Ein Erklärungsversuch

Unser Leser Hansi hat den Eindruck, „dass hier jede Serie hochgejubelt wird, die aus den USA vor 0.00 Uhr im TV läuft“. Da irrt er nicht. Denn die schlechten US-Serien werden uns hierzulande zum Glück erspart. Die, die wir zu sehen bekommen, sind in den meisten Fällen einfach gut gemacht.

Aber warum nur sind US-Serien derzeit so erfolgreich?

Deutsche Fernsehsender haben ihr Publikum so lange für blöd gehalten und dumm verkauft, bis die Zuschauer sich zwangsläufig den US-Serien zuwandten, weil sie dort mehr gefordert wurden. Das Bild von vor zwanzig Jahren hat sich umgekehrt, als die meisten US-Serien eindimensional waren und im Mittelteil immer eine Schlägerei hatten. Damals wanderten die Zuchauer in Deutschland allmählich von der US-Ware ab, und der Siegeszug der deutschen Eigenproduktionen begann. Heute sind die viele deutsche Serien enorm verflacht, während die meisten US-Serien auf mehreren Ebenen gleichzeitig funktionieren, verschiedene Geschichten erzählen und eine Vielzahl von Charakteren ergründen, und dabei ein Tempo vorlegen, bei dem man sich oft genug konzentrieren muss, um überhaupt mitzukommen.

Steven Johnson führt in seinem Buch „Everything Bad Is Good for You: Why Popular Culture Is Making Us Smarter“ aus, wie genau diese Art von Fernsehen den Verstand schärft — etwas, was man von Forsthaus Falkenau und Alarm für Cobra 11 vielleicht nicht unbedingt behaupten kann.

Offenbar wollen deutsche Fernsehzuschauer gefordert werden, sie wollen denken! Und deshalb wendet sich das Volk der Denker derzeit zwangsläufig der Popkultur aus Amerika zu.

Es ist bedauerlich, dass darunter jetzt ausgerechnet die Produktionsfirmen leiden, die den Sendern seit Jahren so gerne innovative Formate verkauft hätten, die aber immer abgelehnt wurden.

Der Schauspieler Hannes Jaenicke beklagt in einem Interview, das wir in Kürze hier veröffentlichen werden, dass deutsche Fernsehverantwortliche in Zeiten der Krise quasi gar nichts mehr machten, nur noch Bewährtes abkupferten, aus Angst vor weiter sinkenden Quoten, Amerikaner hingegen in Krisensituationen erfinderisch würden und mit unkonventionellen Ideen experimentierten. Aus diesem Grund hat die amerikanische Serie als solche ihre Krise bereits überstanden. Die deutsche steckt mittendrin.

Michael, 5. Januar 2007, 21:48.

4 Kommentare


  1. Aber hallo, das nenn ich mal eine Kommentarantwort! 😉

    Trotzdem bleibe ich bei meinem Standpunkt: Aktuell gibt es im deutschen TV nur sehr wenige wirkliche Highlights made in USA; Serien wie „Bones“ oder „Numb3rs“ sind im Endeffekt nur die Fortsetzung der durchschnittlichen Beliebigkeit mit anderen Mitteln. Quasi Forsthaus Falkenau für die 14-49 Jährigen…

    Unbestritten bleibt aber Dein Argument, dass deutsche Eigenproduktionen derzeit nur eines hervorrufen: Kopfschütteln über so viel Unsinn und Flachheit.

  2. Aber selbst die mittelmäßigen US Serien sind beinahe immer Unterhaltsamer und höherwertiger als das meiste was es an deutschen Produktionen gibt.
    Ausnahmen bestätigen natürlich wie immer die Regel.

  3. Ich stimme der obigen Einschätzung in großen Teilen zu.
    Besonders der letztere Absatz ist wohl leider nur zu wahr.
    Das Sat.1 zur Zeit nicht eine einzige deutsche Serie im Programm und nur noch drei fertige Serien im Archiv hat die sie aus Angst vor Flops nicht ausstrahlt ist eine große Schande.
    Die erfolgreichen US-Serien sind aber überwiegend Krimiserien mit einer Handlung die nach einer Folge abgeschlossen ist die in den USA erfolgreichen Serien mit einem langen Story-Arc haben hier auch nur überschaubares Publikum.
    Das aber das deutsche Fernsehen gar keine eigenen guten Serien zu bieten hatte und hat stimmt so nicht.
    Es gab und gibt sie noch.
    München 7 (BR) war z. B. genial.
    Eingestellt nach 13 Folgen, weil die Serie „auserzählt“ war, die wahren Gründe dürften eher in den hohen Produktionskosten zu suchen sein.
    Die Sitte (RTL) war auch sehr anspruchsvoll. Rausgekickt wegen schlechten Quoten.
    Die Cleveren (RTL) eine ältere Produktion die besonders in den Anfangsjahren wirklich sehr sehenswert war. Von RTL 3 1/2 Jahre im Archivkeller belassen und erst dann ausgestrahlt als die Einstellung bereits beschlossene Sache war.
    Edel & Starck (Sat.1) war auch recht erfrischend gemacht. Auf Wunsch der Darsteller ersatzlos eingestellt.
    Das letzte Opfer war dann Abschnitt 40 (RTL).
    Vier Serien die m. E. nach einen gewissen Anspruch hatten und die ich alle gerne gesehen habe in einem Jahr eingestellt ohne das irgendetwas gleichwertiges nachgekommen wäre.
    Für mich persönlich ist das gelinde gesagt frustrierend.
    Dagegen guckt man sich bei Monk oder Navy NCIS lieber noch die vierte Wiederholung an die dann noch doppelt so viele Zuschauer hat wie eine eigenproduzierte deutsche Erstausstrahlung.
    Wer derzeit eigenproduzierte Ware bringt wird von den Zuschauern brutal abgestraft (Blackout bei Sat.1).
    Der Unterschied zwischen der Zeit als US-Serien noch relativ erfolglos waren und dem Zeitpunkt als die deutschen Serien total erfolglos wurden (2004/05) ist aber schlicht: Damals haben die deutschen Sender trotzdem noch kräftig in Hollywood eingekauft. Jetzt werden einfach kaum mehr deutsche Serien produziert. Natürlich müsste man jetzt umso mehr experimentieren, aber die Sender tun es nicht um sich Entwicklungskosten und imageschädigende Flops zu sparen.
    Daher sehe ich auch keinen Ausweg aus der Krise.

  4. […] die vielschichtige Erzählweise und die vielen popkulturellen Anspielungen in vielen Serien fordern die Zuschauer, statt sie für dumm zu […]



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