Tach, der TV-Tester

Nachdem nun auch Rach, der Restauranttester erfolgreich in die Primetime verlegt wurde, ist ein Ende der Coaching-Welle im Fernsehen erst recht nicht mehr abzusehen. Ein anonymer Privatsender pilotierte gerade ein weiteres Format, das uns auf dubiosen Wegen zugespielt wurde. Aus Angst vor einer Klage können wir leider kein Video zeigen, veröffentlichen aber eine Abschrift.

Tach, der TV-Tester

Tag 1

TV-Tester: „Tach, ich bin Christian Tach, ich bin TV-Tester.“

Off-Sprecher: „Christian Tach ist TV-Tester. Als Sternegucker in verschiedenen Städten Deutschlands und Europas hat er schon so manches gesehen. Seine langjährige Erfahrung zu teilen, ist sein Job. (Im Hintergrund hört man Nina Hagens „Ich glotz TV“.) Ein großer Sender ist heute das Ziel von Christian Tach. Mitarbeiter haben ihn alarmiert, aus Sorge, die Zuschauer könnten in noch größeren Mengen davonlaufen. Doch die Chefin zeigt sich uneinsichtig. (Im Hintergrund hört man Shakespeare’s Sister mit „I Don’t Care“.)

Chefin: „Uns geht’s super, wir sind immerhin Marktführer.“

TV-Tester: „Und dass ihr in den vergangenen 15 Jahren ein Drittel eurer Zuschauer verloren habt, wurmt euch nicht?“

Off-Sprecher: „Christian Tach kann sich nur wundern. (Im Hintergrund ertönt „So a Wunder“ von Nicki.) Zuerst inspiziert er die Programmplanung. Sie ist mit kleinen Täfelchen auf einer alten, schäbigen Magnetwand zusammengestellt.“

TV-Tester: „Wie sieht das denn hier aus? Das ist doch kein modernes Unternehmen!“

(Im Hintergrund läuft „In 100 Years“ von Modern Talking.)

Chefin: „Wenn man immer erst einen Rechner hochfahren müsste, um eine Sendung zu löschen, könnten wir manches gar nicht so schnell absetzen oder verschieben. Hier, guck doch mal, wie schnell sich so ein Magnettäfelchen lösen lässt.“

(Im Hintergrund hört man Kid Rocks „All Summer Long“.)

Tag 2

Off-Sprecher: „TV-Tester und Sternegucker Christian Tach hat es nicht leicht. Mitarbeiter eines großen Fernsehsenders hatten ihn alarmiert, weil sie fürchteten, die restlichen Zuschauer könnten ihnen davonlaufen. Ein unzuverlässiges Programm und eine uneinsichtige Chefin machen ihm zu schaffen. Christian Tach muss sich erst mal setzen. Er nimmt auf einer Couch Platz und lässt sich ein wenig Fernsehprogramm zeigen. Er ist entsetzt und atmet tief durch.“

TV-Tester (atmet tief durch. Im Hintergrund läuft „How Can I Fall“ von Breathe): „Das ist ja entsetzlich. Ich muss mich erst mal setzen. Hier, wie sieht das denn aus? Macht das Spaß? Mal ehrlich: Macht dir das Spaß? Das macht doch keinen Spaß!“

Off-Sprecher: „Christian Tach deutet auf einen rüde mitten in eine Szene eingeblendeten Werbeblock und eine Werbeeinblendung während einer späteren Szene, die die Stirn des Hauptdarstellers verdeckt.“

(Es ertönen die ersten Sekunden des Kuschel-Songs von Schnuffel, bevor rüde eine Werbepause ins Bild knallt.)

TV-Tester: „Diese Schnitte! Das ist doch nicht sauber! Spaß kann das doch keinen machen. Sag mal ehrlich.“

Off-Sprecher: „Vor allem unsaubere Schnitte und unsensible Werbeeinblendungen stören den TV-Tester. (Im Hintergrund singt Bryan Adams „Cuts Like A Knife“.) Doch noch etwas stößt Christian Tach übel auf: Er vermisst die Höhepunkte. Er vermisst etwas, das das Programm auszeichnet.“

TV-Tester: „Und überhaupt: Wo sind denn die Höhepunkte, wo ist denn das, was euch auszeichnet?“

Chefin: „Wir haben hier diese hochwertige, intelligente Serie aus den USA, die tausend Preise gewonnen hat.“

TV-Tester: „Das kann ja keiner wissen. Wann kommt die denn?“

Chefin: „Freitags nach Mitternacht zwischen Die 10 besten Tittenwitze und einer Extra-Spezial-Sonderwiederholung über Madenbefall in südossetischen Restaurants.“

(Im Hintergrund hört man „Hide & Seek“ von Sasha.)

