Gelbe Gefahr für Mitbewerber

Vielleicht ärgert sich heute ein ProSieben-Programmplaner, dass man Die Simpsons nicht schon viel früher in die Primetime gehoben hat.

Gut, vor acht Jahren liefen ebenfalls mal neue Folgen am Montagabend, damals um 21.15 Uhr, aber seit sechseinhalb Jahren wohnten diese Simpsons wieder exklusiv im Vorabendprogramm. Sechseinhalb verschwendete Jahre.

Zum Start der neuen Staffel erreichte die Serie gestern ungekannte Einschaltquoten: Glatt drei Millionen Menschen sahen die zweite der beiden neuen Folgen, unwesentlich weniger die erste. Das sind mehr als doppelt so viele Zuschauer wie sonst am Vorabend, was zunächst nur mittelverwunderlich ist, weil um 20.15 Uhr ja insgesamt deutlich mehr Menschen fernsehen als am Vorabend. Interessant ist deshalb, dass auch der Marktanteil von 19 Prozent in der frei erfundenen werberelevanten Zielgruppe deutlich über dem lag, was Die Simpsons am Vorabend erreichen. Dabei war die Konkurrenz nicht einmal klein: Im direkten Gegenprogramm liefen Wer wird Millionär?, CSI: NY und der Sat.1-Eventzweiteiler Wir sind das Volk – Liebe kennt keine Grenzen. Alle wurden geschlagen, Marktführer waren Die Simpsons. Eine Serie, die das ZDF einst für ein Kinderprogramm hielt, hat sich im Hauptabendprogramm etabliert.

Natürlich muss sich zeigen, ob sich diese Quoten in den nächsten Wochen halten können, wenn jeweils nur noch eine neue Folge gepaart mit einer Wiederholung kommt. Dass ein großer Neugiereffekt, der wieder abflauen könnte, gestern eine besondere Rolle gespielt haben könnte, ist allerdings eine absurde Vorstellung bei einer Serie, die seit 18 Jahren bei uns läuft und schon 400 Folgen auf dem gelben Buckel hat.

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Michael, 7. Oktober 2008, 09:22.

22 Kommentare


  1. Naja, ist aber die erste Staffel nach dem Film, insofern könnte ich mir durchaus vorstellen, dass einige aus Neugier eingeschalten haben, die die Serie vorher eben für Kinderprogramm gehalten haben und erst seit dem Film „ernst nehmen“. Viele dürften das aber tatsächlich nicht sein.

  2. Wenn ich mich richtig an den Film erinnere, vernachlässigt ein fetter, fauler, alkoholkranker gelber Vater wegen eines Ferkels seinen Sohn, der daraufhin nackt auf dem Skateboard durch die Stadt fährt und an der Scheibe eines Restaurants hängen bleibt, wo sein Gemächt nur durch ein Fischstäbchen verdeckt wird.

    Bestimmt nimmt den Film jemand ernst.

  3. @Zirfeld:
    Könnte also auch bei RTL als Doku-Soap laufen, von daher stimmen die Quoten wieder.

  4. @ Sebastian: Kommt mir auch abwegig vor. Zwar waren die beiden Folgen gestern die ersten nach dem Kinofilm, die in den USA im Fernsehen gezeigt wurden, aber bei uns sind seitdem ein Jahr und eine ganze neue Staffel vergangen. Der Neugiereffekt hätte also zum Start der letzten Staffel im Herbst 2007 eintreten müssen.

  5. Es war eine Pommes, kein Fischstäbchen, glaube ich.

  6. @Michael wirklich, wurde die letzte Staffel erst nach dem Film bei uns gezeigt? Hatte ich anders in Erinnerung, aber in dem Fall wirkt das ganze natürlich wirklich etwas abwegig

  7. Dass das die direkte Staffel nach dem Film in Amerika ist, haben auch einige sehr witzige Anspielungen gezeigt. Z.B. das Schwei bei Homer auf dem Sofa oder der Tafelvorspann der ersten Folge.

  8. Nils die Maus,

    „Interessant ist deshalb, dass auch der Marktanteil von 19 Prozent in der frei erfundenen werberelevanten Zielgruppe“

    Herrlich …

    Aber mal eine ehrliche Frage:
    Wie kam es eigentlich mal dazu, dass diese und andere völlig absurde Messrelevanzen (Z.b. die Einschaltwuote an sich, wie sie gemessen wird)
    sich etablieren konnten?
    Wie kann man ein Programm für über 80 Millionen kreieren, heruntergerechnet auf ca. 6000???
    Und wieso spiegelt sich der Preis der Werbung danach? Aus Mangel an Alternativen? Faulheit? „Das war schon immer so!“?

