Die Bösen von Boston

Für die Sender, deren Serienprofile in den vergangenen Jahren überwiegend auf US-Krimis ausgerichtet waren, wird allmählich die Luft dünn. Die alteingesessenen Serien verlieren Zuschauer und werden nach und nach eingestellt, und die Zahl erfolgreicher Neustarts ist ebenfalls zurückgegangen, während in den USA Sitcoms wieder die Oberhand gewinnen.

Noch ist die Quelle aber nicht ganz versiegt, und so kann Vox heute um 20.15 Uhr Rizzoli & Isles an den Start schicken, eine Serie über eine Welt, in der verurteilte Schwerverbrecher grundsätzlich persönliche Rechnungen mit den Polizisten offen haben, die sie einst überführt hatten. Oder in diesem Fall: Polizistinnen.


Rizzoli und Isles kriegen kalte Füße.
Foto: VOX/Warner Bros.

Ort der Handlung ist Boston, ein Boston außerhalb David E. Kelleys Universum und deshalb frei von Anwälten, was irgendwie komisch wirkt. Die Mordfälle sind einigermaßen originell und die stete Furcht der Protagonistinnen vor dem jeweiligen Hannibal Lecter der Woche durchaus spannend, weshalb sich Rizzoli & Isles prima ins Vox-Portfolio solider Krimis einreiht, bei denen man es bisher selten bereuen musste, eine Stunde mit ihnen verbracht zu haben.

Diese Quelle allerdings, die Vox für die neue Serie anzapft, ist keins der großen US-Networks, sondern der Kabelsender TNT. Das ist für uns Zuschauer zunächst mal egal, Erfolgserien wie Monk oder The Closer (deren letzte Staffel heute Abend im Anschluss beginnt), kamen auch aus dem US-Kabelfernsehen zu uns. Für Vox ist das aber unpraktisch, denn im Kabelfernsehen sind aus wirtschaftlichen Gründen die Staffeln deutlich kürzer. Sprich: Nicht nur der Nachschub an Serien insgesamt wird knapper, sondern auch der Nachschub an Episoden innerhalb der Serie.

Schon allein deshalb sollten wir uns über Serien wie Rizzoli & Isles freuen, solange sie noch produziert werden, auch wenn sie nicht die Neuerfindung des Fernsehens darstellen. Denn nur so lange können wir sicher sein, dass auf diesem Sendeplatz kein Model-Casting stattfindet.

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Michael, 14. März 2012, 06:02.

Die Alte

Das ZDF ist endlich in den 80er-Jahren angekommen, und die Emanzipation hat den Freitagabend erreicht. In keinem der 20.15-Uhr-Krimis am Freitag hatte bisher eine Frau eine Rolle gespielt, die darüber hinaus gegangen war, den Ermittlern Kaffee zu kochen oder als verstörte Angehörige eines Mordopfers verdächtig in einer Villa herumzustehen. Doch jetzt wird alles anders, denn schon lange stellte sich die Frage, warum nicht auch eine Frau das Recht haben sollte, dieselben altmodischen Klischeeverfilmungen zu spielen wie Männer.

Die Redaktionskonferenz, in der das ZDF die neue Serie Die Chefin beschloss, stelle ich mir so vor:

– „Also gut, Katharina Böhm spielt die Kommissarin. Die war schon in Das Erbe der Guldenburgs super. Hat jemand eine Idee, wie die Serie aussehen könnte?“
– „Wir haben da noch etliche Drehbücher von Der Alte rumliegen, von denen manche erst fünfmal verfilmt wurden. Die könnten wir nochmal nehmen.“
– „Superidee. Aber ist diese Art von Fernsehen im Jahr 2012 noch zeitgemäß?“
– „Die Kommissarin könnte zusätzlich dauernd Erdnüsse essen.“
– „Das ist ja total crazy! Genau so machen wir’s!“

Und so entwickelt sich der neue Freitagskrimi des ZDF wie die meisten Freitagskrimis vor ihm auch. Die Ermittlerin steht mit ihrem Kollegen in Münchner Villen herum, wo die komplett verdächtige reiche Familie, inklusive obligatorischer rauchender Oma im Rollstuhl, verstört dreinblickt, untermalt von penetrant irritierender Psychomusik.


Die Ermittler fragen Alibis ab und stellen verbale Fallen wie aus dem Lehrbuch für Krimiautoren von 1969, in die die Einfaltspinsel von Verdächtigen pflichtgemäß reintappen.

