Sehr, sehr viele Köche

Herrje, heute kommt ja schon wieder Deutschland ist schön, die neue Sat.1-Sketchcomedy mit mehr als 20 prominenten Komikern. Nun denn, das gibt mir wenigstens die Gelegenheit, mal für eine halbe Stunde das Haus zu verlassen und das im Titel als so schön beschriebene Land zu genießen.

Michael, 9. Februar 2007, 20:10.

7 Kommentare


  1. Kein schöner Land
    „Deutschland ist schön“ heißt also diese neue Ensemblecomedy, die den SAT.1 Fun-Freitag bereichert. Der Fun Freitag heißt übrigens so, weil keiner der Zuschauer ohne diesen Namen darauf kommen würde, das es sich bei den dort abgesendeten Trauerspielen um Comedy, also etwas Lustiges handeln soll. Herbert Feuerstein ist einer der lustigsten Menschen der Republik, aber leider ein schlechter Schauspieler. Feuerstein muss schreiben, er muss moderieren. Aber bitte nicht die Fließbandwitze unterbezahlter Comedy-Autoren vortragen. Jürgen von der Lippe tat mir gestern sogar ein bißchen leid, als er wie Günter Wewel vor tollen deutschen Kulissen (womöglich Rothenburg o.d. Tauber) Sketche anmoderierte. Wewel moderiert übrigens die in loser Folge in der ARD ausgestrahlte Musik- und Heimatsendung „Kein schöner Land“.
    „Deutschland ist schön“ ist die etwas deutlichere Form des Liedtitels „Kein schöner Land“. Als ich noch ein Kind war, habe ich die lyrische Verknappung des Komparativs „schöneres“ zu „schöner'“ nicht erkannt. Für mich bedeutete der Titel, dass mir hier jemand in falscher Grammatik sagen möchte, Deutschland sei kein schöneS Land. So wie man sich im Badischen „Einen schöner Daag“ wünscht, war Deutschland eben „Kein schöner Land“. Und so sollte korrekterweise auch der Müll heißen, den Sat.1 uns da zumutet: Deutschland ist nur schön, wenn man sich, Michaels Beispiel folgend, während dieser Sendung in den fernsehleeren Raum, also nach draußen begibt.
    Zur selben Zeit in SAT.1 ist Deutschland tatsächlich kein schönes(oder für Badener: schöner) Land.

  2. Holger Schmidt,

    Mann, ich kann euch sagen, ein unterbezahlter Autor und Regisseur von Fließbandwitzen zu sein ist zuweilen ziemlich anstrengend – spätestens dann, wenn man auf Sites, wie diesen feststellen muss, dass 9 Monate Herzblut und der Wunsch endlich mal wieder was anderes zu machen, wieder mal umsonst waren.
    So, du gehst lieber aus dem Haus als Dir unsere Show an zu schauen? Wenn Du die Show langweilig findest – okay, damit muss ich leben, aber ihr vorzuwerfen, aber dass wir den gleichen Einheitsbrei gemacht haben, wie alle anderen Sketchshows – dass es keine Qualität, sondern nur Quantität hat, schmerzt.
    Ja, Little Britain war eine Inspiration, mehr nicht. Keine zwei aneinander hängenden Worte sind übernommen.
    Wir haben eine Menge Comedians an den Start gebracht,ein schlechtes Zeichen offenbar, aber es ist keine Panelshow.
    Wir haben keine 30 Sekunden Sketche, die in dem unvermeidbaren Kameraaufzieher Enden, (abgesehen von den Trennern zwischen den Sketchen), wie es 90% der aktuellen Sketchshows machen müssen, da die Aufmerksamkeitsspanne des Zuschauers (und Kritikers) nicht länger als eine Granufink Werbung zu sein scheint. Wir haben Szenen, wie ich sie in den letzten 12 Jahren selten inszenieren und schreiben durfte, mit engagierten Schauspielern, einem fantastischen Team, einem Sender, der uns jede Rückendeckung gab, obwohl alle wußten, dass wir etwas anderes machen. Und dann kommt der Zuschauer, für den wir das alles machten und der nimmt nicht mal ein bisschen wahr, dass es etwas anderes ist. Die Hürde der negativen Erwartungshaltung ist inzwischen so hoch, dass ich beim besten Willen nicht mehr weiss, wie man sie überwinden soll. Gerade las ich Herrn Kalkhofe (den ich als Kritiker sehr schätze), wie er sich beschwert, dass sich die Fernsehmacher keine Mühe mehr geben und S. Niggemeier aktuell auf seiner Seite, der sich Herrn Thoma aus ähnlichem Grund zurückwünscht. Recht haben sie beide. Dennoch muss ich sagen: bei „Deutscland ist Schön“ haben wir uns Mühe gegeben, Herzblut gepumpt und gekämpft. Jetzt müsst ihr es ihr nur noch bemerken und euren amüsanten aber simplen Zynismus mal für ein paar Momente im Zaum halten. Das nächste Mal vielleicht, ich probier`s weiter, ich kann nur Comedy.
    Beste Wünsche
    H. Schmidt
    (Regisseur und Co-Autor DIS)

