Die Rudi-Carrell-Show

1965–1973 (ARD). Einstündige Personality-Show von und mit Rudi Carrell, die etwa alle zwei Monate live zur Primetime lief. Carrell präsentierte gemeinsam mit seinen Gästen Musik und Sketche, die sich in jeder Sendung mit einem anderen Schauplatz befassten, der auch das Bühnenbild darstellte: ein Campingplatz, ein Bahnhof, ein Kaufhaus, eine Messe, ein verstopfter Grenzübergang usw. Die Gäste waren teilweise prominent, oft aber auch noch unbekannt und hatten bei Carrell Fernsehpremiere. Spiele mit Kandidaten, wie in Carrells späteren Shows, gab es hier noch nicht.

Es war die erste Show von Rudolf Wijbrand Kesselaar, wie Carrell eigentlich heißt, im deutschen Fernsehen. Er war erst 30 Jahre alt, aber gleichzeitig Ideengeber, Texter und Regisseur – und bald der beliebteste „Gastarbeiter“ in Deutschland. Die aufwändigen Bühnenbilder baute Wilhelm Lämmerhirt. Am 03. Oktober 1964 hatte die ARD bereits eine halbstündige Sendung unter gleichem Titel ausgestrahlt. Es war die gleichnamige Show des holländischen Fernsehens, die Carrell dort schon seit 1959 und noch bis 1972 moderierte. Die ARD sendete sie im Originalton mit deutschen Untertiteln.

In einer Sendung wandte sich Carrell direkt an die Fernsehzuschauer und sagte: „Sie sehen mich jetzt im Großformat. Malen Sie meinen Kopf auf ihrem Bildschirm nach, und schicken Sie Ihren Fernseher an den WDR. Der Sieger bekommt ein neues Gerät.“ Tatsächlich folgten 66 Zuschauer dieser Aufforderung. Wolfgang Kurek aus Bremen gewann den Fernseher.

Ab 1988 moderierte Carrell in der ARD eine neue Show mit gleichem Titel, aber anderem Konzept.

Anna und das Carrièreende (Spoiler)

Matthieu Carrière, der einzige Schauspieler in Anna und die Liebe, verlässt die Telenovela. Sat.1 teilte heute Nachmittag mit, seine Figur, der Seniorchef der Werbeagentur Broda & Broda, sterbe in einer Doppelfolge am 2. April einen „dramatischen Tod“.


Foto: Sat.1

Das ist aber nicht der Spoiler, das ist eigentlich egal.

Der Spoiler ist, dass wir dadurch (womöglich) jetzt schon wissen, dass diese Serie im April immer noch auf Sendung ist. Wer hätte damit gerechnet?

Schlagwörter: ,
Michael, 19. Februar 2009, 16:45.

Grüße aus dem Glashaus

Schon immer zog es viele Radiomoderatoren früher oder später ins Fernsehen. Vor Urzeiten taten sie dies noch, um auch dort Sendungen zu moderieren. Das ging, weil es damals noch Popsender gab, die Moderatoren bevorzugten, die moderieren konnten, weil dies für das damalige Radioprogramm hilfreich war. Heute sind bei vielen Sendern keine Fähigkeiten mehr gefragt, die über das möglichst häufige Aufsagen hauseigener Werbebotschaften hinausgehen, weshalb es nun diese Moderatoren nur noch ins Fernsehen zieht, um ihre Werbebotschaften auch dort zu verbreiten.

Vergangene Woche verdeutlichte der sog. „Morgenhans“, wie tief die Morgenniveaulatte  seines Senders Big FM liegt, indem er bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest seiner Co-Moderatorin an die Brust fasste, damit er zwei Tage später in der Bild am Sonntag steht. (Bitte lesen Sie dazu unbedingt den Kommentar von DWDL-Chefredakteur Thomas Lückerath.)

Heute zieht offenbar ein Mann namens Kunze, der beim Privatsender RPR1 die Morgensendung schreit, ins Big-Brother-Haus ein, was Big Brother auf seiner Internetseite gar nicht, aber RPR1 auf seiner groß erwähnt. RPR1 legt Wert auf die Feststellung, dass Kunze „eine Nacht neben einem Porno-Star“ verbringen dürfe.