– „Kim Landauer ist heute morgen vom Balkon gestürzt.“
– „Was? Das kann nicht sein. Warum sollte sie sich umbringen wollen?“
– „Von Selbstmord habe ich doch gar nichts gesagt.“

Doch dann, nach etwa der Hälfte der ersten Episode, muss jemand mehrere Seiten des Drehbuchs gekapert haben, und einige Elemente der Serie biegen in eine Richtung ab, die man von Autor Orkun Ertener, der viel für seinen KDD – Kriminaldauerdienst gepriesen wurde, erwartet hatte. Die Chefin bekommt ein Vor- und Privatleben und schnüffelt heimlich seit vier Jahren in eigener Sache: Damals wurde ihr Mann erschossen, ebenfalls ein Polizist, und noch immer hat niemand die genauen Umstände herausgefunden. Das wird wohl der rote Faden, der sich beiläufig durch die Serie ziehen soll.

Vorher kommt aber noch wie aus dem Nichts eine unerwartete Ladung Selbstironie, als Chefins neuer Kollege einen lebensgroßen Derrick aus Pappe in seinem Büro aufstellt.


Screenshots: ZDF

Das macht die Premiere der Chefin insgesamt noch nicht zu aufregendem oder ungewöhnlichem Fernsehen, gibt aber zumindest ein bisschen Hoffnung.

Die Chefin, heute um 20.15 Uhr im ZDF.

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Michael, 24. Februar 2012, 06:01.

Halt mal was anderes

32 Sendeplätze in ihrem Abendprogramm füllen die großen Privatsender jede Woche mit amerikanischen Krimiserien. So viele Serien sind jedoch längst nicht zu sehen: Derzeit sehen Sie jede Woche zweimal CSI: Miami, zweimal Without A Trace, zweimal Medium, dreimal Navy CIS, dreimal CSI: NY, dreimal Criminal Intent und viermal Law & Order: New York (Special Victims Unit). Das liegt in erster Linie an der Einfallslosigkeit und Feigheit deutscher Sender, die lieber Viertausstrahlungen von immer denselben Serien zeigen, als etwas Neues auszuprobieren, das womöglich vom Publikum abgelehnt werden könnte.

Dabei sind durchaus noch US-Krimiserien übrig, die noch nie in Deutschland gezeigt wurden. Wir stellen heute fünf Serien aus den vergangenen Jahren vor. Keine ist wirklich herausragend, aber alle sind solide Unterhaltung, würden sich also gut ins deutsche Fernsehprogramm einfügen. Alle Serien sind bereits eingestellt, doch die teilweise recht geringe Episodenzahl kann kaum ein Argument sein, warum niemand zugriff. Da würde ich sofort Justice (Kabel 1) oder Standoff (Vox) als Gegenargumente anführen, denn auch diese soliden Serien waren weder herausragend noch langlebig.

 

Law & Order: Trial By Jury

Obwohl die anderen drei Serien mit dem “Law & Order”-Stempel in Deutschland erfolgreich sind, wurde diese Serie bei uns nie gezeigt. Sie konzentriert sich auf die Gerichtsverhandlungen und zeigt, wie im Hintergrund Ermittlungsarbeit geleistet wird und sowohl Anklage als auch Verteidigung die Zeugen auf ihre Aussagen vorbereiten. Im Vordergrund stehen drei Staatsanwälte (Bebe Neuwirth, Amy Carlson und Fred Dalton Thompson) und zwei Ermittler (Jerry Orbach und Kirk Acevedo).

Jerry Orbach war der langjährige Star der Mutterserie Law & Order, bevor er in diesen Spin-off wechselte, wo er seine bisherige Rolle des Lennie Briscoe weiterspielte. Es war seine letzte Rolle, er spielte sie nur noch zwei Folgen lang. Orbach starb im Dezember 2004. Die Serie wurde im Mai 2005 nach 13 Folgen eingestellt. 

 

Hack

Die meisten Hauptberufe sind ja langweilig genug, um nebenbei noch bequem Kriminalfälle aufklären zu können. Das wissen wir aus vielen Serien. Auch der Taxifahrer Mike Olhansky (David Morse) klärt nebenbei Kriminalfälle auf und hilft Menschen in Not. Zu diesem Zweck hält er einen guten Kontakt zu seinem Ex-Partner Marcellus Washington (Andre Braugher) von der Polizei, den auch Mike war mal Bulle.

