Der US-Comedy-Wahlkampf (2)

Es wäre gut für die Show, wenn nur ein Kandidat teilnähme. Das mag dann kein so gutes Zeichen für unser Land sein, aber wenn es darum geht, eine Satire zu produzieren, wäre es ein Geschenk.

Es ist Freitagmittag, und noch immer steht nicht fest, ob die erste Debatte der amerikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain und Barack Obama heute Abend überhaupt stattfindet. Sie ist für heute Abend geplant, und Obama bleibt bei seiner Zusage, während John McCain erst einmal die Finanzkrise lösen will, das sei jetzt wichtiger. Obama kontert, wer Präsident sein wolle, müsse sich notfalls mit mehreren Dingen gleichzeitig beschäftigen können.

Das obige Zitat aus einem aktuellen Variety-Artikel stammt von NBC-Latenight-Chef Rick Ludwin, als solcher u.a. verantwortlich für den Sketch-Show-Klassiker Saturday Night Live, eine Sendung, die morgen Abend recht kurzfristig auf den Verlauf des TV-Duells reagieren muss. Würde Barack Obama tatsächlich als einziger Kandidat erscheinen, schriebe sich die Show quasi von selbst.

Doch auch ohne eine solche Sensation ist der Wahlkampf gut für die Comedyshows. Seit er begonnen hat, also vor gefühlten drei Jahren, müssen sich die Autoren nicht nur um mangelnde Themen, sondern auch um mangelndes Zuschauerinteresse keine Sorgen machen. Politikverdrossenheit hin oder her, wenn sich jemand über den Wahlkampf lustig macht, sind die Zuschauer dabei. Variety berichtet, die Zuschauerzahlen von Saturday Night Live seien im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent höher, und führt das u.a. auf die gelungenen Parodien der republikanischen Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin zurück, gespielt von der mehrfachen Emmy-Gewinnerin Tina Fey. Hier zu sehen an der Seite von Hillary Clinton (Amy Poehler). (Noch eine Zusatzinformation: Sketche in Saturday Night Live sind meistens lustig und fast immer deutlich zu lang.)

Und die Daily Show with Jon Stewart (in Deutschland dienstags bei Comedy Central), die ihren Durchbruch während der verkorksten Präsidentschaftswahl vor acht Jahren hatte, fuhr laut Variety vergangene Woche die bisher höchsten Einschaltzahlen ihrer Geschichte ein.
Der Wahlkampf ist Comedy-Gold, und wenn ein Kandidat ankündigt, seinen Wahlkampf aus aktuellem Anlass auszusetzen, dann trotzdem.

Die Kandidaten selbst machen sich unterdessen zumindest in den Comedyshows etwas rarer. Im Vorwahlkampf noch hatten sie an allen erdenklichen Gags teilgenommen (wir berichteten), jetzt begeben sie sich eher in ihre Rolle als seriöse Kandidaten und streuen nur noch beiläufig kleine Witzchen ein. John McCain trat zuletzt vor einem Monat in der Tonight Show with Jay Leno auf, als Sarah Palin noch nicht als seine Vize-Kandidatin feststand und er andeutete, Leno könnte es werden.

Barack Obamas letzter großer Entertainment-Auftritt war vor zwei Wochen in der Late Show with David Letterman . Er sprach eine halbe Stunde lang sehr ernsthaft über Terror, Sarah Palin, Bill Clinton und die wirtschaftliche Lage, musste aber auch Lettermans Frage beantworten, ob er nicht Angst habe, dass seine 87-jährige Oma jemanden wähle, der eher in ihrem Alter ist. Obama: „Ich habe sie zu ihren Bridge-Partnern geschickt. Sie soll versuchen, ein paar Stimmen aus dieser Zielgruppe für mich zu gewinnen!“

Update 18.30 Uhr:
John McCain hat mittlerweile seine Teilnahme am TV-Duell zugesagt. Abgesagt hat er dagegen sehr kurzfristig seinen geplanten Auftritt bei David Letterman am Mittwochabend (Danke an Armin für den Hinweis in den Kommentaren und den Link), ebenfalls wegen der Finanzkrise. Er könne nicht an der Show in New York teilnehmen, er müsse dringend nach Washington. Blöd für ihn, dass Letterman, der dringend einen Ersatzgast brauchte, stattdessen eben einen prominenten Obama-Unterstützer einlud. Blöd auch, dass McCain zu der Zeit, zu der er eigentlich in Lettermans Studio verabredet war, sich in Wirklichkeit in einem anderen Fernsehstudio in New York aufhielt und für ein Interview bereit machte. Nach Washington flog er erst am nächsten Morgen. Und erst recht blöd, dass dieses Interview beim gleichen Sender stattfand, bei dem auch Letterman arbeitet, und Letterman die hauseigenen Kameras zeigen ließ, wie McCain gerade für dieses andere Interview geschminkt wurde.

Hier sind die Höhepunkte aus Lettermans wütenden, sendungsfüllenden Reaktionen:

Michael, 26. September 2008, 13:18.

