Aus für „Harald Schmidt“

Coole reißerische Überschrift, oder? Und total irreführend!

Formal ist sie allerdings zutreffend: Die halbstündige ARD-Sendung Harald Schmidt, die derzeit in vielen Wochen mittwochs und donnerstags um 22.45 Uhr zu sehen ist, wird es ab Herbst nicht mehr geben. Stattdessen startet Ende Oktober die neue Sendung Schmidt und Pocher, die dann wöchentlich donnerstags gezeigt wird und eine Stunde dauert. Schmidt ist Harald Schmidt, bekannt aus Harald Schmidt, Pocher ist Oliver Pocher, ARD-Zuschauern weitgehend unbekannt. Was aus Manuel Andrack wird, sagt niemand.

Ab Oktober müssen sich also zwei sendungsausfüllende Fernsehpersönlichkeiten aus unterschiedlichen Generationen damit abfinden, nur noch jeweils eine halbe eigene Sendung zu haben. Ergänzen werden sie sich prima: Schmidt musste sich nie vorwerfen lassen, ein großer Sympathieträger zu sein, sondern glänzt im Idealfall durch beißende Komik, Sarkasmus und hintergründige Pointen. Pocher ist zwar frech und vorlaut, aber eigentlich jemand, den man zwar unwitzig, aber kaum unsympathisch finden kann.

Ob auch ihre beiden kleinen Zielgruppen mit kleiner Schnittmenge sich zu zu einer größeren Gruppe vereinen werden, ist allerdings fraglich. Denn für Oliver Pocher, der bisher eher dem Raab-Universum als dem Schmidt-Dunstkreis angehörte, bedeutet der Wechsel von ProSieben zum Ersten, sich wohl vom Großteil seiner Fans verabschieden zu müssen. Niemand kann so blauäugig sein zu glauben, die ARD werde dank Pocher plötzlich massenweise junge Zuschauer anziehen. Auch Harald Schmidt hatte vor seinem Wechsel zur ARD mehr junge als alte Zuschauer. Jetzt ist das Verhältnis umgekehrt. Und dass es die Langeweile, die man seiner Show heute oft vorwirft, im letzten Jahr seiner Sat.1-Show noch nicht gegeben habe, kann niemand behaupten.

Das Problem der ARD ist, dass viele junge Zuschauer sie gar nicht kennen, gar nicht auf die Idee kommen, dort könnte irgendetwas gezeigt werden, das sie interessiert.
Als der Film „Shrek“ ein Jahr nach der ARD-Ausstrahlung zum ersten Mal im Privatfernsehen lief, hielten viele jüngere Menschen das für eine Free-TV-Premiere und nutzten die vermeintlich erste Chance, den Film kostenfrei zu sehen. Kosten- und zugleich werbefrei hatten sie sich entgehen lassen. Das gleiche Bild bei „Was Frauen wollen“ und „E-Mail für dich“. Das heißt nicht, dass diese Filme bei der ARD-Ausstrahlung erfolglos waren, sondern nur, dass das Potenzial weitaus größer gewesen wäre. Ebenso wenig heißt das, dass die ARD den Versuch gleich bleiben lassen sollte, Programm für junges Publikum zu machen. Im Gegenteil. Langfristig hat sie keine andere Wahl. Ihr Durchschnittszuschauer hat noch eine Lebenserwartung von etwa 22 weiteren Jahren. Selbst der durchschnittliche Zuschauer der Sendung mit der Maus ist ungefähr 40 Jahre alt. Das heißt auf jeden Fünfjährigen, also auf jedes Mitglied der eigentlichen Zielgruppe der Maus, kommt ein 75-jähriger.

Jede Bemühung, das ARD-Programm auch für jüngere Zuschauer attraktiv zu machen, ist willkommen und richtig. Nur schnelle Wunder sollte niemand erwarten.

Michael, 14. Mai 2007, 18:05.

