Homeweh

Spoiler-Warnung: Wer in den vergangenen drei Wochen vom Carries hysterischem Dauergekreische in Homeland genervt war: Heute wird’s nochmal genauso. Aber am Ende der heutigen Episode hört sie endlich mit damit auf, und die Handlung beginnt. Dann bemüht sich die Serie, für den Rest der Staffel diese völlig verkorksten ersten vier Folgen wiedergutzumachen. Damit wir nach Folge 12 sagen können: Sie haben sich stets bemüht.

Michael, 30. März 2014, 15:12.

Tanti auguri, Mario!

Terence Hill wird heute 75. Was macht der Mann eigentlich?

Nun, er ist heute ein gefragter Fernsehschauspieler. In Italien jedenfalls. Dort spielt er in gleich zwei aktuellen Serien die Hauptrollen: In Un passa dal cielo einen Förster, und in Don Matteo einen Pfarrer, der Kriminalfälle löst. Vor allem letztere Serie ist ein langjähriger Erfolg: Seit 14 Jahren läuft sie, sie ist in der neunten Staffel, und diese Woche wurde in Italien die 190. Folge gezeigt. Die Frage ist: Warum läuft sie nicht bei uns? Schon die Rolle klingt doch wie direkt aus den Programmen von ARD und ZDF entsprungen?


Screenshot: iTunes/RAI

Don Matteo ist ein klassischer Schmunzelkrimi in der Provinz mit verschrobenen Charakteren und einem gewieften Pfarrer im Mittelpunkt. Und ohne Prügeleien. Wenn man sich die ersten Folgen ansieht, ist das alles recht langsam und betulich. Man muss allerdings bedenken, dass diese im Jahr 1999 gedreht wurden. Das Fernsehen war noch ein anderes. Es war die Zeit, als es CSI, 24 oder The West Wing noch nicht gab. Deutsche Erfolgsserien waren Dr. Stefan Frank, Stadtklinik und Hallo Onkel Doc. Es war noch dasselbe Jahrzehnt, in dem Ein Schloss am Wörthersee lief. Und das waren nur Beispiele aus dem Privatfernsehen. RTL hatte damals Interesse an Don Matteo, nahm aber doch wieder Abstand. Immerhin zwei Folgen sind synchronisiert worden, sogar mit Thomas Danneberg, der bekannten deutschen Synchronstimme von Terence Hill, und mit ein paar flapsigen Sprüchen, wie man sie von ihm gewohnt war. Die beiden Folgen sind im deutschen iTunes-Store erhältlich.

Heute würde eine solche Serie natürlich nicht mehr zu RTL oder Sat.1 passen. Aber weiterhin zu ARD und ZDF. Deren Programm hat sich ja seit den 90ern glücklicherweise nicht maßgeblich weiterentwickelt. Auf einem Sendeplatz am Dienstag um 20.15 Uhr im Ersten oder am Samstag um 19.25 Uhr im ZDF würde sich Don Matteo prima einfügen. Mit fast 200 vorliegenden Folgen könnte man auch gleich eine tägliche Ausstrahlung in den dritten Programmen angehen.

Fernsehserien aus Deutschland und Italien sind ganz offensichtlich mit den Geschmäckern der Zuschauer im jeweils anderen Land kompatibel. Nirgendwo außerhalb des deutschsprachigen Raums waren und sind so viele deutsche Serien so populär wie in Italien: La casa del guardaboschi (Forsthaus Falkenau) , Un dottore tra le nuvole  (Der Bergdoktor), Un ciclone in convento (Um Himmels Willen), Homicide Hills – Un Commissario in Campagna (Mord mit Aussicht), 14° Distretto (Großstadtrevier), Squadra speciale Cobra 11 (Sie ahnen es) und natürlich L’ispettore Derrick. Als Sat.1 die österreichisch-deutsche Koproduktion Kommissar Rex absetzte, ging das italienische RAI sogar soweit, die Serie einfach selbst weiterzudrehen, jetzt angesiedelt in Rom. Diese Folgen wiederum zeigte in Deutschland da ZDF.