  9. Nachdem Pro7 die erste Werbung mitten in einem von Homers Sätzen eingeblendet hat, nicht ohne ihm natürlich das Wort abzuschneiden, hab ich abgeschaltet…

  10. Wenn ProSieben richtig mutig wäre, dann würden sie danach gleich noch was nettes programmieren, etwa How I Met your Mother, aber das muss vermutlich auch erst 6 jahre im Mittagsprogramm laufen 🙂

  11. @ Nils die Maus:

    Wie schon gesagt: Diese werberelevante Zielgruppe ist frei erfunden, und zwar vom ehemaligen RTL-Boss Helmut Thoma.
    Großartige Geschichte. Steht u.a. hier:
    http://www.wunschliste.de/index.pl?news&newsid=3711

    Thoma orientierte sich dabei am US-Sender ABC, der diese Zielgruppe ein paar Jahre früher ebenfalls willkürlich erfand.

    Und was die Messung angeht: Die Zusammensetzung dieser 6000 Quoten-Zuschauer mag zwar extrem fragwürdig sein, aber grundsätzlich kann man 80 Millionen Deutsche problemlos auf etwa 6000 runterrechnen und ein repräsentatives Ergebnis bekommen. Die politischen Sonntagsfragen und Wahlprognosen zum Beispiel werden meist sogar nur bei etwa 1000 Personen durchgeführt. Und die Resultate sind zwar nie Punktlandungen, aber doch meistens in der Nähe der Wahrheit.

  12. Ich frage mich, warum testen Sender, besonders die, die in der Krise sind und ehh fast nix zu verlieren haben, eigentlich nicht bei den Genres herum. Ich kann es nur begrüßen, wenn weitere Anime in der Primetime liefen würden. Darunter gehören auch die eigentlich sehr gut laufenden Serien auch aus dem Japanischen Raum wie One Piece, Detektiv Conan, etc. Ich kenne leider nicht die Einschaltquoten in Japan. Wieso wird das hier in Deutschen Fernsehen immer als Kinderprogramm angesehen und dementsprechend geschnitten?

    Aber besser nix erneuern. Alles beim alten lassen. Das ist manchmal enttäuschend…

  13. Wahrscheinlich weil die von dir genannten Serien auch in Japan eher der jüngeren Zielgruppe (10-15J) zugeordnet werden. Anime hat in Japan bis auf ein paar Dauerbrenner im Fernsehen (die in der westlichen Welt so gut wie unbekannten Doraemon,Sazae-san etc, die ununterbrochen seit 1970 und länger laufen) so gut wie irrelevante Einschaltquoten. Naruto hat z.B. ~ 5% Marktanteil, One Piece liegt bei ~10%.
    Und das sind die Top Shounen Jump-Titel. Neben den Shounen Jump Serien gibt es dann noch einen Programmslot um 18:00, auf dem so Sachen wie Gundam oder Code Geass laufen, der größte Teil aller Anime wird im Nachtprogramm versendet und hat Einschaltquoten von 1-4% (nun ja, kein Wunder, wer schaut schon um 2 Uhr Nachts Fernsehen, da läuft viel über Videorekorder, was nicht gemessen wird).
    Alle Angaben für August 08 in der Kantou-Region (
    http://www.videor.co.jp/data/ratedata/top10.htm#comic)

    Trotzdem haben Anime/Manga natürlich einen anderen Stellenwert als hier, so sind z.B. die Opening/Ending Songs von Serien regelmäßig Platz 1 in den Charts etc.

    Ich würde mich ja über Monster http://de.wikipedia.org/wiki/Monster_(Manga) freuen, die Serie Spielt sogar in Deutschland, ist ein Krimi und hat einen realistischen Zeichenstil, also nichts mit Kulleraugen etc. Bei 74 Episoden hat man auch genügend Material um das in Doppelfolgen zu versenden. Das Problem dürfte nur sein, dass eine durchgängige Geschichte erzählt wird, und so etwas läuft sehr häufig nicht gut im TV (bzw wird so schnell wieder abgesetzt, dass sich keine Zuschauergemeinde etablieren kann)

  14. @Michael:

    Ich kopiere hier mal eine Frage rein, auf die ich in einem anderen Forum keine Antwort bekommen habe. Vielleicht kennst du dich als „Profi“ etwas besser aus (Sorry fürs Off-Topic).

    >>>Nochmal ne Frage bzgl. der Einschaltquoten: wie lange müssen eigentlich die Leute mit Teleboxen eine Sendung verfolgen, um anchließend zur Hochrechnung auf die (bspw.) 15Mio bei Wetten dass… beizutragen? Wenn die jetzt nach 15 Minuten umschalten, weil sie die Klamotten von Gottschalk nicht ertragen, dann nach weiteren 20Minuten wieder umschalten, weil sie den Anfang des Action-Films verpasst haben und sich nicht “reinfinden”, schließlich nur noch die letzten 07:34Minuten der tollen Tierdoku miterleben, zählen die dann für alle 3 Sendungen? Von dauernervösen Zappern mal ganz zu schweigen. Oder zählen die gar doppelt, wenn sie nach 1,5h wieder zu Thommy zurückschalten, weil “ja sonst eh nichts läuft”?