Vielleicht ist das das Problem des deutschen Popradios: Es kümmert sich nur noch um größtmögliche, bedingungslose Öffentlichkeitswirkung. Aber ums Programm kümmert sich keiner.

Sogar das Fernsehen gibt sich mehr Mühe.

Schlagwörter:
Michael, 17. Februar 2009, 18:42.

Das RTL-Nachtragsjournal

RTL feiert heute den 15. Geburtstag seines Nachtjournals. Das ist einigermaßen logisch, denn das RTL-Nachtjournal ging zum ersten Mal am 3. Januar 1994 auf Sendung, und seit dem 3. Januar 2009 musste RTL ja zunächst einmal wochenlang den Geburtstag des ganzes Senders feiern, da konnte man sich nun wirklich nicht um jede einzelne Sendung kümmern.

RTL sollte das um sechs Wochen verpennte Ereignis bloß nicht nutzen, um für seine enorme Aktualität zu werben.

Das Nachtjournal setzte Maßstäbe, denn vorher war kein Sender auf die Idee gekommen, dass man seine Zuschauer auch nachts noch informieren könnte, und seitdem machen es alle. Und für die ersten zehn Jahre hatte RTL noch ein anderes Alleinstellungsmerkmal: Heiner Bremer.

Was soll’s also, feiern wir eben mit.

Schlagwörter: ,
Michael, 16. Februar 2009, 06:38.

RTL-Nachtjournal

Seit 1994 (RTL). Halbstündiges werktägliches Nachrichtenmagazin um Mitternacht: Berichte, Kommentare, Interviews und Analysen zum Geschehen des Tages.

Das Nachtjournal war zentraler Bestandteil einer großen „Informationsoffensive“ von RTL-Chef Helmut Thoma. Vorbild war vermutlich die Sendung Nightline des amerikanischen Networks ABC. RTL bot als erster deutscher Sender zu so später Stunde noch so umfassende Nachrichten an – und hatte damit Erfolg. Alle anderen zogen später nach (heute nacht, Nachtmagazin, Die Nacht), erreichten aber nicht die Zuschauerzahlen von RTL. Anders als ARD und ZDF, deren Nachtmagazine boulevardesker waren als die Hauptausgaben, setzte RTL gerade nachts auf Themen aus Politik und Wirtschaft, präsentierte sie aber häufig in parteiischer, populistischer oder polemischer Form. Die „FAZ“ urteilte: „Wer Hintergrundberichte und Moderationen schätzt, die wenig Fakten und viel Emotion transportieren, stets ein und dieselbe politische Präferenz erkennen lassen, sich nicht an haufenweise verpatzten Interviews stört und auch Gefallen an der klassischen Betroffenheitsberichterstattung findet, ist hier genau richtig.“


Foto: RTL

Moderator war genau zehn Jahre lang Heiner Bremer (Foto), der frühere Chefredakteur des „Stern“, der mit vielen verstammelten Moderationen und häufig panischer Suche nach der richtigen Kamera regelmäßig Zielscheibe des Spotts etwa von Stefan Raab war, aber mit seiner Ungelenkigkeit und den weißen Haaren offenbar in den Augen der RTL-Zuschauer irgendwie für Seriosität bürgte. Seine Urlaubsvertretung war zunächst Anna Doubek, später meist Michael Karr. Anfang 2004 wurde Susanne Kronzucker neue Hauptmoderatorin, Christof Lang neuer Redaktionsleiter, der eine Woche im Monat selbst moderierte. Bremer hatte beide Posten innegehabt. Kronzuckers drei Wochen übernahm ab 2008 Ilka Essmüller.

Logo: Kopfsache!

Wichtig für ein Senderlogo ist, dass es in den Köpfen der Menschen hängenbleibt. Marketing- und Designstrategen wissen das und berücksichtigen es bei der Entwicklung.