Hauptdarsteller David Morse haben wir als fiesen Bullen Michael Tritter in Dr. House gesehen und im Film „The Green Mile“ an der Seite von Tom Hanks.

Von 2002 bis 2004 liefen in den USA zwei Staffeln mit insgesamt 40 Folgen. 

 

Sue Thomas, F.B.Eye

Die gehörlose Sue Thomas (Deanne Bray) vom Land wird Spezialagentin in Washington, u.a. weil sie so fantastisch Lippen lesen kann. Dann muss man nämlich niemanden mehr abhören. Sie sieht ja von weitem, was geredet wird. Überhaupt sind ihre verbliebenen Sinne geschärft.

Die Serie basierte auf der Lebensgeschichte der gehörlosen Sue Thomas, die ab 1979 vier Jahre lang verdeckt für das FBI gearbeitet hatte. Von 2002 bis 2005 zeigte der winzige US-Sender PAX 57 Episoden und hatte damit einen beachtlichen Erfolg. 

 

Eyes

Eine Privatdetektei unter der Leitung von Harlan Judd (Timothy Daly) ermittelt da, wo das Rechtssystem versagt oder nicht zuständig ist. Mit allerlei technischem Schnickschnack als Unterstützung werden Personen überwacht oder Geld eingetrieben.

Die Serie lief Anfang 2005 in den USA. 13 Episoden wurden produziert. 

 

The Handler

Der FBI-Agent Joe Renato (Joe Pantoliano) bildet Nachwuchsagenten aus, die dann in Los Angeles als verdeckte Ermittler Kriminalfälle aufklären.

16 Episoden entstanden in der Fernsehsaison 2003—2004.

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Michael, 13. August 2009, 15:50.

Ab in den Süden

Offenbar drohte beim rheinland-pfälzischen Sender ZDF, bei dem keine einzige Serie in Rheinland-Pfalz spielt, die Quote der bayerisch sprechenden Serienrollen unter 80 Prozent zu sinken. Für diesen Fall hält das ZDF vermutlich immer ein Notprogramm bereit, wie zum Beispiel den vor zwei Jahren gedrehten, aber noch nie gezeigten Samstagskrimi Kommissar Süden. An diesem Wochenende kommt er zum Einsatz. Darin spricht zwar nicht der Protagonist, aber viele Figuren um ihn herum so sehr bayerisch, dass, wäre es sächsisch, die Fernsehsender Untertitel einblenden würden. Kenntnisse in Bayerisch, dem einzigen in fiktionalen Produktionen erlaubten Dialekt, werden natürlich vorausgesetzt, und notfalls kann man sie ja schnell durch ein paar ZDF-Vorabendserien auffrischen.


Foto: ZDF

Kommissar Süden unterscheidet sich von den anderen Samstagskrimis: Tabor Süden arbeitet bei der Vermisstenstelle der Münchner Polizei. Auch sein eigener Vater ist seit vielen Jahren verschwunden, und Südens versoffener Kollege Heuer ist mit einer Prostituierten verheiratet, die ihr „Büro“ zu Hause hat, weshalb Heuer da zu sehr vielen Tageszeiten nicht sein darf. Beides klingt wesentlich interessanter als der längliche Fall, um den es eigentlich geht, spielt aber kaum eine Rolle. Die meiste Zeit kriecht die neue Reihe zur Premiere in einem Tempo voran, mit dem selbst Herbert Reinecker hätte mithalten können.

Die Reihe mischt Redundanz, wie wir sie seit Reineckers Kommissar nicht mehr erlebt haben, immerhin mit Lebensweisheiten, von denen man wirklich lernen kann: 

– „Wie lang warst du Kellner bei dem?“
– „Zehn Johr.“
– „Zehn Johr?“
– „Zehn Johr!“
– „Und jetzt bist kein Kellner mehr?“
– „I bin liaber selber bsoffen.“

Ulrich Noethen spielt die Titelrolle, und in einer Nebenrolle sehen ZDF-Zuschauer ein bekanntes Samstagskrimigesicht: Produzent Oliver Berben besetzte die Rolle der ach so schönen, erhabenen Frau, die alle Männer verrückt macht und derentwegen sich sogar einer zu Tode hungert, natürlich mit seiner Mutter Iris.