  3. […] Gegenstimme: Der Regisseur verteidigt die Sendung. […]

  4. Wenn ich lese, dass „Deutschland ist schön“ mit „Herzblut“ konzipiert wurde, wird mir angst und bang. Wenn das das Beste ist, was engagierte Comedy-Autoren in Deutschland zustande bringen, ist es wirklich traurig. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob es an den drögen Witzen oder eher an den minder begabten Schauspielern der C-Riege liegt, dass „Deutschland ist schön“ nicht funktioniert, ganz anders wie das furiose Vorbild „Little Britain“ (und die Catherine Tate-Show, die ich als BBC-Begeisterter in Fragmenten ebenfalls in „Deutschland ist schön“ wiederentdecke…).
    Lieber Herr Schmidt, wenn Sie schreiben, „Little Britain“ sei nur eine Inspiration gewesen und das damit begründen, dass „keine zwei Sätze abgekupfert“ wurden, dann muss ich Ihnen erwidern: Dann hätten Sie lieber mal den Text abgeschrieben, anstatt sich darauf zu verlassen, ein originelles und scharfsichtiges britisches Comedy-Format in einen dümmlichen deutschen Aufguss zu verwandeln, der den Namen „Comedy“ nicht verdient! Die platten Witze erinnern an verstaubten 50er-Jahre-Humor, die Charaktere sind unglaubwürdig, die bemühte Skurrilität wirkt unecht und einfach nur daneben – das kommt davon, wenn man nicht auf die Entwicklung eigener, genuin innovativer Formate setzt, sondern nur zu unseren britischen Nachbarn rüberschielt, wo wirkliche Profis geniale Arbeit leisten.

  5. Ach, und die Charaktere von „Little Britain“ sind total glaubwürdig? Ich war ja noch nicht oft im vereinigten Königreich, aber rassistischen älteren Damen, die, wo sie stehen und gehen literweise Pisse unter sich lassen, habe ich dort nicht gesehen. Ein glaubwürdiger Charakter ist das nicht. Komisch finden muss man den auch nicht unbedingt. Pure Geschmackssache. Wäre aber mal ein lustiges Unterfangen, was passieren würde, wenn man diese Sketche adaptierte und am Freitagabend zur besten Sendezeit auf Sat1 ausstrahlte… Wenn dann der Geschmacklosigkeitsaufschrei durch die Lande schallte, würdet Ihr doch immer noch bloggen, das läge nur daran, dass die britische Pisse viel gelber sei.
    Aber darum geht’s eigentlich gar nicht: Jede Sketch-Comedy besteht i.d.R. aus gelungenen, mittelmäßigen und misslungenen Skechen. Das ist einfach so. Selbst die Phythons haben mäßig komische Sketche gemacht. Daneben ist es oft Geschmackssache, welche Sketche einem gefallen und welche nicht. Mein Highlight bei „Deutschland ist schön“ ist der Steuerbeamte: schön schräg inszeniert und geschnitten. Wieso können Profigucker wie Ihr nicht einfach mal wenigstens anerkennen, dass
    man das in deutscher Sketch-Comedy nicht alltäglich sieht? Dass bei „Deutschland ist schön“ versucht wurde, einiges Anders zu machen? Sicher ist noch nicht alles gelungen. Aber ein Anfang ist gemacht, den Einheitsbrei hinter sich zu lassen.

