Vielleicht nicht

Vielleicht ist alles doch nicht so schlimm im deutschen Fernsehen. Nicht einmal im Vergleich mit dem Fernsehen im Ausland, das wir sonst oft so sehr preisen.

In der ganzen Welt ist Deutschland wegen seiner Pünktlichkeit bekannt. Ausgerechnet das Fernsehen pfeift hierzulande aber oft auf Pünktlichkeit, überzieht Sendungen um Minuten oder manchmal Stunden. Und das ist gut so. Denn das Fernsehen richtet sich in Deutschland danach, wann eine Sendung tatsächlich zu Ende ist. Oder sich zu Ende anfühlt. Und erst dann wird ausgeblendet.

Der Pünktlichkeitswahn des sonst so guten britischen Fernsehens dagegen führte schon oft dazu, dass Sendungen just in dem Moment, in dem es spannend wurde, zu Ende waren. Dort wird nämlich abgebrochen, wenn die dafür vorgesehene Zeit erreicht ist.

Im vergangenen Jahr hatte das zur Folge, dass am Ende der Übertragung der Brit Awards ausgerechnet die Trägerin des wichtigsten Preises des Abends, Adele, keine ordentliche Dankesrede mehr halten durfte, während vorher viel Zeit mit Preisträgern in Nebenkategorien verplempert wurde.

Heute Abend hatte der Reporter des Senders ITV das Gespräch mit dem Trainer von Real Madrid, José Mourinho, nach dem Ausscheiden seines Vereins aus der Champions League gegen Borussia Dortmund schon fast beendet, als er abschließend ein vages „Vielleicht nächstes Jahr mit Real Madrid?“ in den Raum stellte. Mourinhos überraschende Antwort: „Vielleicht nicht.“ Das ist die Stelle, an der in Deutschland Fußballer und Trainer nie, aber auch gar nie, etwas Konkretes sagen. Mourinho hatte zwar auch vorher schon angedeutet, in der kommenden Saison eventuell anderswo anzuheuern, doch bisher hatte es nichts Konkretes gegeben. War hier etwa die Chance, wirklich etwas Neues zu erfahren? Der Reporter fragte noch nach: „Vielleicht nicht?“. Mourinho setzte zur Antwort an: „Nun, ich arbeite gern dort, wo man…“ Dann suchte er für einen Moment nach Worten. Englisch ist nicht seine Muttersprache. Zu blöd, dass gerade eine volle Stunde erreicht war. Der Reporter unterbrach. „Das nehmen wir mal so mit. Ich muss Schluss machen.“ Er gab zurück zu den Moderatoren. Die verabschiedeten sich. Ende.

Das wäre bei uns nie passiert. Wer hätte gedacht, dass ich also jemals diesen Satz schreiben würde: Hier könnten sich die Briten am deutschen Fernsehen ein Beispiel nehmen.

Michael, 30. April 2013, 23:29.

5 Kommentare


  1. Vielleicht ein Job für Hartmut Mehdorn?
    Die bei ITV würden schnell lernen, dass Zeit nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt.

  2. In Deutschland ist es an der Tagesordnung das Sendungen früher als angegeben beginnen,
    das ist das Problem.

    Es ist absoulut nix Postives daran,wenn man es nicht hin bekommt sich an dei zeiten zu halten.
    Bis 2016 kann man sich sachen im zweifel ja immer noch in nachhinein angucken.

  3. Eine Sendung ist dann zu Ende, wenn sie sich zu Ende anfühlt – das sollte zum Prinzip erklärt werden. Damit würde sich die Sendezeit sämtlicher Markus Lanz-Sendungen um 98 Prozent reduzieren. Und Fußballspiele die Bla Rethy kommentiert, müssten gar nicht erst angepfiffen werden.

  4. Sinnlose Sport kommentare sollten sowieso komplett verboten werden.

    Was intressiert,welche unterwäsche ein Spieler Sonntags zwischen 0:30 und 2:49 trägt?

    Die Leute sollen das kommentieren was gerade passsiert,und fertig.

  5. […] Viel­leicht nicht Pünkt­lich­keit ist eine Zier, doch mehr erfährt man ohne ihr. […]



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