TV-Tester: „Wisst ihr, was ihr braucht? Ihr braucht einen kompetenten Berater. Ich telefonier mal rum und guck mal, was ich da machen kann.“

Tag 3

Off-Sprecher: „TV-Tester und Sternegucker Christian Tach verzwifelt an einem unzuverlässigen Privatsender mit uneinsichtiger Chefin. Doch heute kommt er mit guten Nachrichten.“

TV-Tester: „Gute Nachrichten. Ich hab mal rumtelefoniert und jemanden gefunden, der euch helfen kann.“

(Im Hintergrund hört man „Help!“ von den Beatles, bis es vom Eagles-Hit „New Kid In Town“ überlagert wird.)

(Ein 17-jähriger betritt den Saal.)

TV-Tester: „Das ist der Jonas-Rasmus. Der hat schon mal Alarm für Cobra 11 gesehen. Eine ganze Staffel auf DVD, ohne vorher abzubrechen. Der kennt sich also mit Geduld und Qualität aus. Den schenk ich euch, damit er euer Programm mal aufmöbeln kann.“

(Im Hintergrund hört man die Titelmusik von Tutti Frutti„.)

Off-Sprecher: „Keine leichte Aufgabe für Jonas-Rasmus. Zwar hat er schon mal Alarm für Cobra 11 gesehen, doch es klemmt an allen Ecken und Enden. Zu allem Überfluss zeigt sich die Chefin uneinsichtig.

Tag 4

Off-Sprecher: „TV-Tester Christian Tach hat den Experten Jonas-Rasmus ins Spiel gebracht, um einem unbeholfenen Fernsehsender zurück auf die Beine zu helfen, der ohne ihn aufgeschmissen war. Jonas-Rasmus, ein erfahrener Medienberater, hat sich mächtig ins Zeug gelegt und auf Anhieb 45 neue Qualitätsserien ins Programm gehoben. Doch die Chefin zeigt sich uneinsichtig.“

(Im Hintergrund läuft ein Musikstück, das ich in meinem ganzen Leben noch nie gehört habe.)

Jonas-Rasmus: „Ich hab‘ jetzt mal diese 45 neuen Qualitätsprogramme für heute Abend eingeplant. Das sollte uns die Zuschauer zurückholen. Dafür hab‘ ich mich mächtig ins Zeug gelegt!“

Chefin: „Ich bin mir ja nicht sicher, ob die alle in unser Programmprofil passen… Am Ende mögen unsere Zuschauer das nicht. Wollen wir nicht sicherheitshalber heute Abend 15 Folgen von CSI wiederholen?“

TV-Tester: „Jetzt sei mal nicht so pessimistisch und feige. Was ist denn das für eine Einstellung? Morgen früh wirst du überrascht sein!“

Off-Sprecher: „Christian Tach ermutigt die Chefin, nicht so mutlos zu sein und nicht immer nur schwarz zu sehen. Er ist zuversichtlich. (Im Hintergrund hört man „Won’t Get Fooled Again“ von The Who.) Die 45 neuen Serien werden tatsächlich gesendet. Eine lange Nacht beginnt, das bange Warten auf die Einschaltquote.“

Tag 5

Off-Sprecher: „Nach einer schweren Woche hat TV-Tester Christian Tach mit Unterstützung des Medienmoguls Jonas-Rasmus einem kränkelnden Sender zurück auf die Beine geholfen. (Im Hintergrund singt Rod Stewart „Hot Legs“.)
Die Quoten sind da. Keine der 45 Sendungen hatte weniger als 18 Millionen Zuschauer, der Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe betrug im Schnitt 103,6 Prozent. Christian Tach hat seine Aufgabe getan. Er kündigt an, in ein paar Wochen unangekündigt wiederzukommen.“

TV-Tester: „Ich komme in ein paar Wochen unangekündigt wieder, und dann wollen wir doch mal sehen, wie der Laden läuft.

(Im Hintergrund hört man Eric Carmens „All By Myself“.)

Drei Wochen später

Off-Sprecher: „Christian Tach traut seinen Augen nicht. 43 der 45 ins Programm gehobenen Qualitätsserien sind schon wieder abgesetzt und zwei an die ARD verkauft. Die Marktanteile sind wieder gesunken.“

TV-Tester: „Ja, Kinners. Mehr kann ich auch nicht machen. Wer nicht will, der hat schon. Schon der große Kant hat einmal gesagt: Wenn du…“

(Ohrenbetäubender Sponsorenhinweis und Abspann.)

Michael, 15. September 2008, 14:54.

26 Kommentare


  1. Chapeau, ein Glanzstück der Coachingdokumentation. (Doch die Chefin zeigt sich uneinsichtig.)

  2. tsts, den Link auf die eigene Seite auch noch falsch setzen … vielleicht solltet ihr euch auch so einen Berater ins Haus holen 😉

    http://http//www.fernsehlexikon.de/1118/rach-der-restauranttester/

  3. „und zwei an die ARD verkauft“

    grandios :p

  4. Grandios! Danke!

  5. @ Marco:
    Also gut, wir haben uns wie immer Mady Riehl als Beraterin ins Haus geholt, und die hat festgestellt:
    „Ein http// hatten wir doppelt, das mussten wir abziehen.“

  6. Und wann läuft das? Und wo? Man bin ich gespannt…

    *g*

  7. Ach, ich bin Bodo Bach, der Blogtester. Der Becher ohne Henkel, der Benetzer von Witzen und Weizen…

    Okay, das war jetzt gekalauert.

