Der internationale Frühschoppen

1953–1987 (ARD). Wöchentliche politische Diskussion mit sechs Journalisten aus fünf Ländern unter der Leitung von Werner Höfer.

Jeden Sonntag gegen Mittag versammelten sich um Höfer herum weitere Journalisten, die wöchentlich wechselten, und redeten über aktuelle Weltpolitik. Zu den deutschen Stammgästen gehörten u. a. Rudolf Augstein, Henri Nannen, Marion Gräfin Dönhoff, Günter Gaus, Peter Scholl-Latour, Julia Dingwort-Nusseck und Theo Sommer. Höfer selbst jedoch sprach von allen Anwesenden die meiste Zeit, durchschnittlich 18 von 45 Minuten. Er war der Diskussionsleiter, der die Runde im Griff hatte und bei Bedarf zur Ordnung rief, blieb aber nicht neutral, sondern diskutierte mit, sagte seine Meinung und wurde ab und zu ungehalten, wenn jemand partout anderer Meinung war. Schon 1959 nannte der „Spiegel“ den Frühschoppen die „Werner-Höfer-Schau“.

Er war jedoch nicht immer eine biedere Sendung zur Selbstdarstellung des Moderators, sondern sprach auch heikle Themen an: 1962 thematisierte Höfer die „Spiegel-Affäre“ im Sinne des zu Unrecht verfolgten Nachrichtenmagazins; 1968 setzte er gegen massiven Druck aus der Politik durch, dass „Stern“-Chefredakteur Henri Nannen auftreten durfte, der gerade Bundespräsident Lübke „kleinkariert“ und eine „bedauernswerte Figur“ genannt hatte. Allerdings soll Höfer ein Zeichen ausgemacht haben, auf das hin die Sendung abgebrochen würde, falls Nannen nachlegen sollte. Nannen legte nach, wurde von Höfer zurechtgewiesen, doch die Sendung ging weiter.

Die Reihe war bereits 1952 im Radio gestartet und wurde während der Funkausstellung 1953 in Düsseldorf zum ersten Mal schlicht abgefilmt. Nach diesem Procedere lief die Sendung weiterhin zeitgleich im Hörfunk und im Fernsehen. Zuhörer verpassten nichts, da man auch im Fernsehen lediglich ein paar Leute um einen Tisch herumsitzen und Wein trinken sah. Eine Bedienung schenkte regelmäßig nach. Manchmal sah man sie auch nicht, weil sie hinter den Rauchschwaden der Zigarillos verschwunden waren. Mag sein, dass der Wein die hitzigen Diskussionen noch weiter angeheizt hat. Genau das war Höfers Ziel, der weniger die Atmosphäre einer trockenen Redaktionssitzung, sondern die eines Stammtischs haben wollte. Das wurde selbst in seinen Ordnungsrufen deutlich: „Hier geht es zu wie in einer polnischen Kneipe, wo schwarz gebrannter Wodka gereicht wird. Aber hier ist ein Weinlokal.“ Bei dem Wein handelte es sich um „Maikämmerer Heiligenberg“, eine Riesling-Spätlese aus der WDR-Kantine. Wer keinen Wein wollte, bekam Apfelsaft. Das war jedoch eine Seltenheit.

Ursprünglicher Titel war bis Ende 1953 Der internationale Journalisten-Frühschoppen. Anfangs wurde von den Düsseldorfer Rheinterrassen, später aus dem Studio des WDR gesendet, manchmal auch von irgendwo: Für die Live-Sendung war ein Übertragungswagen der Technik nötig, der WDR hatte aber damals nur einen, und der war oft bereits für Sportübertragungen am Nachmittag gebucht und hätte nicht rechtzeitig umgebaut werden können. Also veranstaltete Höfer seinen Frühschoppen dann einfach in irgendeinem Raum in unmittelbarer Nähe der Sportstätte, wodurch die Übertragung beider Veranstaltungen möglich wurde.

Im Lauf von dreieinhalb Jahrzehnten gab es nur wenige Veränderungen. Die Zahl der Journalisten und Länder änderte sich manchmal, wenn jemand fehlte. Hatte ein Journalist kurzfristig oder gar nicht abgesagt, fiel er umso mehr in der Sendung auf, weil dort dann ein leerer Stuhl stand und ein herrenloses Namenschild auf dem Tisch. Einmal fehlte Höfer selbst. Wegen einer Sturmflut saß er auf Sylt fest, wo er Urlaub gemacht hatte. Er war seinem Frühschoppen an diesem Tag nur telefonisch zugeschaltet. Der Tisch, an dem die Runde tagte, war anfangs ein gewöhnlicher Wohnzimmertisch, später ein nierenförmiger. Eines Tages geschah das Unfassbare: Frauen diskutierten mit. Höfer nahm sie bei der Hand, erklärte ihnen, wie sie sich gegen die „rüde europäische Horde“ durchsetzen müssten, änderte aber nichts an seiner Standardanrede „Meine Herren“ und wandte sich unter Umständen danach noch direkt an die anwesende Dame: „Sie spielen im Moment gar keine Rolle.“ Dann beschränkte Höfer seine Runde doch wieder auf Männer („Es geht schließlich um Politik“).