In der Summe ist das ein klassischer deutscher Krimi, bei dem nicht so viel passiert, dass man nicht prima nebenbei noch Wäsche aufhängen oder aufräumen könnte. Eine Reihe also, von der wenigstens der Haushalt profitiert.

(Der zweite Teil des neuen „Samstagskrimis“ läuft übrigens in gut zwei Wochen an einem Montag.)

Kommissar Süden, Samstag um 20.15 Uhr im ZDF.

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Michael, 3. April 2009, 07:02.

Eine Marke für Charlie

Die neue Krimiserie Life als „ungewöhnlich“ zu bezeichnen, wäre übertrieben. Der Held und seine schöne Partnerin klären ganz gewöhnliche Mordfälle auf. Dieser Held ist aber ungewöhnlich, andererseits sind das Helden von Krimiserien ja mittlerweile immer.


Foto: NBC/Trae Patton

Immerhin ist Damian Lewis als Charlie Crews nicht einfach der konventionelle unkonventionelle Polizist, der eigensinnig ist und auch mal Vorschriften missachtet, wie man ihn in jeder Serie sieht. Charlie Crews saß zwölf Jahre unschuldig im Knast und hat seitdem eine bessere Menschenkenntnis, eine bessere Beobachtungsgabe und jede Menge Zen-Weisheiten verinnerlicht, mit denen er seine Mitmenschen belästigt. Unwirsch wird er nur gegenüber Verdächtigen von Zeit zu Zeit. Unentwegt isst er Äpfel oder Birnen, vergleicht sie aber nicht miteinander. Dass er nicht nur seine Dienstmarke zurückbekommt, sondern vom Streifendienst zur Kriminalpolizei befördert wird, war Teil der Vereinbarung, die ihn für die ungerechtfertigte Zeit im Gefängnis entschädigen sollte. Der andere Teil waren 50 Millionen Dollar. Nebenbei verprasst Charlie diesen Reichtum, fährt aber andererseits mit dem Linienbus zur Arbeit. Sein Finanzberater ist ebenfalls ein Ex-Knacki. Und natürlich will Charlie die Verschwörung aufklären, die ihn lebenslang in den Knast bringen sollte. Das ist neben den wöchentlich abgeschlossenen Fällen der Handlungsstrang, der sich durch die Serie ziehen wird.

Ungewöhnlich ist das alles nicht. Gut ist es trotzdem. Life ist die natürliche nächste Evolutionsstufe amerikanischer Krimiserien dieses Jahrzehnts, und Charlie Crews ist die logische Folge und Weiterentwicklung aus Gil Grissom und Robert Goren.

Und so bereichert Life ab sofort den Mittwochabend bei Vox, an dem ja noch nie eine schlechte Serie lief.

Life, mittwochs um 21.10 Uhr bei Vox.

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Michael, 11. März 2009, 06:42.

Germany’s Next Shawn Spencer

Eigentlich wollte ich über den Text zum Serienstart von The Mentalist ja „The Next Vincent Raven“ schreiben, weil es um einen Mentalisten geht. Haben Sie schon am Titel erraten, gell? Aber dann fürchtete ich, niemand würde mehr diesen Text lesen, und alle würden deshalb diese schöne Serie verpassen, die rein gar nichts mit dem Uri-Geller-Hokuspokus zu tun hat. Denn erstens ist sie unterhaltsam, und zweitens hat die Hauptfigur schon vor geraumer Zeit mit dem Betrügen aufgehört. Zudem ist sie Fiktion. (Halt, das ist die ProSieben-Realityshow ja eigentlich auch.)


Foto: Sat.1

The Mentalist ist wie viele Krimiserien: Im Grunde gewöhnliche Mordfälle werden von jemand Ungewöhnlichem aufgeklärt. Dieser war früher Betrüger, spielte Menschen vor, er könne hellsehen oder mit den Toten reden. In Wirklichkeit beobachtet er nur sehr präzise und schlussfolgert scharfsinnig. Diese Gabe nutzt er, um als Berater der Polizei bei der Aufklärung von Verbrechen zu helfen. Das liest sich exakt wie die Serie Psych, ist aber überraschenderweise ganz anders. Niemand käme auf die Idee, The Mentalist einen Schmunzelkrimi zu nennen, obwohl es selbst hier amüsante Momente gibt. Aber es geht etwas härter und weniger tollpatschig zur Sache, und der Protagonist Patrick Jane ist auch kein sympathischer Chaot, sondern ein arroganter Fatzke.