  6. Zum Thema Glaubwürdigkeit: Meiner Meinung nach basiert der Erfolg von Comedies wie „Little Britain“ tatsächlich auf einem genuin britischen Charakterzug, nämlich der Neigung zum Individualismus bis hin zur Exzentrizität. Und auch Derbheiten und Nudismus werden gern bemüht, bis über die Geschmacksgrenzen hinaus. Ich gebe dir recht, dass das nicht immer komisch ist, aber doch in den meisten Fällen – weil es doch authentisch ist, wenn auch natürlich kein plumpes 1:1 Abbild der Realität. Welche Comedy wäre schon absolut realistisch? Außerdem sind manche Charaktere aus Little Britain tatsächlich gut beobachtet bzw. witzige Zitate, so z.B. die prollige Vicky Pollard oder der Barbara Cartland-Verschnitt. Die exzentrische Schriftstellerin ist ein gutes Beispiel dafür, wie in „Deutschland ist schön“ ein Klischee bemüht wurde, das es so in Deutschland gar nicht gibt. Barbara Schöne, die die Schriftstellerin verkörpert, ist von daher völlig unglaubwürdig. In England funktioniert es, da der „Spleen“ schließlich aus diesem Land kommt. Engländer zelebrieren ihren Individualismus und sind stolz darauf. Wir hingegen sind nach wie vor immer noch eher ein Volk von Untertanen. Ich gebe zu, dass diesem Aspekt in „Deutschland ist schön“ Rechnung zu tragen versucht wurde, indem man Vereinsmeierei o.ä. zum Thema gemacht hat. Aber diese Witze haben auch so ’nen Bart und sind meiner Meinung nach nicht sonderlich originell gemacht. Ein weiterer Punkt ist natürlich die mäßige Qualität der Schauspieler. Übrigens ist noch ein Unterschied zwischen britischer und deutscher Comedy, dass die Engländer selbst ihre übelsten Charaktere mit einer Art „Liebenswürdigkeit“ ausstatten, was jetzt vielleicht komisch klingt. Es ist so, als würden sie sagen: Guckt mal her, was wir für ein toll verschrobenes Volk sind! Das fehlt meiner Meinung nach in Deutschland. Ich find’s halt schade, dass mittlerweile prinzipiell alles abgekupfert wird. Es wird keine Zeit und Liebe mehr auf die Entwicklung eigener Formate verwendet, alles muss superschnell gehen und sofort Quote bringen. Highlights des deutschen Humors sind und bleiben für mich immer noch Loriot (der dem britischen Humor in seiner Präzision am nähesten kommt) und Hape Kerkeling in seiner besten Zeit – „Total normal“ war ein geniales Format. Seine neueren Sachen finde ich unterschiedlich lustig, auf jeden Fall ist das Horst Schlämmer-Video zu „Geboren in Grevenbroich“ meiner Meinung nach sehr gelungen und richtet einen sehr warmherzigen Blick auf das deutsche Kleinbürgerdasein, so wie ich es mir von einer Sendung wie „Deutschland ist schön“ erhofft hätte. Aber ich gebe Volker recht: Geschmäcker sind verschieden und letzten Endes lässt sich nicht bis ins Detail ergründen, warum man eine Sache witzig findet, eine andere hingegen nicht.

  7. @ Volker: Ich muss kurz was klarstellen, damit bloß keine Missverständnisse aufkommen: Auch „Little Britain“ finde ich NICHT LUSTIG, rpt.: NICHT LUSTIG.



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