ran

Seit 1992 (Sat.1). „Sat.1 Fußball“. Fußball-Show am frühen Samstagabend mit Berichten über den Bundesliga-Spieltag. Sat.1 revolutionierte die Fußball-Berichterstattung. Während die ARD in der Sportschau stets drei oder vier ausgewählte Spiele gezeigt und von den anderen nur die Ergebnisse verlesen hatte, warb Sat.1 mit dem Slogan „Alle Spiele – alle Tore“. Weil in der Tat von allen Spielen des Tages Filmberichte gezeigt wurden, dauerte ran im Vergleich zur Sportschau nicht 60 sondern 90 Minuten und wurde später sogar auf zwei Stunden verlängert. Sat.1 fing die Spiele mit deutlich mehr Kameras ein als die ARD und bot dadurch mehr Perspektiven, mehr Zeitlupen, mehr Analysen, aber auch mehr Schnickschnack, der die Sendung zusätzlich aufblies: Gewinnspiele, Statistiken, Interviews, Werbung und Show vor Studiopublikum. Moderatoren waren u.a. Reinhold Beckmann (der in der ersten Sendung Studiogast Udo Lattek mit der hartnäckigen Frage nervte, warum er wie eine Litfasssäule rumrenne), Jörg Wontorra, Johannes B. Kerner, Jörg Pilawa, Gaby Papenburg, Lou Richter, Monica Lierhaus, Steffen Simon und Oliver Welke.

Sat.1 hatte 1992 der ARD die Rechte für die Bundesliga weggeschnappt, dabei aber den Fehler von RTL wiederholt. Während die RTL-Sendung Anpfiff nur über einen Teil der Erstverwertungsrechte verfügte, blieb der ARD jetzt nur das Recht zu regionaler Berichterstattung als Zweitverwertung. Zu Beginn verursachte das große Aufregung, weil durch das neue Monopol von Sat.1 viele Leute mit terrestrischem Fernsehempfang von der Bundesliga ausgeschlossen wurden. Sat.1 startete daraufhin eine Wohltätigkeits-Aktion und verschenkte 1000 Satellitenreceiver an Altenheime, Krankenhäuser und sozial Schwache. Neben dem bekannten Sportschau-Gesicht von Jörg Wontorra warb Sat.1 auch den prominenten Reporter Werner Hansch von der ARD ab.

ran gab es immer, wenn Fußball-Bundesliga-Spiele stattfanden. Neben der Samstagsausgabe lief ran freitags um 22.00 Uhr und in den sog. „englischen Wochen“ auch dienstags und mittwochs um 22.00 Uhr. Später wurden in Sendungen namens ran neben Fußball auch andere Sportarten gezeigt, mit entsprechend anderem Untertitel. Live-Übertragungen hießen live ran, der Sportblock in den täglichen Sat.1-Nachrichten täglich ran usw. Die Sonntagsspiele der Bundesliga gab es sonntags in ranissimo zu sehen. Zum Start der Saison 1999/2000 wurde der Beginn der Samstagsausgabe von 18.00 Uhr auf 18.30 Uhr verlegt und die Sonntagsshow um 18.45 Uhr ebenfalls in ran umgetauft. Den größten Flop leistete sich die Kirch-Gruppe (u.a. Sat.1 und Premiere World) zwei Jahre später. Gleichzeitig mit einer Abschaffung der Freitagsspiele (und der dazugehörigen Abschaffung von ran am Freitag) beendete Sat.1 die 40-jährige Vorabend-Fußball-Tradition und verlegte seine zweistündige Show Ende August 2001 auf 20.15 Uhr, jetzt mit Jörg Wontorra als alleinigem Moderator, um den Decoder-Verkauf für das Pay-TV von Premiere World endlich anzukurbeln. Dort waren nachmittags alle Bundesliga-Spiele live zu sehen. Die Entscheidung entpuppte sich als Desaster. Die Zuschauer boykottierten ran. Die Einschaltquote sank von 5 auf 1,63 Millionen Zuschauer, der Marktanteil von 30 auf 8 Prozent. Nach nur vier Wochen gab Sat.1 auf und verlegte die Fußballshow zurück in den Vorabend, jetzt auf 19.00 Uhr, und kürzte sie auf 75 Minuten. Im folgenden Jahr wurde der 18.00 Uhr-Beginn wiederhergestellt. Ein weiteres Jahr später verzichtete Sat.1 auf die Bundesliga-Rechte, die im Laufe der Jahre horrend teuer geworden waren; fortan liefen die Berichte wieder in der ARD-Sportschau. Schon im ersten Jahr hatten die Rechte 150 Millionen Mark gekostet, was schon damals nicht refinanzierbar war. ran war für Sat.1 immer ein Verlustgeschäft und diente hauptsächlich als Imageträger und Plattform, um in den Unterbrechungen für andere Sat.1-Sendungen zu werben. Im Mai 2003 lief ran zum letzten Mal mit der Fußball-Bundesliga. Im Herbst des gleichen Jahres begann Sat.1 mit der Live-Übertragung der Fußball-Champions-League am Dienstag- oder Mittwochabend, wodurch der Name ran für Fußball, aber auch für andere Sportarten weiterhin bestehen blieb. Zwischendurch verschwand er für eine Weile, 2009 kehrt er für die Übertragungen der Champions League und der neuen UEFA Europa League zurück.

ran war die Talentschmiede für öffentlich-rechtliche Showmoderatoren. Beckmann und Kerner machten später in ARD und ZDF jeweils große Abendshows und menschelnde Talkshows, Pilawa vor allem Quiz- und Eventsendungen. Kerner hatte seine Live-Tauglichkeit in einer Ausgabe vom Februar 1996 bewiesen, in der er trotz einer Bombendrohung ruhig und gefasst weitermoderierte. Als die ARD ab 2003 wieder Fußball in der Sportschau zeigte, waren die Moderatoren u.a. Reinhold Beckmann und Monica Lierhaus.

2001 wurde Oliver Welke als beste Sportsendung ausgezeichnet. Nein, den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Beste Sportsendung“ erhielt tatsächlich nicht die Sendung ran, sondern explizit der Moderator Oliver Welke.

3 Kommentare


  1. „Sat.1 hatte 1992 der ARD die Rechte für die Bundesliga weggeschnappt, dabei aber den Fehler von RTL wiederholt.“

    Da fehlt doch was.

  2. Der Absturz/Boykott nach der Verschiebung der Startzeit trat eigentlich auch deshalb ein, weil es von den Zuschauern als eine Art letzten Tropfen in ein randvolles Fass empfunden wurde. Man war mit „ran“ und der Art, wie dort Fussball präsentiert und als zappelige bunte Show anstatt als Sport zelebriert wurde, nie so wirklich warm geworden. Das wurde vielfach als eine Art Amerikanisierung und Kommerzialisierung und damit praktisch schon als Verrat am Fussball empfunden, und da verstehen ernsthafte Fussballfans gemeinhin keinen Spass. Sat.1 hat lange gebraucht bis sie das verstanden hatten und sich in Stil und Anspruch mehr an ARD-Sportschau und ZDF-Sportstudio orientierten.

  3. […] wollte eigentlich nur noch schnell die Tageszusammenfassung der vortäglichen Bundesligaspiele bei Anpfiff gucken, bevor ich mich mit den Jungs an der Tanke treffen wollte, um das vergangene Wochenende […]



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