13 Kommentare


  1. hehe verständlich dass sie so langsam versuchen seriös zu wirken :p

  2. Die Nummer kann aber auch nach hinten losgehen:
    http://www.dvorak.org/blog/?p=25661

  3. […] Über 1,7 Millionen Mal ist in den vergangenen rund 24 Stunden allein dieser Zusammenschnitt der „Late Show” bei YouTube angesehen worden, in der David Letterman John McCain vernichtet, nachdem er kurzfristig den Auftritt in seiner Sendung abgesagt hatte. (Ausführlicher hat Michael nebenan im „Fernsehlexikon” über den Wahlkampf als Comedyfutter geschreiben.) […]

  4. „…they have five more weeks of an election battle starring three men and an Alaskan moose-skinner that has given the satirists more fodder than an infinite number of Dick Cheneys shooting an infinite number of friends in the face.“

    http://www.ew.com/ew/article/0,,20228603,00.html

  5. „…the running mate of Sarah Palin…“

    Kurz und Wurz. Herrlich.

  6. Dieser Letterman ist einfach unverantwortlich. Als Komiker müsste er doch eigentlich wissen, dass in solch einer schwierigen Situation, die die USA derzeit durchläuft, ein Interview in einer seriösen Nachrichtensendung wie den „CBS Evening News with Katie Couric“ wichtiger ist als ein Auftritt in einer Late-Night-Show. Und wen hat sich dieser Letterman anstelle eingeladen: den Bush-Hasser Keith Olbermann. Der Letterman ist halt ein nachtragender peinlicher Moderator einer Late-Night-Show. Kein Wunder das der Letterman auch dieses Jahr keinen Emmy bekommen hat, wenn seine Qualität sich beschränkt auf McCain herumzuhacken. Solch ein Letterman bekommt 32,000,000 Dollar im Jahr von CBS.

  7. Richtig. Ein Interview in einer Nachrichtensendung nützt einem Land natürlich wesentlich mehr als in einer Entertainmentsendung.
    Und richtig, die Emmys werden ja immer vorausschauend für kommende Sendungen vergeben. Bestimmt werden ihm seine bisherigen zehn Emmys auch noch nachträglich aberkannt.

  8. @Marc: tja, ganz sauber war seine Begründung ja offensichtlich nicht – ich würde ja mal sagen, unnötige und dumme (da leicht als solche zu entlarvende) Lüge. Und genau deshalb trampelt Letterman m.E. auch völlig zu Recht drauf rum.

    Übrigens ebenso doof von McCain natürlich, nicht von selber einen Ersatz-Gast zu stellen (eben z.B. Palin, aber die wäre von Letterman wohl erst recht zerlegt worden….) und damit den „Zwang“ auszulösen, einen Gegner in die Show zu holen.

  9. Hätte McCain die Palin hingeschickt, würden die liberalen Medienanstalten CBS, NBC und ABC dem Team McCain/Palin vorwerfen, dass das Team die Wirtschaftssituation nicht ernst genug zu nehmen um auch noch Zeit haben in eine Comedy-Sendung zu gehen. Die liberalen Medien finden in den USA sowieso immer was gegen McCain/Palin weil sie den Hass, der sich über die Jahre gegenüber Bush/Cheney aufgebaut haben, auf McCain/Palin projezieren und jetzt Rache an den Republikanern üben wollen mit pro-Obama-Berichterstattung und Missachtung von McCain/Palin. Es ist also richtig von McCain gewesen nicht selber hinzugehen oder Palin hinzuschicken.

  10. Ein deutscher Republikaner-Sympathisant – ich glaub ich mach mir nen Screenshot 😉
    McCain hat nach einhelliger Meinung in Sachen Finanzkrise nicht gerade geglänzt, da ist es mehr als peinlich sich als unverzichtbarer Retter der Nation hinzustellen.

  11. Pot(t)pourri (73)…

    Potpourri, frz.: Allerlei, kunterbunte Mischung
    Pot(t)pourri, dt.: Kurze vermischte Beiträge im Pottblog
    ***
    Kaum liest man einmal am (letzten) Sonntag nicht die Welt am Sonntag schon verpasst man einen interessen Artikel. Diesem Artikel zufolge…

  12. Letterman ist eine Konstante im US System.Seit „many moons ago“.Die newcomers versuchen erst hier mitzumachen.Nach dem Motto : „Life is a comedy around the clock“.

  13. Fonic Surf-Stick und Fonic Tagesflatrate: Ausführlicher Test- und Erfahrungsbericht…

    Vor einiger Zeit wurde ich via twitter.com durch paulinepauline auf ein neues Angebot der O2-Tochter Fonic (das sind die, die mit Bruce Darnell und seinem Spruch “Das ist der die Wahrheit” Werbung machen) aufmerksam:
    Fonic bietet seit kur…



Das Buch

die Autoren

Weitere Bücher

New York für Fern-SeherDie kleine House-Apotheke

Links