Johannes B. Kerner

1998–2009 (ZDF). Late-Night-Talkshow mit Johannes B. Kerner, der mit prominenten Gästen über ihr Privatleben spricht und mit unprominenten über ihre Schicksalsschläge.

Den von Sat.1 eingekauften Moderator bewarb das ZDF als „JBK“ in Anlehnung an JFK (John F. Kennedy), was sowohl für seine Bedeutung als Hoffnungsträger für den Sender als auch dessen Selbsteinschätzung ganz bezeichnend war. Die Sendung startete unter dem Titel Die Johannes B. Kerner Show. Zunächst empfing Kerner wöchentlich donnerstags um 22.15 Uhr Gäste zu einem Oberbegriff. Die erste Sendung bereits war typisch für das Profil der nächsten Jahre: Zum Thema „Ganz oben“ waren der Astronaut Ullrich Walter, die Schauspielerin Julia Stemberger, der Musikproduzent Dieter Bohlen und Moderator Thomas Ohrner zu Gast. Zwischen Stemberger, die gerade im König von St. Pauli zu sehen war, und Walter schaffte Kerner eine Verbindung durch den Satz: „Ich würde gern mal einen Strip in der Schwerelosigkeit sehen.“

Mit Start der Polit-Talkshow Berlin Mitte im Oktober 1999 wurde die Kerner-Show auf 23.00 Uhr verlegt und um eine Viertelstunde verlängert. Die Sendung profilierte sich mit Boulevardthemen in einer Art, wie sie bis dahin für das öffentlich-rechtliche Fernsehen undenkbar war. Im Oktober 2001 war Verona Feldbusch zu Gast in einer Sonderausgabe ohne andere Gäste, die auf ihren besonderen Wunsch zustande kam. Darin berichtete sie ausführlich über die Abgründe ihrer Kürzest-Ehe mit Dieter Bohlen und darüber, dass er sie damals, vor fünf Jahren, geschlagen habe, was sie zu einem heftigen Tränenausbruch veranlasste, den Kerner zurückgelehnt hinter seinem Schreibtisch verfolgte. Auf ausdrücklichen Wunsch Feldbuschs, die gerade eine neue Show auf Sat.1 startete, wurden diese Szenen, obwohl es sich um eine Aufzeichnung handelte, nicht herausgeschnitten. Fotos davon erschienen vorab in der „Bild“-Zeitung, deren Unterhaltungschef der Bruder des Redaktionsleiters der Johannes B. Kerner Show war. (Feldbuschs Ex-Ehemann Bohlen ist übrigens der Komponist der Titelmusik der Sendung.) ZDF-Unterhaltungschef Manfred Teubner sagte hinterher über die PR- und Heul-Show Feldbuschs: „Das ist eine Lautstärke, die man beim ZDF nicht kannte. Aber es ist eine, die man vielleicht auch mal anschlagen sollte. Das ist doch das, was die Leute sehen wollen.“

Wenig später gab das ZDF bekannt, Kerners Sendung nun fast täglich auszustrahlen. Ab Januar 2002 kam sie viermal wöchentlich, dienstags bis freitags immer gegen 23.00 Uhr. Verona kam jetzt öfter und brachte immer ein paar zusätzliche Fernsehzuschauer mit. Inzwischen gab es keinen Oberbegriff mehr, der versuchte, eine Verbindung zwischen den Gästen herzustellen. Kerner schaffte es an den meisten Tagen, akzeptable Zuschauerzahlen zu erreichen, obwohl das Ziel einer Verjüngung des ZDF-Publikums nicht gelang. Seine Art, sich von jeder Frage gleich wieder zu distanzieren und sich auch nach den schmutzigsten Intimgeschichten zu erkundigen, ohne dabei selbst schmutzig zu werden, prägte die Sendung. Sein Bemühen, nie eine eigene Meinung kundzutun und immer korrekt zu sein, führte häufig zu absurd komplizierten Formulierungen wie dieser Verabschiedung von der schwangeren Schriftstellerin Alexa Hennig von Lange: „Ich bedanke mich sehr herzlich für das offene Gespräch und freue mich, wenn wir uns alsbald wiedersehen. Wichtig ist allerdings, dass Sie unsere Wünsche entgegennehmen, nämlich dass wir Ihnen alles Gute wünschen für die bevorstehende Geburt Ihres zweiten Kindes.“

