Der US-Comedy-Wahlkampf (4)

John McCain und Sarah Palin, das amerikanische Duo, das sich für die Republikaner um die Präsidentschaft bewirbt, hat viel gutzumachen. Vor allem Boden, denn zweieinhalb Wochen vor der Wahl führt Barack Obama in den meisten Umfragen deutlich. Und natürlich ein paar schlimme Patzer, die durch die Medien gingen.

Vize-Kandidatin Palin war in einem CBS-Interview nicht in der Lage, eine einzige Zeitung zu nennen, die sie angeblich lese, und hält es allen Ernstes für ein Zeugnis außenpolitischer Erfahrung, dass Russland so nah an Alaska liegt, dem Staat, dessen Gouverneurin sie ist. Das alles waren fantastische Vorlagen für herrliche Parodien im US-Comedy-Klassiker Saturday Night Live. Seit Wochen spielt Tina Fey Palins Rolle perfekt. (Wir berichteten.)

Vor ein paar Stunden traute sich die echte Sarah Palin in die Show, und da auch Fey im Palin-Kostüm anwesend war, konnte man schon mal durcheinander kommen.

In der Eröffnungsszene spielt Tina Fey eine Pressekonferenz, und Saturday-Night-Live-Produzent Lorne Michaels und Sarah Palin sehen sich die Szene auf einem großen Bildschirm an. Alec Baldwin, der zusammen mit Tina Fey in der Emmy-prämierten Serie 30 Rock spielt, kommt dazu und begrüßt Lorne und „Tina“, die da gar nicht steht. In Anwesenheit Palins bittet er Michaels, sich die Sache noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen: Er könne doch nicht „unsere Tina“ mit dieser furchtbaren Frau auf die Bühne lassen, die so entsetzliche Ansichten habe.

Und John McCain bemühte sich diese Woche um Versöhnung mit David Letterman. Den hatte er vor ein paar Wochen sehr kurzfristig mit gelogenen Ausreden versetzt. Er müsse wegen der Finanzkrise dringend zurück nach Washington, hatte er behauptet, war dann aber in Wirklichkeit in einer anderen Fernsehsendung aufgetreten, die genau wie Lettermans Late Show in New York produziert wurde. (Wir berichteten ebenfalls.)

Jetzt mögen sie sich wieder einigermaßen, denn McCain ist für eine Fernsehsendung immer ein dankbarer Gast. Etwa ein Dutzend Mal war er schon bei Letterman, und diese Woche holte er den für September geplanten Auftritt nach. Letterman ging McCain härter an als gewohnt an, drängte auf eine Erklärung für seine damalige Lüge und fragte nach seinem Verhältnis zu Gordon Liddy, der unter Richard Nixon der Kopf der Watergate-Affäre war und dafür ins Gefängnis musste. Dennoch hielt sich Letterman genügend zurück, um McCain nicht für immer zu vergraulen, denn Letterman möchte, dass McCain wiederkommt. Da derzeit nur noch wenig darauf hindeutet, dass McCain Präsident werden könnte, dürfte er die Zeit dafür haben.

Michael, 19. Oktober 2008, 12:50.

Der US-Comedy-Wahlkampf (3)

Am 2. November, zwei Tage vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl, läuft die diesjährige Halloween-Folge der Simpsons: „Treehouse of Horror XIX“. Und eine Szene daraus ist sogar schon bekannt:

Das ist natürlich toll, dass eine Serie mit einem Produktionsvorlauf wie die Simpsons es überhaupt schafft, auf einen aktuellen Wahlkampf mit den konkreten Namen der Kandidaten Bezug zu nehmen. Der Witz ist allerdings ein 2004-Witz und wirkt angesichts der tatsächlichen Themen und Pointen dieses Wahlkampfs hoffnungslos antiquiert (nicht dass das Thema nicht abrupt wieder ganz aktuell sein könnte).

Aber wer hätte auch vor ein paar Wochen noch ahnen können, dass eine einzige Frau ganz allein genug Material liefern würde, um die komplette amerikanische Humorindustrie zu beschäftigen. Die Interviews, die Sarah Palin, die Vize-Präsidentschaftskandidatin der Republikaner, der CBS-Moderatorin Katie Couric gegeben hat, sind schon jetzt legendär. Tina Fey konnte die Sätze in ihrer „Saturday Night Live“-Parodie am vergangenen Wochenende mit Amy Poehler teilweise einfach wörtlich nachsprechen:

Aber eine meiner Lieblingsparodien auf Sarah Palin basiert noch auf einem früheren Interview mit ABC-Nachrichtenmoderator Charlie Gibson und ist von Waco O’Guin:

Heute Nacht (3 Uhr MESZ) findet die Debatte der beiden Vizepräsidentschaftskandidaten statt. Das ZDF und Phoenix übertragen ab 2.50 Uhr (bei Phoenix passenderweise gefolgt von der Dokumentation „Die schnellsten Pfoten von Alaska“), CNN International beginnt schon um 2 Uhr mit der Vorberichterstattung.

