mit Inka Bause und Ross Antony.

In jeder Sendung treten zwei Firmen, jeweils unterstützt von einem der Moderatoren, gegeneinander an. Fünf Mitarbeiter aus jedem Unternehmen studieren mit Hilfe von Profis einen gemeinsamen Auftritt mit einem bekannten Musiktitel ein. Eine Jury aus den Sängern Sandy Mölling und Mark Medlock und dem Tanzlehrer Joachim Llambi bewertet die Auftritte mit einem bis zehn Punkten und entscheidet so die Duelle. Nach fünf Sendungen treten im Finale die Siegerfirmen gegeneinander an. Nun dürfen nicht nur die Juroren, sondern auch die unterlegenen Firmen abstimmen und den Gewinner küren, der einen Pokal erhält und sich fortan „Beste singende Firma Deutschlands“ nennen darf, aber nicht muss.

Die Show beruht auf einem niederländischen Format und kombiniert typische Elemente einer Castingshow mit dem Unernst und der Peinlichkeit eines Betriebsausfluges. Die gut einstündigen Folgen laufen samstags um 22.15 Uhr.

Öcht ötzend

Es ist schon eine lustige Ironie, wenn man bei RTL Das Supertalent sieht, wo Dieter Bohlen gerade rüde über die musikalische Qualität von Ambitionierten urteilt, und dann zum ZDF zappt, wo in Willkommen bei Carmen Nebel im selben Moment DJ Ötzi seinen neuen Gassenhauer „In 100.000 Jahren“ singt, einen Song, für dessen Singleveröffentlichung mit dem Spruch geworben wird: „Aus der Feder von Dieter Bohlen!“

Michael, 25. Oktober 2008, 21:03.

Der US-Comedy-Wahlkampf (5)

Man muss unterscheiden im großen Medienreich des Rupert Murdoch, so wie er selbst das auch zu tun scheint: Sein Nachrichtensender Fox News ist ein radikal auf konservative Linie gebrachter Sender. Dessen Schwestersender Fox hingegen gewährt in seinem Unterhaltungsprogramm große künstlerische und politische Freiheiten.

Und so kam es, dass auf Fox am vergangenen Sonntag eine Episode von Family Guy lief, in der Stewie und sein sprechender Hund Brian mit einer Zeitmaschine ins Dritte Reich reisten, einer Gruppe von Nazis die Uniformen stahlen, um sich zu verkleiden, und Stewie an seinem Mantel einen Werbebutton des aktuellen republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain und seiner Vizekandidatin Sarah Palin fand:

„Tse“, sagt Stewie, …

… „das ist merkwürdig.“

Vielleicht ist die subtile Botschaft, dass Nazis McCain wählen würden, eine Anspielung darauf, dass Kritiker McCain und Palin vorwerfen, im Kampf gegen Barack Obama auch rassistische Vorurteile zu bedienen. Vielleicht muss man in den Humor von Family Guy aber auch nicht zuviel hineininterpretieren.

Jedenfalls waren es dann die Kollegen vom Schwestersender Fox News, die hinterher auf den vermeintlichen Skandal hinwiesen, und offenbar eine Lawine kritischer Berichte auslösten.

Die komplette Folge online
Die umstrittene Szene und Bill O’Reillys Kommentar auf Fox News

Stefan, 25. Oktober 2008, 20:59.

Buenos Dias, Messias!


Foto: ZDF / BBC Films

Auf das besondere Drängen eines einzelnen freien Mitarbeiters möchten wir auf die Wiederholung von Messias hinweisen, einer außergewöhnlichen, atemberaubenden englischen Crime-Mystery-Serie. Falls Sie also noch nicht wissen, was Sie mit der zusätzlichen Zeit in der kommenden Nacht anfangen sollen…

Der erste Fall besteht aus zwei fast spielfilmlangen Teilen, die das ZDF heute beide zeigen wird, mangels Werbung nur unterbrochen von einer heute-Ausgabe. Der Film kommt natürlich auf dem Qualitätsfernsehen-Sendeplatz um Mitternacht, falls Carmen Nebel ihre Willkommensshow zur Primetime rechtzeitig fertigmoderiert hat. Sonst wird’s eben etwas später. Wer sein Aufnahmewerkzeug programmieren möchte, sollte das also schön bis mindestens 3.15 Uhr durchrauschen lassen.

Die zwei Teile des zweiten Falls kommen in drei Wochen.

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Michael, 25. Oktober 2008, 12:59.

Blood Ties — Biss aufs Blut

Ab 26. Oktober 2008 (RTL2). 22-tlg. kanad. Vampirserie von Peter Mohan nach den Büchern von Tanya Huff („Blood Ties“; 2007).


Foto: RTL II

Vicki Nelson (Christina Cox) erblindet allmählich und kann deshalb nicht mehr bei der Polizei arbeiten. Als Privatdetektivin jagt sie die Bösen, und dabei hilft ihr ihr Bodyguard Henry Fitzroy (Kyle Schmid), ein 450 Jahre alter unehelicher Sohn des englischen Königs Henry VIII. und ein Vampir und Künstler. Natürlich ein guter, aber entsprechend gibt es auch ein paar Böse, und die müssen ja gejagt werden. Der Polizist Mike Celluci (Dylan Neal) war privat wie beruflich früher Vickis Partner und ist heute noch eng mit ihr befreundet. Vicki fühlt sich aber mehr zu Henry hingezogen. Gruftie Coreen Fennel (Gina Holden) ist Vickis Assistentin und kennt sich glücklicherweise bestens mit Kulten und Okkultem aus.

Die einstündigen Folgen laufen sonntags gegen 22.00 Uhr.

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