Am 26. April 2002 stand Kerner plötzlich in Erfurt nicht weit von dem Ort, wo gerade ein Schüler ein Blutbad angerichtet hatte, und fragte einen kleinen Jungen, der Zeuge war, wörtlich dies: „Nun bist du elf Jahre alt, und wir wollen von einem Elfjährigen nicht verlangen, dass man sich sozusagen große Gedanken in einem großen Zusammenhang macht, aber wenn du sagst, du hast dir Gedanken gemacht, welche waren das?“ Kerner reduzierte in Gesprächen mit Psychologen, Politikern und Augenzeugen die ZDF-Berichterstattung über den Amoklauf auf das Niveau einer „Bild“-Zeitungs-Schlagzeile, was in den Augen vieler Beobachter ein größerer Skandal war als die Verona-Feldbuschisierung des ZDF durch die Sendung. Ende des gleichen Jahres prahlte er gegenüber der „Hörzu“: „Wissen Sie, wie viel Geld ich verdiene? Es ist unglaublich, wie viel Geld ich mit diesem Image machen kann. Besser geht’s nicht. Ich habe alles richtig gemacht!“

Mitte Januar 2003 strich das ZDF die Show, aber nur aus dem Titel, und die Sendung hieß nun nur noch Johannes B. Kerner, so wie Kerners alte Sat.1-Show.

Im November 2003 war eine ganze Woche lang Boris Becker Gast bei Kerner, der gerade seine Autobiografie verkaufen wollte. Jeden Tag. Im Februar 2005 lud Kerner den Schiedsrichter Robert Hoyzer ein, der Hauptbeschuldigte in einem gerade publik gewordenen gewaltigen Schiebungs-Skandal im deutschen Fußball. Dass der geständige Betrüger auf diese Weise ein Forum bekam (während die Schlagersängerin Michelle und die Schauspielerinnen Marion Kracht und Barbara Schöne stumm daneben saßen), sorgte für heftige Kritik und war einer der Gründe dafür, warum Hoyzer wenig später verhaftet wurde. Kerner betonte, dass entgegen anderslautender Gerüchte Hoyzer nur das Standard-Honorar erhalten habe, das alle Gäste bekommen hätten: 500 Euro. Später wurde bekannt, dass Hoyzer darüber hinaus der Produktionsfirma a+i u.a. auch die Kosten für seinen Anwalt und einen Bodyguard in Rechnung gestellt hatte, so dass er insgesamt exakt 7451,21 Euro für seinen Auftritt erhielt. a+i ist eine hundertprozentige Tochter des „Spiegel“, mit dem Kerner auf diese Weise auch verbunden ist.

Die Sendung vom 9. Oktober 2007 löste ein gewaltiges Medienecho aus. Zu Gast war die frühere Tagesschau-Moderatorin Eva Herman, die zuvor mit missverständlichen Äußerungen über das Dritte Reich für Aufsehen gesorgt hatte. Kerner forderte sie immer wieder dazu auf, sich von ihren als Lob für die Familienpolitik der Nationalsozialisten verstandenen Formulierungen zu distanzieren, Herman aber lehnte jede Entschuldigung ab, weil sie sich gar nicht in einem solchen Sinne geäußert habe. Sie verteidigte sich auch dafür, von einer „Gleichschaltung“ der Medien ihr gegenüber gesprochen zu haben und bestritt, dass dieser Begriff durch das Dritte Reich besetzt ist. Über die Autobahnen würden wir heute ja auch fahren, sagte sie zum Vergleich, obwohl sie von den Nazis gebaut wurden. Kerners hilflose Reaktion „Autobahn geht gar nicht“ wurde später zum geflügelten Wort. Nachdem schließlich Margarethe Schreinemakers und Senta Berger gedroht hatten, die Sendung zu verlassen, komplimentierte Kerner Herman hinaus: „Es sind dann doch die besonders spannenden Momente, wo man sich selbst so ein bisschen Gedanken macht und überlegt, wie man weitermacht. Und die habe ich mir jetzt gemacht und hab mich entschieden, dass ich mit meinen drei Gästen weiterrede und dich, Eva, verabschiede.“ Viele Zuschauer übten heftige Kritik an Kerners Verhalten und empfanden es als öffentliche Hinrichtung.

Im April 2009 wurde bekannt, dass Kerner das ZDF zum Jahresende verlassen und zu Sat.1 zurückkehren werde.

4 Kommentare


  1. Wie kam das eigentlich zu dem Kochanteil in der Sendung? – Falls es den noch gibt.

  2. Jawie? Kein Wort über Frau Herman?

  3. Hansgerd Zappenduster,

    „Feldbuschs Ex-Ehemann Bohlen ist übrigens der Komponist der Titelmusik der Sendung.“

    Die Ehre dürfte aber dem Komponisten der Titelmusik von Hawaii 5.0 zustehen 😉

    Ne aber echt, das hat der Bohlen doch dermassen geklaut. Gerade bei so’nem Oldie-Sender müssten doch Leute sitzen, die es besser wissen.

  4. Größtenteils goße Zustimmung zum Artikel, danke!

    Beim Hermann-Absatz bin ich aber anderer Meinung. Autobahn geht wirklich nicht. Und von Hinrichtung kann keine Rede sein, ins Abseits gestellt hat sich Frau Hermann selbst.



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