Vier gegen Sieben

Das wird heute ein Fernsehabend für Nostalgiker, denn es wird sein wie damals, als es nur wenige Programme gab und man beim Schalten durch die Programme schnell am Ende angelangt war. Gleich vier Sender zeigen heute dasselbe Programm. Damit mehrere Sender Einheitsprogramm zeigen, muss normalerweise erst ein Popstar sterben oder ein ausländischer König heiraten, aber heute reicht es, dass zwei farblose Politiker, die weder sich noch den Wählern etwas zu sagen haben, sich bereit erklärt haben, 90 Minuten lang im gleichen Studio anwesend zu sein, um dort inhaltliche Aussagen zu vermeiden. Und ebenfalls wie früher, zum Beispiel bei Dalli Dalli, gibt es mehr Schiedsrichter, die die Einhaltung der Spielregeln überwachen, als Teilnehmer. Vier Moderatoren, die Fragen stellen, stehen nur zwei Gesprächspartnern gegenüber, die keine Antworten geben.

Die ernsthafte Alternative läuft auf ProSieben, wo es in der Erstausstrahlung des Simpsons-Films um Umweltverschmutzung geht. Das ist vielleicht nicht so lustig wie das TV-Duell, verspricht aber mehr gesellschaftliche Relevanz. Und irgendwie sind ja auch Die Simpsons Fernsehen wie früher. Als die ersten Simpsons-Sketche in den USA gezeigt wurden, war Dalli Dalli erst ein halbes Jahr nicht mehr auf Sendung.

UPDATE am Tag danach:

mono~ wünscht sich unten in den Kommentaren eine Nachbetrachtung des Duells, und eigentlich wollte ich auch schon früher eine schreiben, aber dann habe ich mich doch zu sehr gelangweilt. Aber ich gebe gern noch meinen Senf zur unten kritisierten Leistung der Moderatoren.

Nein, die Moderatoren waren wirklich nicht so toll, aber das war auch nicht zu erwarten bei einem Format, das nicht aus journalistischen Gründen so gewählt wurde, sondern allein deshalb, weil kein Sender bereit war zurückzustecken und vorab einzusehen, dass die Sendung besser würde, wenn maximal so viele Moderatoren wie Diskussionsteilnehmer anwesend wären. RTL wollte unbedingt auch mal den ARD-Zuschauern zeigen, wie toll ihr Kloeppel ist, und Sat.1 wollte unbedingt allen zeigen, dass es auch einen Journalisten hat.

Eine Diskussion zwischen Merkel und Steinmeier konnte schon dadurch nicht zustande kommen, dass eine Interaktion der beiden von der Fragezeit der Moderatoren abgegangen wäre, und das war niemand bereit zuzulassen. Schade um die vertane Chance.

Michael, 13. September 2009, 19:17.

11 Kommentare


  1. Das ist so treffend auf den Punkt gebracht, dass dem eigentlich nichts hinzuzufügen ist (außer vielleicht ein „auf“ als vorletztes Wort).

  2. Vier Sender? Phoenix sendet doch auch.

  3. Ich fand die beiden Kandidaten um ein Vielfaches erträglicher als die unsäglichen Journalisten mit ihrer Profilneurose. Wann immer Steinmeier und Merkel den Moderatoren über den Mund gefahren sind, habe ich innerlich Beifall geklatscht. Wenn ich gerade wach war.

  4. BTW: Hat jemand die Vor- und Nach“berichterstattung“ bei RTL gesehen? Vorher wie bei „Die 10“ von „Promis“ (Bernhard Brink etc.) kommentierte Einspieler darüber, daß „Steini“ ja einen kleinen Bauch habe und ähnliches. Danach dann hat Otto Kern mit Frauke Ludowig zusammen Angela Merkels „bösen Blick“ „analysiert“, bevor man sich auch schon verabschiedete. Politjournalismus der Extraklasse…

  5. Die Simpsons waren tatsächlich interessanter . . und lustiger.

  6. Plasberg, eat my shorts!

  7. Ich fand das Duell dann doch spannender als vorher gedacht.

  8. als die eigentliche sendung, die ich mir nicht angesehen habe, vorbei war, schaltete ich über mehrere sender und bemerkte, dass jetzt wieder jeder der 5 sender (MainP hat recht!) ein eigenes „Post-game-analysis“-team mit statistikern am start hatte. ich prüfte durch:
    ard – anne will – nein danke
    zdf – experten mit headsets – hmpf
    sat.1 – die unsägliche christiansen
    aber dann rtl – ILKA ESSMÜLLER UND FRAUKE LUDOWIG! wahnsinn. die absolute kapitulation. die gesamte (eingebildete) journalistische kompetenz des senders erschöpft sich in peter kloeppel, das geben die augenscheinlich jetzt auch offen zu und schicken die punkt-12-blondinen an die front. ich fass es nicht

  9. Ach, so wenig hatten die beiden jetzt auch wieder nicht zusagen. Man sollte die eigene Gleichgültigkeit nicht ausschließlich den Kandidaten in die Schuhe schieben, Herr Reufsteck.

    Im Übrigen würde mich eine Nachbetrachtung an dieser Stelle brennend interessieren: Wie oben schon erwähnt – die Journalisten haben ihren Job alles andere als perfekt gemacht. Das im Duo Plasberg-Limbourg der Sat1-Mann die Nase vorne hatte, damit war nicht zu rechnen…

  10. Inhaltlich sach ich jetzt mal nichts dazu, aber allein die Inszenierung war grausam. Wenn ich mir amerikanische Präsidentschaftsdebatten angucke und dann das deutsche TV-Duell, ist da ein ähnlicher Unterschied wie bei deutschen und amerikanischen Fernsehserien. Sieht irgendwie billig aus, ist auf Konsens getrimmt und sowohl Dramaturgie als auch Ausstattung sind oft Mangelhaft. Die amerikanischen Politiker mögen genauso viel heiße Luft Verzapfen, aber wenigstens tun sie es in einer angemessenen Kulisse. Ist schlimm genug wenn der Inhalt fehlt, man muß es nicht auch an Form mangeln lassen.

    Ich glaub auch nicht das Obamas Leute es akzeptiert hätten, daß sein Pult viel zu klein ist. Steinmeier ist da wohl flexibler.

  11. @Dent:
    genau das ist ja aber doch das allerschlimmste an diesem tv-duell-mist. das haben die deutschen sender vor 7 jahren aus usa eins zu eins übernommen, einfach nur weil es cool ist. der erste george-bush-wahlsieg war noch relativ frisch und kohl, der sich immer (zu recht) dagegen gesträubt hatte, war endlich weg. es ist aber einfach nicht zu vergleichen. in deutschland gibt es nunmal nicht nur zwei parteien. und dieses vollkommen hirnverbrannte zeitstoppen, so dass auch bloß jeder genau gleich viel sagen kann. und das sofortige analysieren direkt nach dem duell durch „fachleute“ (eher talking heads) und dann sogar blitzumfragen („welche kleidung gefiel ihnen besser?“). das macht unser wahlsystem noch viel kaputter als es schon ist. die leute denken immer mehr, es würde hier eine person gewählt und vergeben sympathiepunkte, nur weil es peter kloeppel (dem ich das wirklich zu einem großen teil anlaste!) so nah wie möglich am original seines lieblingslandes haben möchte. die leute lassen sich das dann aber einreden und schauen noch viel weniger darauf, was die parteien eigentlich im programm stehen haben, weil sie am nächsten morgen in der zeitung lesen, dass steinmeier besser abgeschnitten hat als erwartet. das ist doch krank!



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