Terence Hill war und ist hierzulande ein großer Star. Als seine Prügelkomödien mit Bud Spencer aktuell waren, traten die beiden ständig in großen Unterhaltungsshows wie Am laufenden Band oder Wetten, dass…?  auf. Die Filme laufen heute noch oft und mit nennenswertem Erfolg. Die Fans sind noch da.

Ob die Serie Don Matteo in Deutschland tatsächlich hätte erfolgreich etabliert werden können oder das sogar jetzt noch möglich wäre, kann man natürlich nicht sagen. Dass es niemand überhaupt versucht hat, finde ich sehr schade.

Michael, 29. März 2014, 06:47.

Verdeckte Ausstrahlung

Wenn eine US-Serie schon in der Heimat nach weniger als 13 Folgen abgesetzt wird, erreicht sie das deutsche Fernsehen in vielen Fällen gar nicht erst. Warum auch? Oft kaufen Sender allerdings große Programmpakete bei Produktionsriesen, die dann auch solchen Restmüll enthalten. Womöglich zur Polsterung der Erfolgsware, wie wenn man ein Paket verschickt und es mit alten Zeitungen ausstopft. Und für diese Fälle gibt es dann Restmüll-Sender wie RTL Nitro, die dafür da sind, das zu senden, was ihre großen Muttersender für nicht mehr oder gar nicht erst verwertbar halten.

Undercovers ist ein solcher Restmüll, dessen wenige Folgen ab heute um 22.00 Uhr in Dreierblöcken bei RTL Nitro versendet werden. Dabei hatte der Sender NBC große Hoffnungen in die Agentenserie von J.J. Abrams gesteckt, die als eine Art modernes Hart aber herzlich daherkommen sollte und durch eine ungewöhnliche Hauptdarsteller-Paarung auffiel. Nicht nur waren beide schwarz — ja, das ist immer noch ungewöhnlich im US-TV — keiner von ihnen war Amerikaner. Boris Kodjoe war in Gundelfingen bei Freiburg aufgewachsen und als Jugendlicher Fan von Simon & Simon. Kodjoe freute sich deshalb besonders, mit Gerald McRaney, einem der damaligen Hauptdarsteller, gemeinsam in Undercovers spielen zu dürfen. Wenn auch nicht sehr lange.

Undercovers startete im September 2010 in den USA und war abgesetzt, bevor das Jahr zu Ende war. Es gibt keinen Grund, sich intensiver mit der Serie zu befassen, aber es reicht mir als Anlass, den Fernsehlexikon-Podcast noch einmal auszugraben, in dem Boris Kodjoe vor vier Jahren während einer Drehpause von früher erzählte, von seinen Lieblingsserien und vom Produktionsvorlauf im amerikanischen Fernsehen. Genau wie wenig später die Serie endete auch unser Telefonat damals vorzeitig. Kodjoe musste es unterbrechen, weil er zur Arbeit gerufen wurde und rief danach nie zurück.

Hier entlang bitte.

Michael, 28. März 2014, 06:58.

How I Stretched Your Show

Grandiose Sitcom voller Witz und Charme.

Der beste Serienstart der Saison.

Mit diesen zurückhaltenden Worten pries ich vor fünfeinhalb Jahren die Deutschlandpremiere einer Serie namens How I Met Your Mother am Samstagnachmittag an.