Und das Fernsehlexikon ist mit einem Live-Blog dabei — und zwar hier.

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Stefan, 2. Oktober 2008, 17:01.

Der US-Comedy-Wahlkampf (2)

Es wäre gut für die Show, wenn nur ein Kandidat teilnähme. Das mag dann kein so gutes Zeichen für unser Land sein, aber wenn es darum geht, eine Satire zu produzieren, wäre es ein Geschenk.

Es ist Freitagmittag, und noch immer steht nicht fest, ob die erste Debatte der amerikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain und Barack Obama heute Abend überhaupt stattfindet. Sie ist für heute Abend geplant, und Obama bleibt bei seiner Zusage, während John McCain erst einmal die Finanzkrise lösen will, das sei jetzt wichtiger. Obama kontert, wer Präsident sein wolle, müsse sich notfalls mit mehreren Dingen gleichzeitig beschäftigen können.

Das obige Zitat aus einem aktuellen Variety-Artikel stammt von NBC-Latenight-Chef Rick Ludwin, als solcher u.a. verantwortlich für den Sketch-Show-Klassiker Saturday Night Live, eine Sendung, die morgen Abend recht kurzfristig auf den Verlauf des TV-Duells reagieren muss. Würde Barack Obama tatsächlich als einziger Kandidat erscheinen, schriebe sich die Show quasi von selbst.

Doch auch ohne eine solche Sensation ist der Wahlkampf gut für die Comedyshows. Seit er begonnen hat, also vor gefühlten drei Jahren, müssen sich die Autoren nicht nur um mangelnde Themen, sondern auch um mangelndes Zuschauerinteresse keine Sorgen machen. Politikverdrossenheit hin oder her, wenn sich jemand über den Wahlkampf lustig macht, sind die Zuschauer dabei. Variety berichtet, die Zuschauerzahlen von Saturday Night Live seien im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent höher, und führt das u.a. auf die gelungenen Parodien der republikanischen Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin zurück, gespielt von der mehrfachen Emmy-Gewinnerin Tina Fey. Hier zu sehen an der Seite von Hillary Clinton (Amy Poehler). (Noch eine Zusatzinformation: Sketche in Saturday Night Live sind meistens lustig und fast immer deutlich zu lang.)

Und die Daily Show with Jon Stewart (in Deutschland dienstags bei Comedy Central), die ihren Durchbruch während der verkorksten Präsidentschaftswahl vor acht Jahren hatte, fuhr laut Variety vergangene Woche die bisher höchsten Einschaltzahlen ihrer Geschichte ein.
Der Wahlkampf ist Comedy-Gold, und wenn ein Kandidat ankündigt, seinen Wahlkampf aus aktuellem Anlass auszusetzen, dann trotzdem.

Die Kandidaten selbst machen sich unterdessen zumindest in den Comedyshows etwas rarer. Im Vorwahlkampf noch hatten sie an allen erdenklichen Gags teilgenommen (wir berichteten), jetzt begeben sie sich eher in ihre Rolle als seriöse Kandidaten und streuen nur noch beiläufig kleine Witzchen ein. John McCain trat zuletzt vor einem Monat in der Tonight Show with Jay Leno auf, als Sarah Palin noch nicht als seine Vize-Kandidatin feststand und er andeutete, Leno könnte es werden.

Barack Obamas letzter großer Entertainment-Auftritt war vor zwei Wochen in der Late Show with David Letterman . Er sprach eine halbe Stunde lang sehr ernsthaft über Terror, Sarah Palin, Bill Clinton und die wirtschaftliche Lage, musste aber auch Lettermans Frage beantworten, ob er nicht Angst habe, dass seine 87-jährige Oma jemanden wähle, der eher in ihrem Alter ist. Obama: „Ich habe sie zu ihren Bridge-Partnern geschickt. Sie soll versuchen, ein paar Stimmen aus dieser Zielgruppe für mich zu gewinnen!“

Update 18.30 Uhr:
John McCain hat mittlerweile seine Teilnahme am TV-Duell zugesagt. Abgesagt hat er dagegen sehr kurzfristig seinen geplanten Auftritt bei David Letterman am Mittwochabend (Danke an Armin für den Hinweis in den Kommentaren und den Link), ebenfalls wegen der Finanzkrise. Er könne nicht an der Show in New York teilnehmen, er müsse dringend nach Washington. Blöd für ihn, dass Letterman, der dringend einen Ersatzgast brauchte, stattdessen eben einen prominenten Obama-Unterstützer einlud. Blöd auch, dass McCain zu der Zeit, zu der er eigentlich in Lettermans Studio verabredet war, sich in Wirklichkeit in einem anderen Fernsehstudio in New York aufhielt und für ein Interview bereit machte. Nach Washington flog er erst am nächsten Morgen. Und erst recht blöd, dass dieses Interview beim gleichen Sender stattfand, bei dem auch Letterman arbeitet, und Letterman die hauseigenen Kameras zeigen ließ, wie McCain gerade für dieses andere Interview geschminkt wurde.