Psychologe: „Sie reden wohl nicht gern mit Ärzten?“
Patrick Jane: „Ach, die wollen immer die Klügsten im Raum sein. Stimmt doch, oder? Obwohl ich das doch bin, ist doch offensichtlich.“

Ihm dabei zuzusehen, wie er Fälle erst an sich reißt und dann aufklärt und es sich zwischendurch mit Verdächtigen und Kollegen gleichermaßen verscherzt, weil er alle durchschaut und ihre Intentionen ausspricht, bevor sie sie umsetzen können, macht großen Spaß. Aber insgesamt ist die Serie nicht so außergewöhlich, dass sie irgendjemanden verschrecken könnte. Wahrscheinlich deshalb ist sie in der USA der erfolgreichste Neustart seit Jahren. An diesem Wochenende startet sie bei uns.

The Mentalist, sonntags um 21.15 Uhr in Sat.1.

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Michael, 27. Februar 2009, 12:50.

Solo für Morse-Harry

Morse: „Du weißt, wo die Drinks sind, Lewis. Mach uns einen Sherry.“
Lewis: „Macht’s Ihnen was aus, wenn ich ein Bier trinke?“
Morse: „Wenn du jemals die schwindelnde Ranghöhe eines Inspektors erreichen willst, musst du lernen zu tun, was man dir sagt. Sherry, Lewis.“

(Aus Inspektor Morse, Episode „Die stille Welt.“)


Damals: Alter Morse und junger Lewis.
Screenshot: ITV

Inspektor Morse war eine tolle 33-teilige britische Krimiserie, von der in der DDR nur sieben und in der Bundesrepublik nur gar keine Folgen gezeigt wurden. Morse war ein starker Charakter: Unorthodox, eigensinnig, trinkfest, intelligent, aber nicht unfehlbar, er liebte klassische Musik, schwere Kreuzworträtsel und seinen roten Jaguar und hasste seinen Vornamen, den er niemandem verriet. Im Gegensatz dazu war sein Partner Sergeant Lewis ein unwissendes Würstchen, ein kuschender Streber, der schon mal den Wagen vorfuhr. Aber offenbar hat er gelernt zu tun, was man ihm sagte, denn jetzt ist er Inspektor und hat seine eigene Serie Lewis.

Aus gutem Grund wurde Harry Klein nach dem Ende von Derrick nicht zum Hauptdarsteller befördert und ebenso wenig Gerd Heymann zum neuen Alten. Die Figuren waren nicht interessant genug, um eine eigene Serie tragen zu können. So ist leider auch Robert Lewis in seiner eigenen Serie immer noch farblos, aber wenigstens kein unwissendes Würstchen mehr. Er hat viel von Morse gelernt und jetzt einen eigenen jungen Polizisten an seiner Seite, der aber viel forscher auftritt als Lewis vor zwanzig Jahren.


Heute: Junger Hathaway und alter Lewis.
Foto: ZDF

Der erste Film ist voller Anspielungen auf Inspektor Morse, die fast niemand in Deutschland erkennen oder verstehen wird, wenn das ZDF ab diesem Wochenende Lewis im Gegensatz zur Vorgängerserie zeigt. Gleich zu Beginn wird Lewis, der gerade nach zwei Jahren aus dem Ausland zurück nach Oxford kommt, beinahe von einem alten roten Jaguar angefahren, der wie der von Morse aussieht, und guckt, als habe er ein Gespenst gesehen. Später folgen Anspielungen auf Morses Trinkgewohnheiten, seine Liebe zu Kreuzworträtseln und seinen ungeliebten Vornamen. Entweder wollte der Autor die vielen Fans der früheren Serie mit Gewalt bei der Stange halten, oder es fiel ihm schlicht leichter, den verstorbenen Morse noch präzise zu charakterisieren als den jetzigen Protagonisten Lewis, der irgendwie immer noch keine richtigen Eigenschaften hat und sich statt von Morse jetzt von seinem jungen Assistenten über Shakespeare, Sport, Computer und alles belehren lässt.

Trotzdem ist die Reihe nicht schlecht. Die Fälle und das Tempo halten fast jedem Tatort stand, und Stil und Umsetzung fügen sich in die Reihe der Britenkrimis, die das ZDF sonst sonntags zeigt, prima ein. Dass man Lewis nicht plötzlich zum belesenen Rabauken gemacht hat, um ihm die alte Morse-Rolle zuzuteilen, macht die Figur zudem glaubwürdig. Und wer Morse nicht kennt, also die große Mehrheit, wird Lewis womöglich für gar nicht so blass halten. Und wer den durchschnittlichen Tatort-Ermittler für charismatisch hält, sowieso nicht.

