Vierzig und rüstig


Repro: WDR

Fast so häufig wie von ihm neue Folgen zu sehen sind feiert der ARD-Tatort Jubiläum. Am Montag wird er 40 Jahre alt. Und in wenigen Monaten steht die 800. Folge an.

Das ergibt umgerechnet knapp 20 Tatorte im Jahr, aber dieser Schnitt wird durch die Anfangsjahre nach unten gezogen, als nur jeden Monat ein neuer lief. 2010 werden es 35 neue Filme gewesen sein, und ein Overkill ist nicht zu erkennen. Der Tatort ist im Jubiläumsjahr sogar erfolgreicher geworden. Derzeit sehen sonntags im Schnitt mehr als eine halbe Million Menschen mehr zu als vor einem Jahr.

Als er 30 wurde, gehörte der Tatort zu den populärsten Fernsehsendungen in Deutschland. Mehr Zuschauer hatten nur Wetten, dass…? und Wer wird Millionär?. Heute rangiert niemand mehr über dem Tatort, weil ihm das Kunststück gelungen ist, seine regelmäßige Zuschauerzahl seit zehn Jahren weitgehend konstant zu halten, während die Einschaltzahlen der anderen Erfolgssendungen am Tatort vorbei nach unten rutschten oder enorm schwanken.

Axel Prahl und Jan-Josef Liefers als verrücktes Paar Kommissar Thiel und Prof. Boerne aus Münster sind die beliebtesten Ermittler und die einzigen, die zuverlässig mehr als zehn Millionen Zuschauer anlocken. Aber erfolgreich sind oder waren sie alle. Sogar die jahrelange Depri-Grütze aus Frankfurt.

Interessant ist, dass der Tatort oft sogar beim jungen Publikum Marktführer ist, das die ARD sonst nur aus Erzählungen der Eltern kennt.

Was ist das Geheimnis des Erfolgs?

Nun, meistens sind es sehr ordentliche Filme. Aber viel wichtiger: Der Vorspann. Wenn der Tatort-Vorspann kommt, wird weitergeguckt. Und es schadet nicht, dass die Tatort-Gewohnheit direkt an die Tagesschau-Gewohnheit anschließt. Deshalb haben auch neue Kommissare es leicht, sich zu etablieren. Würden neue Krimireihen mit neuen Ermittlern unter einem x-beliebigen Titel auf Sendung gehen, hätten sie es heute schwer, auf Anhieb ein großes Publikum zu finden. Aber so lange Tatort drauf steht, kann nichts passieren. Und deshalb wird auch Ulrich Tukur als Wiesbadener LKA-Beamter mit Hirntumor heute einen guten Einstand haben.

Tukur ist nicht der Nachfolger eines ausgedienten Tatort-Teams. Er nimmt den Platz einer Reihe von Filmen des Hessischen Rundfunks ein, die als Polizeiruf 110 gezeigt wurden – die andere Krimireihe der ARD, die manchmal sonntags kommt und die sich inhaltlich ohnehin immer mehr dem Tatort annähert. Aus inhaltlicher Sicht wäre es sicher egal gewesen, ob die Filme mit Tukur weiter unter dem Titel Polizeiruf 110 gelaufen wären. Aber es gibt natürlich einen triftigen Grund, warum sie Tatort heißen: Richtig, der Vorspann.

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Michael, 28. November 2010, 12:26.

12 Kommentare


  1. Der Tatort wird also vierzig. Das ist ja fast so alt wie ich. Darum kann ich mich noch gut an meine ersten Schritte als Tatort-Fan erinnern. Schimanski!!! Klar…..was sonst. Das waren noch Zeiten. Damals war ja die Aufregung groß, über das Wort mir EssCeeHa…..aus dem Munde von Götz George.
    Gestern habe ich zufällig einen Tatort-Wiederholung mit Manfred Krug gesehen….und habe wirklich schmunzeln müssen. Die Klamotten, die Frisuren der Damen, die Dialoge….einfach köstlich. Und heute schau ich den Tatort weil es ja meistens wirklich so ist, dass man da nix verkehrt machen kann….abgesehen von der Zitat: „Depri-Grütze aus Frankfurt“ Zitat Ende.
    Was mir allerdings ein wenig Angst macht, ist dann wohl der Umstand, dass jetzt in die Tatort-Tüte etwas hineinkommt, was da gar nicht hineingehört. Oder andersherum, dass da auf der Tüte Tatort steht, und gar kein Tatort drin ist. Ich hatte mich schon gewundert, dass mir das Erscheinen eines neuen Tatort-Kommissars entgangen sein sollte. Das finde ich nicht gut…..das mit der Tüte…..ganz ehrlich.