10 Kommentare


  1. Der Versuch junge Zuschauer zu gewinnen ist eine langfristige Angelegenheit, die die öffentlich-rechtlichen Sender aber nicht ernsthaft angehen, da die Zuschauerzahlen insgesamt nach wie vor hoch sind und die demografische Entwicklung noch sehr lange rosige Zeiten verspricht.
    Wobei die ARD wenigstens noch einige Leuchttürme wie Tatort oder Großstadtrevier im Programm hat, was beim ZDF abgesehen von Wetten dass??? überhaupt nicht der Fall ist.
    Ohne Fußballübertragungen und andere Sportereignisse sähe es aber noch bedeutend schlimmer aus.
    Das Problem beginnt ja schon beim vergeblichen Versuch die Zuschauer von recht erfolgreichen KIKA herüberzuziehen.
    Einige Versuche hat man gemacht, z. B. die Catterfeld-Telenovela. Der vergebliche Versuch der ZDF ist Notruf Hafenkante, zwar mit jungen und hübschen Menschen eigens für die Zielgruppe konzipiert, aber dort erfolglos.
    Allerdings hat man auch hart am Image von Seniorensendern gearbeitet.
    Teilweise bekommt man auch den Eindruck liebgewonnene Darsteller, Drehbuchautoren und Produzenten würden aufgrund großer Verdienste durch Gebührengelder alimentiert.
    Das beste Beispiel ist Der Fürst und das Mädchen. Obwohl die Quoten in der Zielgruppe ein sogar fürs ZDF inakzeptables Niveau haben und es auch beim Gesamtpublikum alles andere als rund läuft erhält diese Serie mit dem Weltstar Maximilian Schell eine vierte Staffel als die dritte noch gar nicht recht angelaufen war. Die Story ist auch eher nicht so das was im Programmauftrag der Ö.R. steht.
    Natürlich wird Pocher den Großteil seinder Fans verlieren und ob er neue findet bei der ARD ist unbekannt. Kerner und Beckmann waren als Fußballmoderatoren bei Sat.1 auch noch recht cool, aber bei den Ö.R. kriegten sie trotz bescheidener Fähigkeiten Narrenfreiheit ergo eigene Talkshows. Stehen die heute besser da?
    Harald Schmidt wurde ja bereits erwähnt.
    Oder Björn Hergen Schimpf. Kein Hahn krähte mehr nach ihm als er zur ARD ging. Aber Pocher muss selbst wissen ob es geschickt war. Für Jauch hätte der Wechsel gepasst. Er ist langsam zu alt für die Zielgruppe, aber da waren ja wieder Funktionäre der ARD dagegen.

  2. „Pocher ist zwar frech und vorlaut, aber eigentlich jemand, den man zwar unwitzig, aber kaum unsympathisch finden kann“.
    Kann man sehr gut. Kenne schon zwei: mich und Reinhard Mohr.

  3. Pocher, nein danke, einfach nur unsympathisch.
    Dem deutschen Fernsehen fehlen Charaktere wie Jon Stewart, Stephen Colbert, Bill Maher oder Keith Olbermann.

  4. […] ich dachte sowas wie: sendung aus und vorbei. es scheint eventuell fast schlimmer zu sein, siehe hier. zum glück habe ich keinen […]

  5. Ich finde kaum jemanden so unsympathisch wie Oliver Pocher.

  6. „Pocher ist … jemand, den man … kaum unsympathisch finden kann.“

    Das ist apodiktischer Blödsinn, den höchstens die Leute vertreten können, deren Medienkompetenz die Existenz der ARD bisher noch nicht erfaßt hat.

  7. […] Schöner Artikel zum Thema übrigens im Fernsehlexikon. […]

  8. Es gibt Dinge, die sollte es nicht geben. Frauen ab Kleidergröße 56 in Bikinis, die PDS in der Regierung und eben Oliver Pocher bei Harald Schmidt. Die ersten beiden Dinge konnte man schon nicht flächendeckend verhindern, aber bei den Asylbestrebungen von Oliver Pocher bei Harald Schmidt ist nun eine Grenze überschritten worden, die es härter zu bewachen gegolten hätte es als die ehemalige Sektorengrenze zwischen DDR und BRD. Doch Pocher hat sie genommen und kein kleines Minelchen war da, es zu verhindern. Ich will ja nicht übertreiben, aber das ist der Untergang des televisionären Abendlandes. Was bitte soll man denn nun noch gucken? Und wer kommt als nächstes zu Schmidt und wünscht sich einen warmen Unterschlupf? Carmen Nebel, die verzückt einer Stange tanzt? Stefan Raab, der alleine die Musik produziert und so mal wieder was Nützliches tut? Florian Silbereisen, der seine Fans zu Schmidt bringt und somit den Altersrutsch dank Pocher vermeidet? Knut, der Eisbär, damit das Studio etwas kuschelige wird, sobald er den Boden schmückt? Oder besser gleich Rudi Carrell, der als guter Geist über der Sendung schwebt und versucht, doch noch etwas zu retten? Da ich diese Frage nicht selbst beantworten möchte, habe ich ein Voting gestartet, an dem Sie sich bitte beteiligen möchten, damit ich dann eine Petition zur Harald-Schmidt-Show schicken kann.

    Und noch was am Rande? Was wird aus Manuel Andrack? Versaut er uns jetzt die sich so hübsch entwickelnde Arbeitslosenstatistik?

  9. […] mag Oliver Pocher. Ich finde ihn sympathisch. Das schrieb ich schon an anderer Stelle und musste mich dafür beschimpfen lassen. Ich mag auch Harald Schmidt. Er ist ein Genie des […]

  10. Logisch und absehbar.
    Der Meister des Wortwitz und ein Clown als Zivi, der ihm Kontakt zu jüngeren Zuschauern garantiert? Sowas konnte nicht lange gutgehen. Der brillante Schmidt erwies sich zuerst als Kollegenschwein, als er gemeinsam mit Pocher an dem freundlichen Manuel Andrack herumnörgelte, der ihm bei Sat1 immerhin die Quote gerettet hat. Nur versuchte sich der Clown Pocher immer öfter und verzweifelter als Wortartist, während sich Schmidt zunehmend kindlicher gab und sowas wollen weder die alten und auch nicht die jungen Zuschauer sehen. Ich finde es schade um die Harald Schmidt Show, wie es sie acht Jahre auf Sat1 gegeben hat, „Schmidt und Pocher“ vermisse ich dagegen nicht!



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