Biegen und Brechen

Uri Geller versuchte sich an einem neuen Experiment. Zwischen den Auftritten seiner Gedanken lesenden, Puls anhaltenden und mit Raben sprechenden potenziellen Nachfolger in der neuen Talentshow The Next Uri Geller forderte er die Zuschauer zu Hause auf, kaputte Elektrogeräte vor dem Fernseher zu platzieren. Er würde sie reparieren, indem er auf Hebräisch bis drei zählt. Ein Zuschauer schrieb anschließend eine E-Mail ins Studio, sein DVD-Player funktioniere endlich wieder. Dieser Mensch hatte es gut, denn er konnte sich für den Rest des Abends statt dieser Sendung einen guten Film ansehen.

Doch The Next Uri Geller hatte alles, was große Abendunterhaltung vor dreißig Jahren hatte: Ein riesiges Saalpublikum, Bürgermeister in der ersten Reihe, den Hinweis an die lieben Kinder, die Experimente bitte nicht zu Hause nachzumachen, die Einblendung, dass sich die nachfolgenden Sendungen um einige Minuten verschieben, und Uri Geller. Zwei Dinge waren anders als vor dreißig Jahren: Es gab kein Saalorchester, das die Musik in der Show live spielte, es hätte sonst vermutlich Erschwerniszuschlag verlangt, denn wie die meisten heutigen Shows war auch diese komplett mit spannungsgeladener Musik unterlegt. Aber im Gegensatz zu den meisten heutigen Shows war sie stellenweise tatsächlich spannend. Welcher Trick es auch war, durch den der Karatekämpfer wusste, auf welche von fünf Papierzylindern er mit verbundenen Augen, der bloßen Hand und voller Wucht einschlagen konnte, ohne sich selbst das Messer in die Hand zu rammen, das sich unter einem der fünf Zylinder verbarg, es war aufregend anzusehen. Und das wäre es sogar gewesen, wenn ProSieben auf die Geschmacklosigkeit verzichtet hätte, mehrmals darauf hinzuweisen, dass das gleiche Experiment jüngst in Israel gescheitert sei und das entsprechende blutige Video wiederholt zu zeigen.

Ein Mann, den Uri Geller unentwegt Stefan nannte und bei dem es sich der Sage nach um Stefan Gödde handelt, moderierte die Show souveräner als man es von ProSieben-Showmoderatoren gewohnt ist, sollte aber offenbar anonym bleiben. Weder im Vorspann, noch im Abspann, noch per Einblendung zwischendurch gab es einen einzigen Hinweis darauf, wer dieser Moderator ist. Vielleicht nahm ProSieben an, nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Publikum säßen Gedankenleser.

Einige der Gedankenleser und Telepathen waren recht beeindruckend. Der prominente Gast Jürgen Vogel ließ sich mit einer Feder berühren, aber die unberührte Sonja Kraus spürte die Berührung. Ein Mann hielt für eine halbe Minute seinen eigenen Puls an. Ein Medium beschrieb mit verbundenen Augen Gegenstände, die ihr Partner im Publikum einsammelte. Und dann war der noch der Rabenvater, der in einer wenig geläufigen Sprache auf einen Raben einredete und vorgab, mit dem Jenseits sprechen zu können. Seine Auskünfte von dort waren so ungefähr wie das, was man sonst auf Kanal Telemedial oder anderen Astrokanälen hört. Als er Jürgen Vogel vorhersagte, er werde seine verstorbenen Angehörigen „in einem schönen Lichtkegel“ wiedersehen, klang das allerdings eher nach Home Shopping Europe, wo man den schönen Lichtkegel bestimmt sofort hätte bestellen können. Er faselte seinen Wischiwaschikram, redete sich um jede konkrete Aussage herum und bewies mit der Ansprache von Sonja Kraus als „Anja“, dass er nicht nur zum Jenseits, sondern auch zum Diesseits keinen echten Kontakt zu haben schien. Ausgerechnet er kam in die nächste Runde, der von allen Teilnehmern am ehesten wie ein Scharlatan wirkte. Aber vermutlich hat er aus genau diesem Grund den Titel „The Next Uri Geller“ am ehesten verdient.

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Michael, 9. Januar 2008, 13:23.