Lewis, sonntags um 22.00 Uhr im ZDF.

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Michael, 31. Januar 2009, 13:43.

Buenos Dias, Messias!


Foto: ZDF / BBC Films

Auf das besondere Drängen eines einzelnen freien Mitarbeiters möchten wir auf die Wiederholung von Messias hinweisen, einer außergewöhnlichen, atemberaubenden englischen Crime-Mystery-Serie. Falls Sie also noch nicht wissen, was Sie mit der zusätzlichen Zeit in der kommenden Nacht anfangen sollen…

Der erste Fall besteht aus zwei fast spielfilmlangen Teilen, die das ZDF heute beide zeigen wird, mangels Werbung nur unterbrochen von einer heute-Ausgabe. Der Film kommt natürlich auf dem Qualitätsfernsehen-Sendeplatz um Mitternacht, falls Carmen Nebel ihre Willkommensshow zur Primetime rechtzeitig fertigmoderiert hat. Sonst wird’s eben etwas später. Wer sein Aufnahmewerkzeug programmieren möchte, sollte das also schön bis mindestens 3.15 Uhr durchrauschen lassen.

Die zwei Teile des zweiten Falls kommen in drei Wochen.

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Michael, 25. Oktober 2008, 12:59.

Verfahrene Situation

Weil die meisten CSI-Serien inzwischen bei RTL laufen und Vox ja wirklich nicht auf jedem Sendeplatz Criminal Intent zeigen kann, war klar, früher oder später würde mal wieder eine neue Krimiserie kommen müssen. Heute ist es so weit. Gleich nach den neuen Folgen von Criminal Intent. Es wird kein sehr langes Gastspiel für Standoff, weil die Serie in den USA nach 18 Folgen abgesetzt wurde, doch bis dahin kann es sich lohnen, mal reinzuschauen. Es geht um Krisensituationen, vorwiegend Geiselnahmen, und um die beiden FBI-Verhandler, die sie mit Geduld und Worten zu einem Ende bringen.


Foto: Vox

Hauptdarsteller Ron Livingston, Träger der goldenen Peter-Gallagher-Ähnlichkeitsmedaille 2006, spielt einen Mann, der zwar keine Probleme hat, einen bis an die Zähne bewaffneten Terroristen mit sensiblen Worten zur Vernunft zu bringen, ist aber völlig überfordert, wenn er den aktuellen Stand der gemeinsamen Beziehung mit seiner Kollegin (Rosemarie DeWitt) ausdiskutieren soll. Die beiden sind privat und beruflich ein Team, aber beruflich ebenso wie privat nicht immer einer Meinung – und sich doch ähnlich.

Der Einsatzbefehl wurde gegeben! Du verstößt dagegen, und du setzt dich einem Risiko aus. Du verhältst dich wie ich!

Die Chemie zwischen den beiden Hauptfiguren stimmt, und ihre Dialoge machen einen Teil des Reizes der Serie aus. Spannend ist sie sowieso. Das lässt sich gar nicht vermeiden, wenn man sich Geiselnahmen, Bombendrohungen und das Spiel auf Zeit als Thema für seine Serie aussucht und sein Handwerk auch nur einigermaßen beherrscht. Aber dann sind da noch ein paar zusätzliche Kleinigkeiten, die die Serie vom Standard abheben, wie die Szene, in der ein Selbstmordattentäter droht, ein Café in die Luft zu sprengen: Das Handy eines Cafégastes klingelt, und der Klingelton ist eine Instrumentalversion des M.A.S.H.-Titelsongs. Er heißt „Suicide Is Painless“. Das ist so subtil wie makaber und einfach gut gemacht, und wer das Lied nicht kennt, merkt’s gar nicht, stört sich aber auch nicht daran.

Da macht es auch nichts, dass die restlichen Figuren um die beiden Protagonisten herum klischeehaft gestrickt sind und sich entsprechend vorhersehbar verhalten, zum Beispiel der rigorose Leiter des SWAT-Teams, der eigentlich immer nur stürmen statt verhandeln will. Die spielen sowieso keine sonderlich große Rolle, und die beiden, die es tun, sind unterhaltsam anzusehen.

