Zart und fair

Frank Plasberg hakt nach. Knallhart nimmt er Politiker oder Manager  ins Kreuzverhör. Da traut sich keiner mehr, mit abgedroschenen Worthülsen zu antworten. Und wenn doch, dann knallt ihm Plasberg einen Einspielfilm um die Ohren. Das ist gut, das Konzept ist zu Recht erfolgreich und wurde folgerichtig auch vom WDR-Fernsehen in die ARD verpflanzt.

Umso merkwürdiger war das, was gestern bei Hart aber fair zu sehen war. Thema: „Wegschauen oder Eingreifen? Wie viel Zivilcourage trauen wir uns zu?“ Gäste: Klaus von Dohnanyi (war mal Erster Bürgermeister in Hamburg), Sebastian Krumbiegel (singt bei den Prinzen), Michael Degen (Schauspieler) und als Nichtprominente Kerstin Marschall (XY-Preisträgerin für Zivilcourage).

Nun lässt sich ja schon das Thema an sich nicht sonderlich kontrovers diskutieren. Der Konsens war dementsprechend schnell gefunden: Nicht wegschauen, wenn möglich eingreifen, und natürlich kann es nie genug Zivilcourage geben. Am Ende stand ein Willy-Brandt-Zitat:

Wo die Zivilcourage keine Heimat hat, reicht die Freiheit nicht weit.
 

Ein hartes, aber faires Streitgespräch? Fehlanzeige. Zeitweise fühlte man sich wie bei Beckmann oder JBK. Die Gäste erzählten ihre Geschichten, Michael Degen berichtete von der Courage der Frau, die ihn und seine Mutter bis 1945 vor der Gestapo versteckt hatte, dazu wurde noch ein Ausschnitt aus dem Film nach Degens Buch gezeigt.    

Wäre das gestern keine Fernsehsendung, sondern ein Schulaufsatz gewesen, hätte Lehrer Lempel darunter geschrieben: Sehr schön, aber Thema verfehlt.   

Beckmann oder Kerner hätten mit diesen Gästen ein Highlight gehabt, Dohnanyi ist ein immer noch äußerst wacher, weiser Mann, die Unprominente hatte etwas zu sagen, und Michael Degens Lebensgeschichte steht sowieso für sich selbst. Sogar Prinz Krumbiegel war mir einen Augenblick lang sympathisch.

Es war kein Hart aber fair, aber Plasberg hat gezeigt, dass er auch Beckmanns und Kerners Sendungen besser machen könnte als die Namensgeber selbst.

Schlagwörter: ,
Jochen, 20. März 2008, 15:03.

11 Kommentare


  1. Wäre das gestern keine Fernsehsendung, sondern ein Schulaufsatz gewesen, hätte Lehrer Lempel darunter geschrieben: Sehr schön, aber Thema verfehlt.

    Das trifft es. Hab mich auch gewundert, was denn da gestern bei Plasberg los war. Glücklicherweise bin ich dann auch irgendwann eingeschlafen.

    War anscheinend wohl einfach ein bißchen Themenflaute: Über die SPD und Ypsilanti hat man sich inzwischen todgequatscht, der Dalai Lama konnte man nicht einladen, weil der besseres zu tun hat und die Sache mit der Vorratsdatenspeicherung ist zu nerdig.

  2. Ich habe jetzt ungefähr ein Halbdutzend Mal versehentlich in „Hart aber fair“ reingeschaltet und dort noch nie harte Nachfragen oder nur einen ordnenden Moderator entdeckt. Entweder, ich habe eine sagenhafte Pechsträhne, oder der Rest der Welt bekommt immer andere Sendungen auf seine Mattscheibe als ich.

  3. Mag die Sendung eigentlich sonst sehr gerne, auch weil die Beiträge von Plasberg und der Redaktion oft sehr provozierend und plakativ sind. Das ist halt mehr Unterhaltung. Das gestern war aber wirklich sehr merkwürdig. Man hätte ja wenigstens jemanden einladen können, der irgendwas gegen Zivilcourage sagen kann, auch wenn das natürlich schon an sich schwer sein dürfte.

    Wie wärs denn mit dem Inzest-Urteil als Thema gewesen?

  4. @Christian:
    Irgendeine Art Kriminalbeamter hätte sich als Gegenseite sicher finden lassen, die geben gerne den üblichen Ratschlag, nicht unüberlegt den Helden zu spielen und sich dabei in Gefahr zu begeben, sondern lieber die Polizei zu verständigen. Was natürlich nicht direkt von der Hand zu weisen ist. (Ohne dass ich mich hier jetzt dafür oder dagegen aussprechen will.)

  5. @Lukas

    Mir gefällt die Sendung eigentlich auch und oftmals gibt Plasberg sich nicht mit ausgeleierten Phrasen der Gäste zufrieden, sondern hakt nochmal nach. Kritisches Nachfragen ist ja irgendwie nicht selbstverständlich.

    Ich reg mich immer nur auf, wenn die Redaktion Leute von Springer einlädt.

  6. @nona: ok, das wär ne Möglichkeit gewesen. Bleibt trotzdem die Frage, wie kontrovers man „Zivilcourage“ überhaupt diskutieren kann, und wie ausgelutscht das ganze ist.

  7. Ich hab nach 20 Minuten weggeschaltet.

  8. Da König Fußball vorher regierte, konnte die Sendung erst deutlich später als üblich anfangen. Deswegen wurde sie vorher aufgezeichnet, wodurch ein wichtiges Element, nämlich das Präsentieren einiger Zuschauerreaktionen, wegfiel. Zudem wurde die Sendung – welche ja bereits mit der Beförderung vom WDR in das ARD-Gesamtprogramm gekürzt worden war – auf eine Stunde beschränkt. Ich würde mich nicht wundern, wenn unter diesen miserablen Rahmenbedingungen die Redaktion keine Lust hatte, ein wirklich gutes Thema sinnlos zu verheizen. Mut hätte jedoch darin bestanden, an diesem Mittwoch einfach gar keine „Hart aber fair“-Sendung zu machen.

  9. @Lukas

    da

  10. ups :p

    @ Lukas

    dann musst du wirklich pech haben denn Plasberg ist einer der letzten die ernsthaft nachfragen und auch nicht geniert sind mitten im satz (recht hart) zu unterbrechen um darauf hinzuweisen dass das nur gelaber ist und an der frage vorbei geht. Seine Sendung kann man sich wirklich ansehen

  11. Dohnanyi war wirklich gut. Was hatte aber sein „Wort“ zur Hamburger Hafenstrasse mit „Zivilcourage“ zu tun?
    Ohne diese kleine zeithistorische Geschichte wäre die ganze Sendung allerdings noch öder gewesen. Vermutlich wurde das deshalb wiedermal aufgewärmt.



Das Buch

die Autoren

Weitere Bücher

New York für Fern-SeherDie kleine House-Apotheke

Links