Hier sind die Höhepunkte aus Lettermans wütenden, sendungsfüllenden Reaktionen:

Michael, 26. September 2008, 13:18.

Der US-Comedy-Wahlkampf 2008

Alle noch verbliebenen Kandidaten im Rennen um die amerikanische Präsidentschaft haben eines gemeinsam: Humor. Sogar Hillary Clinton. Zwischen ihren Debatten, Reden und Vorwahlkämpfen finden sie immer wieder Zeit, sich für kurze Gags oder längere Gastauftritte in den Late-Night-Comedyshows herzugeben und erobern damit Sympathien beim jungen, aufgeschlossenen, gebildeten Publikum. Denn eigentlich werden in diesen Shows eher Witze über sie gemacht, und nicht mit ihnen.

John McCain

Der republikanische Senator John McCain, der bisher einzige quasi feststehende Präsidentschaftskandidat, besuchte schon elfmal die Daily Show with Jon Stewart —  häufiger als jede andere Show, inklusive politischer Talkshows, und häufiger als jeder andere Gast die Daily Show besuchte. Bei seinem zehnten Gastauftritt im vergangenen August scherzte er bereits:

Haben Sie’s schon gehört, ich übernehme die Show, und Jon Stewart geht in den Senat!

In der Late Show with David Letterman zeigte er sich im Januar in einem kurzen Einspieler unter dem Titel „Candidate Spotlight“ und verkündete, während er hinter einem Schreibtisch vor der amerikanischen Flagge saß:

Meine lieben amerikanischen Mitbürger. Ich verwende kanadische Münzen, um mir am Süßigkeitenautomaten des Sensats Twix-Riegel zu ziehen. Was wollen Sie dagegen tun?

 An einem anderen Tag erklärte er von gleicher Stelle, er habe mal wegen einer Wette einen halben Liter Motoröl getrunken und 40 Dollar gewonnen.

Es war auch bei David Letterman, wo John McCain vor einem Jahr erstmals bekannt gab, damals völlig im Ernst, dass er als Präsidentschaftskandidat antrete.

Barack Obama

Als Barack Obama 2004 als einziger schwarzer Politiker in den Senat gewählt worden war, wurde er von Jon Stewart einem landesweiten Comedypublikum vorgestellt. Seitdem ließ er sich mehrfach von Stewart befragen und erklärte dies gegenüber den CBS Evening News so:

In erster Linie bin ich ein Fan, denn Jon Stewart bringt die Absurdität des Wahlkampfs gut ans Tageslicht, und dadurch haben seine Inhalte manchmal mehr Substanz als in anderen Sendungen. (…) Außerdem ist das Publikum in solchen Sendungen da, um Spaß zu haben, es ist also meistens freundlich.

Bei David Letterman trug der Senator von Illinois seine Top 10 Wahlkampfversprechen vor, die wir hier schon gezeigt haben.

Hillary Clinton

Auch die New Yorker Senatorin Hillary Clinton präsentierte bei David Letterman eine Top-10-Liste mit Wahlkampfversprechen. Darunter:

  •  
    • Sie haben die Möglichkeit gegen das Finanzamt um Ihre Steuern zu würfeln: doppelt oder nichts.
    • Wenn Sie Schwierigkeiten haben, einen Flug zu buchen, und Air Force One ist gerade verfügbar, gehört sie Ihnen!
    • Ich ernenne ein Komitee, das herausfinden soll, was zum Teufel eigentlich bei Lost passiert.

Als David Letterman nach längerer Pause im Januar wieder auf Sendung ging, eröffnete Hillary Clinton die Show noch vor dem Vorspann:

Acht lange Wochen war David Letterman wegen des Autorenstreiks nicht auf Sendung. Jetzt ist er wieder da. Nun denn, alles Gute geht einmal zu Ende.

Mike Huckabee

Der ehemalige Gouverneur von Arkansas war der Überraschungssieger der ersten Vorwahl in Iowa Anfang Januar, und die Late-Night-Moderatoren Conan O’Brien, Stephen Colbert und Jon Stewart inszenierten einen mehrtägigen, sendungs- und senderübergreifenden Streit, wem Huckabee diesen Erfolg zu verdanken habe. Alle drei beanspruchten ihn aus unterschiedlichen Gründen für sich, weil Huckabee entweder bei ihnen zu Gast war oder sie ihm durch Zuspruch zum Sieg verholfen hätten. Der Streit gipfelte in einer fünfminütigen gespielten Schlägerei in Late Night with Conan O’Brien, die in erster Linie den Zweck erfüllte, sinnlos Sendezeit zu füllen, während die Autoren noch im Streik waren. Am Ende der Schlägerei meldete sich Huckabee schlichtend zu Wort:

Drei unserer größten Talkshow-Moderatoren haben sich windelweich geprügelt im Streit über die Frage, wem ich meinen Erfolg zu verdanken habe. Damit das klar ist: Keinem von ihnen. Ich habe ihn unserer großartigen Nation zu verdanken. Also wählen Sie mich. Gott segne Amerika, und vergessen Sie diese Idioten.

Michael, 17. Februar 2008, 23:09.


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