Dabei ist die Mühe überflüssig. Die meisten Logos bleiben ganz von selbst in den Köpfen der Menschen hängen. Schauen Sie mal:

Screenshots: Jeweiliger Sender

Nur ein Sender in Deutschland rennt mit seinem Logo nicht die Köpfe der Menschen ein: RTL2, wo das Logo nicht in einem der oberen, sondern im unteren Eck eingeblendet ist.

Vor einer Woche fragte uns unser Leser Torben, warum das so ist. Wir haben die Frage an RTL2 weitergeleitet, bisher aber keine Antwort erhalten.

Womöglich weiß RTL2 die Antwort gar nicht und hat sich das einfach in den USA abgeguckt, wo man sich ja alles abguckt. Dort zeigen alle Sender ihr Logo unten. Und dass dies ein Akt der Zuschauerfreundlichkeit ist, damit keine Gesichter, sondern allenfalls Bäuche, Beine oder Kleidungsstücke verdeckt werden (oder im Falle von RTL2 Geschlechtsteile), ist demnach womöglich ein Versehen.

Michael, 14. Februar 2009, 20:30.

Pinkelpause

Wir unterbrechen für eine Eilmeldung über die Häufigkeit, mit der Menschen zum Urinieren nicht die Toilette benutzen, im Verhältnis zu ihrem Lebensalter.

(Aus der neuen Show Important Things with Demetri Martin, die hier bereits angekündigt wurde und heute in den USA Premiere hat.)

Michael, 11. Februar 2009, 07:20.

Robert Stromberger ist tot

Die größte Bekanntheit, vor allem bei Menschen, die heute noch fernsehen, erlangte der Drehbuchautor Robert Stromberger durch Diese Drombuschs, einen der größten Erfolge der deutschen Seriengeschichte.

Die meisten Diskussionen verursachte seine Serie Tod eines Schülers.

Die meisten Serien aus einem Stoff schuf er mit PS, PS —  Brodzinski und PS — Feuerreiter

Aber wir haben Robert Stromberger auch zu verdanken, dass Inge Meysel die Mutter der Nation wurde. Schon 1965 schuf er Die Unverbesserlichen, die zwar jährlich mit nur einer Folge zu sehen waren, aber ebenfalls TV-Geschichte schrieben.

Robert Stromberger starb im Alter von 78 Jahren in Darmstadt.

Michael, 10. Februar 2009, 12:02.

Die Unverbesserlichen

1965–1971 (ARD). 7-tlg. dt. Familienserie von Robert Stromberger, Regie: Claus Peter Witt.

Familie Scholz hat weder Geld noch Manieren. Ständig hängt der Haussegen in der Berliner Mietwohnung schief, weil die Bewältigung der Alltagsprobleme nicht so einfach ist, die Interessen der einzelnen Familienmitglieder auseinandergehen, es hinten und vorne nicht reicht und sich jeder im Zweifelsfall selbst der nächste ist. Baukostenzuschüsse, Ratenzahlung, Taschengeld, Schulgebühr, Krankenversicherungsbeiträge, Sparmaßnahmen, Gehaltserhöhungen und Autofinanzierung – alles wird debattiert oder, schlimmer: nicht debattiert. Vater Kurt (Joseph Offenbach) arbeitet als Buchhalter, Mutter Käthe (Inge Meysel) verdient mit Näharbeiten etwas dazu. Sohn Rudi (Gernot Endemann) arbeitet anfangs bei der Post, liebäugelt aber mit einer Fußballerkarriere. Aus Geldmangel wohnt zunächst auch Tochter Doris (Monika Peitsch) noch zu Hause, obwohl sie bereits verheiratet ist und mit ihrem Mann Helmut Wichmann (Ralph Persson) ab der 2. Folge einen Sohn namens Michael (Michael Hornauf) hat. Die jüngere Scholz-Tochter Lore (Helga Anders) geht aufs Gymnasium und verlässt die elterliche Wohnung nach drei Folgen, um als Austauschstudentin nach Paris zu gehen, wo sie sich verlobt. Weitere Lieblingsthemen nach Geld, Geld und Geld sind Fußball und kaputte Radios und Fernseher. Kurt macht es Spaß, Elektrogeräte zu reparieren, was natürlich noch längst nicht heißt, dass sie danach auch funktionieren. Im zweiten Teil wird Kurt unverhofft in den Ruhestand versetzt, und Käthe muss nun sehen, wie sie ihren gelangweilten Mann den ganzen Tag zu Hause bei Laune hält. Darüber berichtet sie dann ihrer Tochter Doris, die inzwischen ausgezogen ist: „Heute war bei uns ein ganz großer Glückstag. Lores Taschenradio ist runter gefallen!“ – Doris: „Schade, dass unseres nicht kaputt ist.“ In der ersten Folge wohnt noch Tante Herta (Gerda Gmelin) mit in der Wohnung, danach nervt Oma Köpcke (Agnes Windeck), die Kurt und Käthe am liebsten ins Heim abschieben würden. Rudi heiratet Dagmar (Reinhilt Schneider), bekommt eine Tochter und findet einen Job als Gebrauchtwagenhändler. Die unglückliche Ehe von Doris wird geschieden und sie heiratet 1971 in der letzten Folge den wohlhabenden Architekten Jürgen Hechler (Günter Pfitzmann). Jetzt sind endgültig alle Kinder aus dem Haus.