9 Kommentare


  1. als Einstimmung auf das tolle Abendprogramm kam im Vorfeld zu „The next Uri Geller“ eine Folge von Galileo, in der es um die Top 7 der „Supermänner“ ging. Die Plätze 7 – 3 gingen an Kampfkunstexperten, die durch ihren Geist eine hohe Körperbeherrschung haben, und deshalb Steine usw. mit der bloßen Hand zertrümmern können. Diese „hohe mentale Stärke“ war dann auch das einzige, was die Brücke zu Platz 2 schlug: ein Zauberkünstler, von dem behauptet wurde, er hätte „starke mentale Kräfte“. Nun ratet mal, wer auf Platz 1 kam. Natürlich der Löffelverbieger.
    Auf eine bessere und direktere Art und Weise hätte man dem Zuschauer kaum mitteilen können, dass a) an diesem Abend die tolle Uri Geller Show kommt, b) so Crossmedia-Marketing funktioniert und c) Pro 7 den Zuschauer nicht nur für völlig verblödet hält, sondern ihm dies auch noch direkt ins Gesicht sagt, indem man Zusammenhänge herstellt, die nicht existieren, um einem das tolle Abendprogramm schmackhaft zu machen.
    Natürlich darf man von Galileo nicht die klassischen Kriterien wissenschaftlichen Journalismusses erwarten, aber ich fühlte mich nach dieser Sendung wirklich dümmer.
    (Hier noch der übliche Disclaimer: Selbstverständlich bin ich rein zufällig auf diesen Sender „Pro 7“ gestoßen und nur bei Galileo hängengeblieben, weil just in diesem Moment natürlich die Batterien der Fernbedienung leer waren, der Fernseher auf 2,5 Meter Höhe hängt und die hohe Leiter gerade in Reparatur ist.)

  2. Der Countdown, der während Galileo eingeblendet wurde, machte mich ein wenig nervös. Dort liefen oben im Eck nicht nur die verbleibenden Minuten bis zum Start von The Next Uri Geller runter, sondern auch die Sekunden UND HUNDERTSTELSEKUNDEN!
    Ich konnte mich kaum auf den obligatorischen BH-Test konzentrieren.

  3. Stimmt, das hat mich auch etwas nervös gemacht. Vor allem dem Volleyball- und Saunatest – beide in wissenschaftlichen Kreisen in dieser Ausführung sehr anerkannt – konnte ich kaum folgen; aber wahrscheinlich lag die Top 7 noch schwer im Gehirn.

  4. Also, ich hab ja überhaupt nichts mit diesem Übersinnlichen am Hut, deswegen habe ich die Show auch weitestgehend gemieden und nur mal kurz in einer Werbeunterbrechung meines Alternativprogramms reingezappt.
    Habe erst den Herzaussetztypen gesehen, den ich erschreckend fernsehuntauglich und hochgradig uninteressant fand (das Herzfrequenzmessgerät war in etwa so glaubwürdig wie der Hot Button auf 9Live).
    Aber als dann dieses Pärchen kam, die Nummer begann und die Rothaarige anfing zu seibern („Ein Fenster öffnet sich von mir…“), da habe ich wirklich akuten Brechreiz bekommen und weggeschaltet.

    Ich glaube, ich gehöre da einfach nicht zur Zielgruppe – die immerhin sehr groß war. Was wiederum der faszinierendste Aspekt an dieser Sendung war: Wie kann es sein dass sich ein ganzes Land zweimal vom selben Typen komplett verarschen lässt? Obwohl seine „Kräfte“ nun wirklich mehr als deutlich widerlegt sind…

    Aber nun ja, ich muss es ja nicht schauen. =) Hab denn auch nur noch die Schlussminuten gesehen, die die übliche künstliche Spannungsmache einer 08/15-Castingshow bot, bevor dann erquickenderweise mit leichter Verspätung Switch Reloaded lief.

  5. Das merk ich ja erst jetzt: WAS FÜR EINE GROßARTIGE ÜBERSCHRIFT!! 🙂 Gratuliere!

  6. Die GWUP begleitet die Geller-Show mit einem Watch-Blog:
    http://ug.gwup.org

  7. Wir vom Sheng-Fui-Blog verbiegen gemeinsam im Blog einen Löffel; nur mit der Kraft der Gedanken und garantiert ohne Tricks.

    Macht alle mit, damit das Experiment gelingt: http://www.sheng-fui.de/allgemein/helft-alle-mit-heute-verbiegen-wir-gemeinsam-einen-loeffel/

    Viele Grüße, Lorenz von http://www.sheng-fui.de

  8. […] am 9. Januar nach der Premiere von The Next Uri Geller über den Kandidaten Vincent […]

  9. […] Gödde moderiert bei ProSieben sonst das Boulevardmagazin „taff” und hat schon den „Next Uri Geller”-Unsinn präsentiert. Der moderiert […]



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