Der König der Leos

Kennen Sie Eddie Leo Schruff? Nein? Dann geht es Ihnen so wie vermutlich 80 Millionen anderen Deutschen. Schruff war Sieger der ZDF Castingshow „Die Deutsche Stimme 2003“, und er lässt sich heute noch in Wikipedia finden. Der Eintrag trägt aber nicht den Namen Schruff, sondern „De Wanderer“, das ist eine eine Kölner a-capella-Gruppe, in der Schruff seit der ZDF-Show singt. Klickt man weiter unten auf den Link „Deutsche Stimme“, um etwas mehr über diese Show zu erfahren, findet man den Eintrag zum Parteiorgan der rechtsextremen NPD, das auch „Deutschen Stimme“ heißt. Soweit, so tragisch.

Warum wir das an dieser Stelle erzählen? Weil das ZDF seit heute Abend den Musical-Showstar 2008 castet, und diesmal zwei Sänger finden wird, die man außerhalb der Musicalszene noch schneller vergessen wird als Eddie Leo Schruff.

Thomas Gottschalk moderiert, pardon, ist kurz im Vorspann zu sehen, ansonsten spricht er lediglich den Off-Kommentar. Am Schluss taucht er dann doch noch mal auf, um während eines Spaziergangs im Central Park auf die nächste Sendung hinzuweisen. Nächste Woche ist er dann wieder aus New York zurück, dann muss er ja die Liveshows moderieren. Bis dahin ist der Star der Sendung ein Mann mit Glatze, der im ersten Moment unangenehm an Heinz Henn erinnert, den kölschen Dauerfeind von Dieter Bohlen aus den vergangenen DSDS-Staffeln. Diese Glatze gehört aber Jury-Mitglied Alexander Goebel, Max-Reinhardt-Seminarist und Burgtheaterschauspieler und eben auch Musicaldarsteller. Der Mann weiß, wovon er spricht; er ist freundlich, sympathisch, intelligent, und besitzt damit keine der Eigenschaften, die Jurymitglieder anderer Castingshows auszeichnen. Katja Ebstein (Schlager) und Uwe Kröger (Musical) fallen kaum auf, das hier ist die Goebel-Show.

Foto: ZDF

Der Rest der Sendung funktoniert wie alle anderen Castingshows auch: Kandidaten werden in kurzen Einspielern vorgestellt, entweder weil sie besonders gut oder besonders skurill sind, so wie Alexander (28), der mit seiner Mutti zum Casting kommt. Wie schon vorab von den Verantwortlichen angekündigt, werden keine Totalausfälle vorgeführt. Um das zu unterstreichen, reagiert Goebel auf einen Kandidaten mit Texthänger so: „Du würdest Dich erbärmlich blamieren, und das wollen wir Dir ersparen.“ Damit schießt sich die Produktion argumentativ leider selbst ins Bein, denn der Kandidat hat sich soeben blamiert. Im Fernsehen.

Foto: ZDFAbgesehen von ein paar Ausrutschern, und auch mal angesehen davon, dass Castingshows eben aus Jury, Vorsingen und kurzen Vorstellungen der Kandidaten bestehen, ist diese Sendung aber tatsächlich anders. Sie ist freundlich. Und das liegt am Genre, denn hier wird ja ein Musicalstar gesucht und kein Teenie, der über Wochen zum Superstar hochgejazzt wird. Hier gibt es keine talentfreien Jugendlichen, die auch noch unverschämt werden, wenn man sie rausschmeißt und dann von Dieter Bohlen (zu Recht) beschimpft werden. Und falls sich solche Rotznasen doch getraut haben, werden wir sie nie sehen, denn im Fernsehen wird ja erst der Recall gezeigt.

Soviel zum Vorteil des Genres Musical, jetzt zu den Nachteilen: Kann mir mal jemand erklären, warum Musical-Texte so erbärmlich sein müssen? Gibt es keine guten Übersetzer? Sind die Originale schon so dämlich geschrieben? Und dann ist da noch die Sache mit dem „Star“:

„Wir suchen einen Musical-Darsteller, der ein absoluter Star wird“, sagt Uwe Kröger, und bei der Gelegenheit musste ich eben mal nachschauen, wer Uwe Kröger ist. Musicalstars sind wahrscheinlich nur der Gemeinde der Musicalfans bekannt. Somit wird der Ruhm der Kandidaten jetzt von der Quote der Fernsehsendung abhängen, denn nur so lange die Show läuft, werden sie wenigstens ein bisschen so etwas wie ein Star sein.