  2. In der Tat ist es schön, dass die „Depri-Grütze“ gegessen ist. Aber ich habe mich mehr und mehr vom „Tatort“ verabschiedet, leider. Der Grund: Wo „Tatort“ drauf steht ist sehr oft Sozialdrama mit dünner Krimi-Soße als Alibi drin. Hauptaufgabe der meisten Kommissare (und besonders der Kommissarinnen) scheint nicht mehr die Ermittlung, sondern betroffen-sein. Ein spannender Krimi ist was anderes.

  3. Nachtrag:

    http://www.spiegel.de/kultur/tv/0,1518,731567,00.html

    Hier wird es ein wenig anders erklärt….was denn nun??

    😉

  4. @ TempoTempo: Ich würde versuchen, den Widerspruch zu erklären, aber ich finde ihn nicht.

  5. @Michael

    Ich hatte nur den Eindruck gewonnen, dass ab heute Abend alte Polizeiruf 110 Folgen als „neue“ Tatort Folgen gezeigt werden. Zitat: Er nimmt den Platz einer Reihe von Filmen des Hessischen Rundfunks ein, die als Polizeiruf 110 gezeigt wurden. Zitat Ende.

    Bei Spiegel Online steht ja, dass es einmal pro Jahr eine neue Folge mit Ulrich Tukur geben soll. Zitat: Einmal im Jahr wird Ulrich Tukur zukünftig in die Rolle des LKA-Mannes schlüpfen. Zitat Ende.

    Das hatte mich halt verwirrt. Jetzt ist es klar und mein erstes Posting darum auch natürlich vollkommener Quatsch.

    🙂

  6. […] Gratulanten: Tatort-Fundus, Fernsehlexikon, Der Tagesspigel, […]

  7. ok, ich bin kein tatort-zuschauer und in der regel überhaupt kein krimi-zuseher, aber diesen tatort habe ich dann doch gesehen. weil die alte heimat der neuen ermittlerfigur auch meine alte heimat ist, war ich dann auch neugierig. aber um die heimat soll es gar nicht gehen, sondern über den sinn und zweck von krimis dieser art: sorry, aber dieser tatort war große grütze! worum ging es nochmal? ist mir irgendein charakter wichtig? passiert hier auch mal was? der film war ungemein lahm inszeniert. jede figur hätte ruhig sterben können (außer vielleicht der sekretärin), man hätte nicht einen moment getrauert. die story wirkte ein ganz klein wenig konstruiert, was ok wäre, wenn sie dafür zumindest spannend inszentiert wäre. ich habe mich durch gequält und war am ende froh, dass es vorbei war. ich weiß warum ich kaum einen tatort schaue, weil sie einfach nicht spannend sind, sondern nur egal.

  8. Auch ’ne Kunst: Keine Verfolgungsjagden, keine Prügeleien, kein Sozialdrama, trotzdem nie langweilig. Dazu kinoreife Bilder, nostalgisch angehauchter Soundtrack, ein nachvollziehbarer Plot, bis in die Nebenrollen hinein die erste Liga der deutschen Schauspielkünstler (ein Film, in dem Martina Gedeck spielt, kann ohnehin nicht schlecht werden – schwärm!) und verdientermaßen ein „Mörder-MA“ von 23,6%.

    Danke, weiter so. Hoffentlich zieht Tukur in absehbarer Zeit nicht die vorher ausbedungene Tumor-Ausstiegsoption.

  9. Eine der am überbewertesten Sendungen im deutschen Fernsehen. Aber niemand will ja „Der Kaiser ist nackt!“ hören…

  10. Meines Wissens werden beide Serien (Tatort und Polizeiruf) abechselnd von den gleichen Regisseuren gedreht. Also macht es ja wohl keinen Unterschied, welche Tüte man nimmt….

  11. Also ich fand die „Depri-Grütze aus Frankfurt“ eigentlich durchgehend gut; diese Tatorte waren mir immer lieber als die z.B. München oder Berlin.

  12. Ersteinmal gefällt mir die Seite sehr gut und die Texte sind interessant geschrieben.

    Zweitens muss ich noch eine Ergänzung zum Erfolgsgeheimnis des Tatort machen: Regionalität. Viele TV-Zuschauer können sich mit den Tatort-Städten identifizieren und bevorzugen deshalb den einen oder anderen Tatort (oder Kommissar.)



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