Der Frühschoppen genoss lange Zeit eine Monopolstellung im politischen Meinungsbildungsprozess, war Pflichtprogramm am frühen Sonntagmittag. Bis 1970 begann er um 11.30 Uhr. Seine Verlegung auf 12.00 Uhr löste Zuschauerproteste vor allem von Frauen aus, die sich beklagten, die Sendung nun nicht mehr sehen zu können, da sie zu dieser Zeit kochen und den Tisch decken müssten. Zur 1000. Sendung kam ein Politiker ins Studio: Bundeskanzler Willy Brandt gratulierte persönlich. 1967 erhielt Höfer einen Adolf-Grimme-Preis mit Silber. Die Jury begründete die Auszeichnung damit, dass die „Spontaneität der Beiträge der Gesprächsteilnehmer“ den Zuschauer „zu aufmerksamem und konzentriertem Mitdenken“ zwinge.

Die erfolgreiche Reihe brachte es auf 1874 Sendungen. Am Morgen des ersten Weihnachtstags 1953 moderierte Höfer außerdem den „Internationalen Kindergarten“ (kein Witz) und an Neujahr 1954 den „Internationalen Politiker-Frühschoppen“. Die berühmte Anfangsansage „… mit sechs Journalisten aus fünf Ländern“ machte Egon Hoegen. 1987 fand die Sendung ein plötzliches Ende. Der „Spiegel“ enthüllte, dass der junge Höfer 1943 im Zweiten Weltkrieg in einem Artikel die Hinrichtung des Pianisten Karlrobert Kreiten wegen Wehrkraftzersetzung positiv kommentiert hatte. Der WDR trennte sich daraufhin sofort von seinem Star-Journalisten und stellte die Reihe ein. Auf dem Sendeplatz startete nur eine Woche später eine fast identische Sendung unter dem Namen Presseclub.

Im Oktober 2002 begann im öffentlich-rechtlichen Ereignis- und Dokumentationskanal Phoenix eine Neuauflage unter dem Originaltitel, die seither immer dann ausgestrahlt wird, wenn der Presseclub im Ersten wegen Sportübertragungen ausfallen muss.

3 Kommentare


  1. […] 1987 (ARD). Nachdem Der internationale Frühschoppen mit Werner Höfer eingestellt worden war, rief die ARD eine modernisierte Version auf gleichem […]

  2. Miliarden an die Verursacher des Wirtschaftbankrott.Kein Cent für Weihnachtzulagen der Hartz4 Empfänger und dere Kinder.

    Diese Politik

    Nun ist die Katze aus dem Sack. Unter bestimmten Bedingungen kann die Bundeswehr im Inneren eingesetzt werden. Ob sie auch die Verfassung, genauer das Grundgesetz angepasst haben? SPD und CDU sind sich einig. Aber was mag die Ursache sein, das noch vor der Wahl zu realisieren? Hier kann ich natürlich nur spekulieren. Man hat Angst vor Aufständen!

    Eine durchaus berechtigte Angst, denn was die Herrschaften sonst noch zu bieten haben, ist auch nicht von Pappe. Die Hypo Real Estate kommt mit 35 Milliarden nicht aus, sie braucht mindestens 90 bis 100 Milliarden und Steinbrück versichert natürlich, dass der Bund dafür einsteht. Schließlich müssen die Anleger ja Sicherheit haben. Wer sind die Anleger? Außer ein paar Kleinanlegern vor allem Banken und Reiche, die neben Risikopapieren auch die sicheren Pfandbriefe in ihren Tresoren lagern. Ginge es nur um Kleinanleger, wäre Steinbrück das aus meiner Sicht völlig egal. Nein, er muss das Kapital der Quandts, Mohns, Springer, Holtzbrink, Herz, Burda, Albrecht, Flick, von Klatten, Beisheim usw. usf. sichern.