Musical-Showstar 2008, die nächsten Folgen laufen Dienstag, Mittwoch und Donnerstag, jeweils um 19.25 Uhr, die Liveshows mit Thomas Gottschalk ab nächste Woche immer Mittwochs um 20.15 Uhr.

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Jochen, 31. März 2008, 22:53.

10 Kommentare


  1. Kann mir mal jemand erklären, warum Musical-Texte so erbärmlich sein müssen?

    Das hab ich mich vorhin gefragt, als im Fernsehen Werbung für „Der König der Löwen“ sah. Die Inszenierung sieht ja total toll aus, die Musik ist sicher auch okay, aber diese Te-he-hexte gehen ja gar nicht.

  2. Ich fand die Sendung öde. Ich finde es auch an sich komplett uninteressant, wer mal in irgendeinem Musical singen wird. Im Grunde ist das nur die pure Werbesause für die Firma, die die Musicals rausbringt.

  3. Nujoa, es gibt auch ein paar ganz gute Übersetzungen, wie etwa von Heinz Rudolf Kunze. Und manche Sachen hätte man besser erst gar nicht übersetzt – zum Beispiel die Abba-Texte. Die klingen deutsch furchtbar und sind der Grund, warum ich nie dieses Abba-Musical sehen werde.

    Du kanntest Uwe Kröger nicht? Der hat doch schon öfter bei „Wetten dass“ gesungen? 😛

  4. „Immer mittwoch“ klingt aber auch verwirrend. In Wirklichkeit 2x mittwochs und dann freitags – warum auch immer. 😉

  5. musicaltexteindeutschungen sind wirklich durch die bank weg schrecklich. hr kunze darf da als bekanntestes negativ-beispiel genannt werden. eine unsitte die mal gelassen werden sollte. oder gleich neu schreiben. oder den besuchern textheft inkl. übersetzung mit auf den sitz geben. mein lieblings-positiv-beispiel ist übrigens die alte 70er jahre übersetzung von hair. das haben damals nina hagen und lindenberg, wenn ich mich nicht irre, übersetzt und das hat auch hier und da ganz schön geholpert, aber hatte durchaus seinen ganz eigenen, dem musical angepassten, charme.

    „lass es, leben, gott hats dir gegeben – dein haar!“

  6. Also ich fand z.B. die Übersetzung von „Les Miserables“ von Heinz Rudolf Kunze gar nicht schlecht!

    Aber generell bevorzuge ich auch die englischen Original-Versionen. Da muß keiner den Text verbiegen, damit er zum Takt paßt, und es gehen auch keine Wortspiele verloren.

  7. Bin ein absoluter Musical-Ignorant. Aber hier in Österreich kommt man an Uwe Kröger ebensowenig vorbei wie an Alexander Goebel.

  8. Hmm, ein verriss???? Nun ja, ich finde das Format zeigt zumindest eines: es braucht keinen Dieter Bohlen mit seinen inszenoerten und kalkulierten Entgleisungen, um eine Casting-Show zu machen und es macht viel mehr Spaß Talent zu sehen als irgendwelche gewollten Casting-Pannen oder als von der Redaktion protegierten Schrott wie bei DSDS.

    Fazit: Ich seh es gerne!

  9. Bin schon erstaunt, nach einiger Recherchen im Internet soviel Negatives zu dieser Casting Show gefunden zu haben. Nach drei Sendungen kann ich nur sagen, mir hat´s gefallen und dass obwohl ich vorher ein absoluter Musical-Muffel war. Besonders gut fand ich die fachgerechten Äußerungen der Jury.
    Mir würden Musicals in Originalsprache mit Übersetzungsheft aber besser gefallen, zumal wir immer mehr globalisierter Leben und Denken, kann das nur unser Verständnis für andere Sprachen unterstüzten.

  10. Ich habe nicht vor mich den negativen Meinungen anzuschließen: Ich fand diese Art von Casting eine Super-Idee und ich freue mich besonders für Kevin Köhler, dass er gewonnen hat. Ich bin auch nicht der Meinunge, dass man Musicals unübersetzt lassen sollte. Aber jedem das seine! So!! Da habt ihrs!



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