Die Serie wird weder große Diskussionen wie Dexter auslösen noch die Zuschauer in zwei Lager spalten, dafür ist sie nicht „besonders“ genug. Doch ebenfalls im Gegensatz zu Dexter wird sie vermutlich eine recht passable Anzahl an Zuschauern erreichen.

Standoff, mittwochs um 21.10 Uhr bei Vox.

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Michael, 1. Oktober 2008, 06:14.

Lund in Sicht!

Kommissarin Lund: Das Verbrechen beginnt mit einem Klischee: Montagmorgens um 6.30 Uhr schaltet Sarah Lund einen Fernseher aus, der noch seit dem Vorabend läuft. Er zeigt nur Schnee. In welchem zivilisierten Land hat an einem Werktag um halb sieben das Fernsehprogramm noch nicht begonnen? Das gab es zuletzt zu einer Zeit, als gegen 23.00 Uhr auch noch Sendeschluss war. Dann würde man die zweite Hälfte von Kommissarin Lund: Das Verbrechen schon gar nicht mehr mitbekommen. Und das wäre schade, denn das ist die gute Hälfte.

Zunächst werden deutlich zu viele Personen und ihre Lebenssituationen auf deutlich zu vielen Handlungsebenen eingeführt, bevor die Geschichte in Gang kommt. Das ist zwar eine vorschriftsmäßige Erfüllung der Chronistenpflicht, nimmt aber leider auch schon vorweg, wer später in irgendeiner Form etwas mit dem titelgebenden Verbrechen zu tun haben wird, das nach geschlagenen fünfzig Minuten erst den Film bereichert: Der Mord an einer Schülerin. Denn warum sonst sollten sie alle so ausführlich vorgestellt worden sein?


Trauernde Eltern. Foto: ZDF/Tine Harden

Doch man muss das im Verhältnis sehen. Die erste Folge von Kommissarin Lund: Das Verbrechen wirkt zwar bis kurz vor Schluss, als habe sie das Tempo eines ganz normalen Tatorts und steuere dann auf ein dramatisches Finale zu, aber dann wird klar, dass die Geschichte gerade erst anfängt. Kommissarin Lund ist eine bemerkenswerte Fortsetzungsgeschichte, und Das Verbrechen ist tatsächlich das einzige Verbrechen, um dessen Aufklärung es in den zehn spielfilmlangen Folgen geht. Mehr als 1000 Minuten für einen einzigen Fall. Da bleibt viel Zeit, auch stille Trauer zu zeigen. Minutenlang fassungslose Gesichter, Schockzustände, Trauerbewältigung, betretenes Schweigen. Das ist nicht sehr kurzweilig, aber erschreckend realistisch. Und noch mehr Klischees. So zieht Lund mit ihrem neuen konventionell unkonventionellen Kollegen völlig ironiefrei die klassische Guter-Bulle-böser-Bulle-Nummer ab.


Kommissarin Lunds Nachfolger ist schon da. Aber Lund geht noch gar nicht!
Foto: ZDF/Tine Harden

Kurz vor dem Ende des ersten Teils scheint es, als sei die Sache einfach, der Täter bald identifiziert und nur noch dingfest zu machen, doch jetzt beginnen erst die eigentlichen Verstrickungen. Der Wahlkampf zwischen dem amtierenden Bürgermeister und seinem Herausforderer spielt eine Rolle, Intrigen, undichte Stellen, falsche Fuffziger. Alte Affären. Familiäre Probleme, zunehmende Distanz. Plötzlich beginnt die Serie zu fesseln. Wer die erste Hälfte des ersten Teils tapfer durchsteht, wird unbedingt wissen wollen, wie es weiter geht. Das ist spannend, gut gespielt und plötzlich gar nicht mehr langatmig. Teilweise erinnert Kommissarin Lund: Das Verbrechen mit all den Nebenschauplätzen und Verstrickungen ein bisschen an Das Geheimnis von Twin Peaks, ist aber nicht so skurril, und ein bisschen an die hervorragende Serie Damages – Im Netz der Macht, ist aber nicht halb so verworren. Vielleicht fällt es dem Publikum deshalb diesmal leichter, sich über zehn Wochen an eine Serie binden zu müssen, wenn es die Lösung erfahren will.

Kommissarin Lund: Das Verbrechen, sonntags um 22.00 Uhr im ZDF.

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Michael, 13. September 2008, 19:09.
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