    Aber SPD und CDU haben noch mehr auf Lager. Die KK-Beiträge werden einheitlich auf 15,5% festgelegt, um den Wettbewerb zu steigern. Diesen Schwachsinn tischt man der Bevölkerung auf und leider, zu viele glauben es auch noch. Bis vor kurzem war die Wettbewerbsfähigkeit noch an die Höhe der Preise gekoppelt, deshalb mussten die Löhne sinken. Jetzt ist ein Einheitsbeitrag plötzlich wettbewerbssteigernd? Aber keine Sorge, dafür wird ja der Beitrag für die Arbeitslosenversicherung auf 2,8% gesenkt. Klar, die Hälfte der Absenkung kassiert der Arbeitgeber. Aber Arbeitnehmer haben auch ein wenig davon. Doch was ist mit den Rentnern? Bereits zum dritten Mal kürzt Ulla Schmidt die reale Rente. Nicht direkt. Erst wurden für Zusatzrenten die vollen KK-Beiträge fällig. Dann kamen Nullrunden, was nicht verhinderte, dass Rentner 0,9% zusätzlichen KK-Beitrag und die Pflegeversicherung voll bezahlen mussten. 2008 wurde die Pflegeversicherung angehoben. Der Rentner zahlt sie voll. Nun werden die KK-Beiträge angehoben, bei gleichzeitiger Leistungseinschränkung. Wieder haben die Rentner ohne jeden Ausgleich weniger Rente auf dem Konto.

    Die Finanzkrise, wie sie beschönigend genannt wird, führt inzwischen sogar bei den Politikern zu Besorgnis. Zum Glück sagt Steinbrück ja, die Einlagen sind sicher und übernimmt Bürgschaften für die Banken. Was aber, wenn er wirklich zur Kasse gebeten wird? Hat die Politik irgendwo einen geheimen Geldspeicher, aus dem sie mal eben 50, 100, 200 Milliarden nimmt? Wohl kaum. Zu den bestehenden 1,5 Billionen Euro Schulden werden weitere Schulden gemacht. Wenn es darum geht, Banken zu retten, ist das ja wohl gerechtfertigt, oder? Bezahlen werden wir das, über die Geldentwertung und vermutlich über Steueranhebungen. Die Quandts, Mohns, Springer, Holtzbrink, Herz, Burda, Albrecht, Flick, von Klatten, Beisheim usw. usf. machen dabei einen fetten Schnitt. Sie gewinnen, wir verlieren. Aber so ist das im Kapitalismus. Es ist eigentlich auch eine Art Solidarsystem. Damit einige wenige superreich werden, muss die Mehrheit zahlen, zahlen, zahlen ….

    Es ist übrigens das älteste Solidarsystem, denn es wird seit Tausenden von Jahren praktiziert, wenn auch unter andern Namen. Die Herrschenden haben es dann immer irgendwann auf die Spitze getrieben und das Volk hat erst gemurrt und schließlich aufbegehrt. Aber die Herrschenden haben meist rechtzeitig das Militär zu Hilfe geholt und die Masse holte sich dann blutige Köpfe und resignierte.

    SPD und CDU/CSU machen nun das Gleiche. Sie wollen den Traum von Schily und Schäuble endlich verwirklichen, das Militär auch im Innern einzusetzen. Kommt es dann zu Großdemonstrationen, unterwandert man die Demonstranten mit ein paar Provokateuren, die für Krawall sorgen, die Demonstration wird damit zum Aufruhr und das Militär rückt an. Söhne feuern dann auf ihre Eltern, Geschwister. Sie müssen. Befehl ist schließlich Befehl und sie wurden rechtzeitig domestiziert, einen Befehl nie in Frage zu stellen. Wer der verlogenen Argumentation glaubt, das Militär sollte im Kampf gegen den Terror zum Einsatz kommen, ist ein Phantast. Das System fährt an die Wand und die Herrschenden schützen sich mit militärischer Präsenz, Das Kapital sieht zu und grinst, denn egal, was passiert, sie gewinnen, IMMER.

    Es gab noch nie eine wirkliche Alternative: „Bis jetzt!“ Jetzt gibt es eine Gegenbewegung, die den Menschen die Möglichkeit an die Hand gibt, das Geschick des Staates in die eigene Hand zu nehmen, selbst zu bestimmen, was geschehen soll und was zu unterbleiben hat. Es liegt an Ihnen. Sie müssen es nur wollen. Informieren Sie sich, denn die Partei „DIE BASIS“ verspricht nicht nur, sie erklärt detailliert, wie es funktioniert und hat es ebenso detailliert in die Satzung aufgenommen, also zu einklagbarem Recht gemacht. Helfen Sie mit, diese Regierung in die Wüste zu schicken, ganz ohne Gewalt. Werden Sie Mitglied in der Partei „DIE BASIS“. Helfen Sie mit, die größte und wirkungsvollste Gegenoffensive zu starten.

    Es liegt an uns, dieser Politik den Garaus zu machen, gewaltfrei, aber effektiv.

  3. Wir werden die Herrschaften da oben einfach wegspammen!
    (Das habe ich hier geschrieben, also zu einem einklagbaren Recht gemacht.)



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