  15. euphoriefetzen,

    @PabloD
    gefährliches halbwissen:
    ich glaube gelesen zu haben, das diese messungen dynamisch erfolgen, wenn du (und einige andere) also mitten in der sendung auf ein anderes programm umschaltest, verliert „wetten, dass“ nach einer stunde halt x% und die sendungen auf die geschalten wurden gewinnen y%. die einschaltquoten einer sendung liegen in der regel mit einer zeitachse vor, angegeben werden aber oft nur die peaks.

  16. [Zitat von Mathias]
    so gut wie irrelevante Einschaltquoten. Naruto hat z.B. ~ 5% Marktanteil, One Piece liegt bei ~10%.
    [Zitat Ende]
    10% Marktanteile ist schon viel mehr als ich erwartet hätte. Nur ich vermisse doch irgendwelche Weiterentwicklungen seitens der Sender. Hauptsache billig zu produzieren und alt gewohntes oder irgendwelche Skandale hineinschreiben… *kopfschüttel*

  17. Nils die Maus,

    @ Michael
    Vielen dank für die ausfürhliche Antwort.
    Aber warum stütz sich die Werbeindustrie so vehement auf diese nachweislich erfundene Zielgruppe? Wie schon in dem Bericht zu lesen war, ist 49 Jahre gar kein richtiger Schnitt. Erinnert etwas an „6 aus 49“ …

    Ich finde persönlich trotzdem 6000 auf 80000000 hoch zu rechnen sehr fragwürdig. Somit steht ein GFK-Nutzer für ca. 13333.
    Ich kenne die genauen Auflagen nicht, wenn jmd so ein Gerät zuhause hat, ob und wie viel er TV zu schauen hat. Wie schauts mit Leuten wie mir aus, die selten TV schauen, und dann meistens Polittalk, Zimmer frei, etc … zähle ich dann gar nicht? Bzw wer steht stellvertretend für mich?
    Würde mir die GFK solch ein Gerät bereitstellen, wenn ich sage, ich schaue unregelmäßig 4-5 Stunden TV die Woche?

  18. @Nils: Für die Repräsentativität einer Untersuchung ist die Zahl der befragten Menschen zunächst einmal zweitrangig. Man kann auch auf der Basis von 500 Befragten eine für Deutschland repräsentative Studie machen – solange diese Menschen durch geeignete (statistische) Methoden nur repräsentativ ausgewählt werden. Durch die Zahl der Befragten schrumpfen dann nur die Fehlerbalken (die leider in Deutschland fast nie angegeben werden). Für Einschaltquoten, die aufs Zehntel genau sein sollen, braucht man dann daher ein paar Tausend Zuseher.
    Viel wichtiger ist aber wie gesagt die Auswahl dieser Leute, um sicherzustellen, dass unter ihnen (stark vereinfacht gesagt) der Anteil an Polittalk-und-Zimmer-Frei-Fans genauso groß ist wie in der Gesamtbevölkerung.

  19. Ob eine bestimmte Eingrenzung auf eine werberelevante Zielgruppe frei erfunden wurde oder nicht, spielt doch überhaupt keine Rolle. Der Computer, das Internet, wie man zum Mond kommt, wie Bier gebraut wird oder der Name der Rose, wurden auch frei erfunden. Wenn man damit etwas anfangen, es sogar verkaufen und dafür Geld bekommen kann, wird es vermutlich auch eine Berechtigung haben. Das manche Firmen versuchen, nicht nur in der „werberelevanten Zielgruppe“ ihre Prostatamittel zu verkaufen, sieht man ja an den öffentlich-rechtlichen Sendern. Ist doch in Ordnung.

  20. Was ist denn jetzt schon wieder passiert? Simpsons wieder abgesetzt? „Der Seewolf“ wird doch wohl mit Abstand weniger Zuschauer erreichen, als die gelbe Familie. buuuuuh!

  21. […] Leute, also auch außerhalb der frei erfundenen Zielgruppe der 14- 49-Jährigen (den Gag habe ich Michael vom Fernsehlexikon geklaut) DSDS schauen, als diese seltsamen Shows auf ARD und ZDF. Ich hab beim zappen gestern mal […]

  22. […] im Programm stärken, und mit den Simpsons hatte der Sender in der Vergangenheit auch schon Montags Erfolg. Es hat allerdings lange Zeit gedauert, bis sich ProSieben dazu durchringen konnte die Simpsons in […]



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