Öde an die Freude

„Sie befinden sich auf einer nicht digitalisierten Straße“, sagt das Navi, und damit ist klar, dass die Serie Mord mit Aussicht in der tiefsten Provinz spielt. Denn manchmal werden Wünsche ziemlich schnell erhört. Erst am Freitag rief ich zum Erhalt der Kleinstadtidyllserie als Genre auf, und schon heute ist es von allen Sendern ausgerechnet die ARD, die folgsam ist.

Eine Großstadtkommissarin wird in ein Eifelkaff versetzt. Hengasch. Voller Stolz erklären die Bewohner die Herkunft des Namens. „Wenn man die Gegend von oben betrachtet, sieht sie aus wie ein Hängearsch“. Ein Kaff, in dem die Großstadtkommissarin unterfordert zu sein droht. Hier geschehen keine Morde. Nur Selbstmorde.

Lediglich zwei unaufgeklärte Kriminalfälle gab es in den vergangenen vier Jahrzehnten. Sich an die noch einmal zu wagen, wäre Quatsch, die Dorfbewohner wissen eh alles besser. Das wäre wie Eulen nach Hengasch tragen. Die immer wieder im Baum auftauchende Eule als Leitmotiv übernimmt die Rolle, die der Elch in Ausgerechnet Alaska und der Waschbär in Men In Trees spielte: Das Symbol der Abgeschiedenheit, der Hängearsch der Welt.

Auf dem Land ist vieles anders.

„Der war wohl bei der Gilla, seiner Cousine.“
„Aber die Gilla ist doch seine Frau.“
„Sie wissen doch, wie das auf dem Dorf ist.“

Werden wir morgen eine Kollektivdemonstration der Aleviten mit den Eifelbewohnern erleben?

Bemerkenswert ist Folgendes: Sat.1 passiert es, dass aus formal ereignisreicher Handlung eine stinklangweilige Sendung wird, aber der ARD gelingt es, aus dem Thema Langeweile äußerst unterhaltsame 45 Minuten zu produzieren, was nur zum Teil daran liegt, dass der Schauspieler Bjarne Mädel aus seiner anderen Serie Stromberg ein bisschen peinliche Stille mitgebracht hat. Und das ist die Überraschung: Nach den ambitionierten, aber dennoch öden Familienkrimiversuchen Ein Fall für Nadja und Elvis und der Kommissar ist Mord mit Aussicht tatsächlich sehr kurzweilig. Da war man schon versucht, die ARD-Ankündigung, die erfolgreichste der drei Serien würde fortgesetzt, im Geiste umzuwandeln in: „Die am wenigsten peinliche werden wir vielleicht erst nächstes Halbjahr absetzen“, und dann kommt als dritter der drei Versuche eine inspirierte, originelle, witzige und schön gespielte Serie daher. Hoffentlich kommt sie noch öfter.

Mord mit Aussicht, montags um 20.15 Uhr im Ersten.

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Michael, 7. Januar 2008, 22:41.

5 Kommentare


  1. Hm.. Inhalt und Titelbild (Auto eingekeilt von Schafen) erinnert stark an „Allein unter Bauern“…
    Habe die Folge von heute leider noch nicht gesehen, aber bin schon sehr gespannt. Bin großer Fan von Bjarne Mädel! 🙂

  2. Die Quoten sind interessant. Die ARD startet auf dem Sendeplatz drei Testballons, drei unterschiedliche Serien (offenbar auch von unterschiedlicher Qualität), und der Zuschauer?

    „Ein Fall für Nadja“ startete mit 11,8% und fiel daraufhin tief bis unter 8%);

    „Elvis und der Kommissar“ startet mit nur 9,2% und kam zwischenzeitlich nur auf 10,9%. Beide Serien enttäuschten also.

    Und nun startet „Mord mit Aussicht“ mit 11,4%, also mehr oder weniger genauso erfolglos.

    Kann der ARD-Zuschauer nicht zwischen guter und schlechter Qualität unterscheiden oder ist die Programmfarbe (denn die war ja bei allen drei Krimiserien die gleiche) nicht mehr erwünscht?

    Schließlich landete Sat.1 auf dem exakt gleichen Sendeplatz mit einer sehr ähnlichen Farbe („Mit Herz und Handschellen“ und „Stadt, Land, Mord“) ebenfalls Flops.
    Wenn man dazu noch die Flops „Allein unter Bauern“ und „Dr. Martin“ nimmt, könnte man fast befürchten, dass die Krimikomödie am aussterben ist!

  3. Kann mich nicht daran erinnern wann 45 Minuten Serie in letzter Zeit so kurzweilig waren…!

    Frage mich allerdings was in den nächsten Folgen auf uns zukommt. Die beiden „alten“, „großen“ Fälle sind ja jetzt schon gelöst. Wenn jetzt aber in jeder Folge neue „größere“ Fälle kämmen würde sie ja irgendwie ihren Charme und ihre Glaubwürdigkeit verlieren.

    Also hoffentlich gehts so unterhaltsam weiter wie es gestern aufgehört hat…

    ps. An die Eifelbewohner: Bitte keine Demos wegen der Serie! Wir wissen das ihr ganz falsch dargestellt werdet 😉

  4. @viewer:
    Das Erste hatte auch schon früher auf diesem Sendeplatz Krimiserien, ich erinnere mich an Die Kommissarin und dann die letzte Staffel des Fahnders, die zuvor mehrere Jahre im Archiv verstaubt war, auch diese Formate hatten keine berauschenden Quoten.
    Das die Programmfarbe Krimi nicht mehr gewünscht ist kann ich mir kaum vorstellen. Aber die Öffentlich-Rechtlichen leiden in abgeschwächter Form ja auch unter der Serienkrise mit eigenproduzierten Formaten.
    Darüberhinaus waren alle drei Serien doch recht unterschiedlich konzipiert.
    „Ein Fall für Nadja“ hatte ja gar kein komödiantisches Element, sondern eine Familenserie, wo eine vom Schicksal gebeutelte Frau nach Unfall arbeitslos um das Sorgerecht für ihren Sohn kämpft, nebenher als Vorqualifizierung Journalistin als Privatdetektivin anheuert und Kriminalfälle aufklärt, also reichlich überfrachtet, unrealistisch und totlangweilig mit mäßigen Darstellern inszeniert.
    „Elvis und der Kommissar“ hatte zwar das komödiantische Element, war aber irgendwie eher eine Fortsetzung von Adelheid und ihre Mörder, aber mit glatten Charakteren, und wegen der tollen Fälle hat die Adelheid sicher keiner angeguckt.
    „Mord mit Aussicht“ hingegen ist wirklich liebevoll mit kauzigen und kantigen Charkteren ausgestattet, die auch noch nicht so verbraucht sind wie die Darsteller der obigen Formate.
    Diejenigen die gestern zugesehen haben waren sicher in der überwiegenden Mehrzahl begeistert und werden nächste Woche wieder einschalten. Das große Kritikerlob dürfte auch bei mäßigeren Quoten die ARD-Verantwortlichen, die ja eigentlich gar keinen Quotendruck haben sicher auch milde stimmen was eine zweite Staffel angeht, bei Türkisch für Anfänger war es ja auch so.
    Außerdem dürfte selbigen Personen auch klar sein, dass auf Dauer nicht nur Sendungen wie „Familie Dr. Kleist“ oder „Der Winzerkönig“ laufen können wenn man zumindest noch ein paar junge Zuschauer behalten will.

  5. na toll, und ich musste arbeiten…
    dabei hatte ich mir recht fest vorgenommen, reinzuschauen.



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