Die Unverbesserlichen waren der Gegenpol zu den damaligen Heile-Welt-Serien. Erstmals war eine Familienserie im Milieu der „kleinen Leute“ angesiedelt und beschönigte nichts. Keines der Mitglieder war im Grunde böse, aber sie stritten und brüllten (Kurt war im ersten Teil noch fast ununterbrochen übellaunig und schlug sogar seine Tochter, ab dem zweiten Teil wurde er etwas freundlicher) und hatten Geheimnisse voreinander. Als Kurt einen Autounfall hatte und sich auf der viel zu teuren Couch ausruhen muss, aber niemand wissen soll, dass er überhaupt ein Auto besitzt, spielte Käthe auf die besorgte Nachfrage der Kinder, was mit Papa sei, die Situation herunter: „Nichts. Ein Herzanfall“.

Die Serie basierte auf einem Theaterstück, das Stromberger 1956 geschrieben hatte. Sie war brillant durch ihre lebensnahen Dialoge und die Genauigkeit, mit der sie fern aller Klischees zeigte, wie viel Anstrengungen es kostet, miteinander auszukommen, selbst wenn alle es irgendwie gut meinen. Und oft genug meinten sie es nicht gut, sondern weigerten sich, aus Fehlern zu lernen. Die Unverbesserlichen waren damit ein früher Vorgänger von Strombergers Erfolgsserie Diese Drombuschs.

Obwohl jedes Jahr nur eine einzige Folge lief – meistens am Muttertag und jeweils in Spielfilmlänge – wurde die Serie eine der bekanntesten im deutschen Fernsehen. Als realistische, ungeschönte Darstellung des Alltags einer kleinbürgerlichen Familie traf den Nerv der Nation. Inge Meysel erlangte bundesweite Popularität und bekam mit der gluckenhaften, resoluten, aber immer leicht schmollenden Käthe für immer den Stempel „Mutter der Nation“. Während der Dreharbeiten zerstritt sich Stromberger mit ihr, weil sie sich bei ihren Texten nicht genau an seine Vorgaben hielt.

Fünf Monate nach der Ausstrahlung der letzten Folge starb Hauptdarsteller Offenbach am 15.10.1971.

Ein unmöglicher Mann

2001 (ZDF). 5-tlg. dt. Fernsehfilm nach Geschichten von Robert Stromberger.

Axel (Stefan Kampwirth) studiert Pharmazie und ist manchmal ein Ekel. Er hat keinen Führerschein, fährt aber Auto und liest eines Tages unterwegs Anneli (Svenja Pages) auf. Sie ist eine Zicke und beide heiraten. Es folgt eine verkorkste Ehe und die Scheidung nur ein Jahr später.

Die spielfilmlangen Folgen liefen zur Primetime.

Blättern:  1 2 3 4 5


Das Buch

die Autoren

Weitere Bücher

New York für Fern-SeherDie kleine House-Apotheke

Links