  8. Hallo Michael!

    Kannst du mal hier reinschreiben wann das neue Buch „Zapp“ erscheint? Überall steht September, aber was genaueres weiß keiner. Will das Ding unbedingt haben….

    GRüße

    Christopher

  9. Hallo Christopher,
    danke für das Interesse. Das Buch wird seit gestern an die Buchhändler ausgeliefert, jetzt müssen sie es nur noch auspacken und feilbieten.
    Ich gehe davon aus, dass es noch in dieser Woche lieferbar sein wird.

  10. Großartig! Und so schön austauschbar… Man nehme die gängigen Floskeln, einen Namen, ein Problem und schon kann`s losgehen mit dem Coaching! Ich mach das jetzt auch. Und dann übernehm ich die Weltherrschaft!

  11. Gute Parodie!

  12. Großartig! Eine fantastische Programmgestalterschelte. Toll zu lesen.

    PS: Ich find den Rach toll, einfach ein symphatischer Kerl der auch mal anpackt.

  13. Ganz großes Kino! 🙂

    Gruß
    Matthias
    (den seine Freundin regelmäßig zwingt, sich das Original reinzuziehen…)

  14. heute versuch nochmal das buch zu bekommen, gestern hatte ich kein glück. gibts nen kleinen auszug für die leserschaft?

  15. @ Christopher: Versuch’s jetzt noch mal!

  16. […] Tach, der TV-Tester – Herrlich geschrieben vom Fernsehlexikon. Vielleicht kommt der TV-Tester ja tatsächlich irgendwann. Nötig wärs schon lange… […]

  17. ROFL! Danke, lange nicht so gelacht… köstlich und treffsicher.

  18. Daniel v. Bülow,

    Herrlich!

    Kleiner Hinweis: „TV-Tester und Sternegucker Christian Tach verzw –> e <– ifelt an einem unzuverlässigen Privatsender mit uneinsichtiger Chefin. Doch heute kommt er mit guten Nachrichten.“

  19. […] Verbunden mit meiner eher negativen Meinung über das deutsche Fernsehen, fand ich die Aktion des Herren ziemlich gut. Und bin sowieso der Meinung, dass die Sender mal wieder auf Qualität achten sollten, anstatt sich mit dümmlichen Sendungen zu übertreffen. Da fällt mir auch grad ein toller Beitrag vom Fernsehlexikon ein: “Tach, der TV-Tester” […]

  20. […] tach, der tv-tester! TV-Tester: „Und überhaupt: Wo sind denn die Höhepunkte, wo ist denn das, was euch auszeichnet?“ […]

  21. […] zu beschränken (plus "Viva la Vida" von Coldplay). Fast immer handelt es sich um die naheliegendste Idee oder den ersten Treffer bei der Titelsuche. Keine Kornfeld-Szene ohne Jürgen Drews; wenn jemand sagt, dass ihm etwas egal ist, kommt […]

  22. […] (Ach so, und wer nicht weiß, wie die Musikauswahl in aktuellen Fernsehproduktionen sonst funktioniert: Michael Reufsteck hat es neulich im Fernsehlexikon wunderbar parodiert.) […]

  23. Viva la vida und die Titelmelodie von „Fluch der Karibik“ fehlen in keiner Sendung.

    Außerdem das dumme Xylophonghoppel aus „Deutschland – ein Sommermärchen“ und – wenns französisch werden soll die Quetschkommode aus „Die fabelhafte Welt der Amelie“

    Ich mag’s nimmer hören….

  24. Klasse Parodie, gefällt mir sehr gut.

  25. Ich bin auch dafür: „Zurück zum Magnettäfelchen”, zum schnelleren Austausch von Programmen. Vielleicht klappt es dann auch wieder mit der suggerierten, imaginären Qualitätsoffensive.

    Das private TV von heute ist Werbeterror am TV-Zuschauer mit Unterbrechung durch eingestreute Filmschnipsel mit angepinten Sekunden-Werbeflyer, die man großkotzig als „Blockbuster”, „Film-Film” oder sonstige Überflieger bezeichnet.

    Und bevor mich der nächste Schockeffekt ganz in den Bann eines Filmes ziehen könnte, werde ich erst einmal zum Kauf von Tampons angeregt oder soll mir nen idiotischen Klingelton „Du bist so scheiße” anschaffen.

  26. […] vorgenommen, lasse ich das Thema Rach und RTL einfach irgendwie unter den Tisch fallen – mit Tach der TV-Tester (hat tip to Herr Paulsen) ist das Wesentliche dazu im Grunde […]



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