Foto: CBS

Was ist seitdem geschehen? Nach einem aus Quotensicht bescheidenen Start, wie ihn fast alle Sitcoms in Deutschland verzeichnen, baute sich die Serie allmählich und durch Weitererzählen einen festen Fankreis auf. 2010 begann die Dauerschleifenwiederholung im täglichen Vormittagsprogramm. 2011, mit Beginn der fünften Staffel, beförderte ProSieben die Serie in die Primetime am Mittwoch. 2012 kam die Wiederholungsschleife mit mehreren Folgen an jedem Nachmittag dazu. Im August 2012 ermittelte DWDL, dass ProSieben in den vorausgegangenen 12 Monaten 2045 Folgen von How I Met Your Mother gezeigt hatte, darunter 162 verschiedene. Umgerechnet 5,6 Folgen an jedem verdammten Tag des Jahres. Kein Sender zeigte irgendeine Serie häufiger (die einzige Serie mit mehr Sendeterminen im gleichen Zeitraum war Sturm der Liebe, allerdings verteilt auf acht Kanäle: Das Erste und alle dritten Programme). Trotzdem zeigte How I Met Your Mother keine Ermüdungserscheinungen. Man darf die Sitcom also getrost als Erfolg bezeichnen.

Der US-Sender CBS, bei dem die Serie anfangs jedes Jahr von der Absetzung bedroht war, erkannte das Potenzial zum Dauerbrenner zwischenzeitlich auch. Heute ist HIMYM  dort nach The Big Bang Theory die zweiterfolgreichste Serie in der Zielgruppe.

Auf der inhaltlichen Seite bewegte sich HIMYM von der Frage weg, wie Ted die Mutter seiner Kinder kennenlernte, und letztlich war es auch egal. Ted erschien immer mehr wie eine lästige Randfigur in seiner eigenen Serie, und die eigentlichen Nebencharaktere Marshall und Lily, Barney und Robin rückten in den Mittelpunkt, hatten die interessanteren Geschichten und die lustigeren Gags. Der Humor wurde mit der Zeit immer überdrehter, absurder und comichafter, aber nicht weniger witzig.

Am kommenden Montag geht die Serie in den USA nach neun Staffeln mit insgesamt 208 Folgen Folgen zu Ende. Heute startet die finale Staffel bei uns. Ich habe lange gehadert, ob ich diese letzte Staffel immer noch empfehlen kann.


Empfehlen kann ich auf jeden Fall diesen herrlichen US-Trailer vom vergangenen Sommer.

(So was wie ein Spoiler-Alarm: Der weitere Text verrät zwar das Konzept der neunten Staffel, aber keinen maßgeblichen Teil der Handlung, der noch nicht ausgestrahlt wurde. Für Menschen, die auch die achte Staffel noch nicht gesehen haben, gilt allerdings ein deutlicher Spoiler-Alarm.)

Viele erfolgreiche, langlebige Serien münden in einem großen Finale, gern im Rahmen einer Doppelfolge. HIMYM hat sich gegen eine Doppelfolge entschieden. Stattdessen gibt es eine 24-fach-Folge. Und die beginnt heute. Die Handlung der kompletten letzten Staffel umfasst nur ein einziges Wochenende. Es ist das Wochenende, an dem Ted endlich die Mutter seiner Kinder trifft. Aber selbst in der letzten Staffel ist dieses titelgebende Thema noch über weite Strecken egal, auch wenn „die Mutter“ ab und zu kurz auftaucht. Vor allem ist es das Wochenende, an dem Robin und Barney heiraten, der echte Höhepunkt, auf den über Jahre hingearbeitet wurde. Und jetzt noch über eine ganze weitere Staffel. Die Ereignisse werden teilweise in Echtzeit oder noch langsamer erzählt. Das ist ein paar Folgen lang ganz lustig und dann ein paar Folgen lang sehr schleppend. Vor allem als der Punkt kommt, an dem mir als Fan bewusst wird, dass die Serie, wie ich sie kenne, nicht allmählich zu Ende geht, sondern bereits zu Ende ist. Ich habe keine Staffel lang mehr Zeit, die Gang nochmal an ihrem Tisch in der Stammkneipe oder in Teds Wohnzimmer zu sehen, wie sie den ganz normalen Irrsinn bewältigt; keine Gelegenheit, diese Momente noch ein paarmal zu genießen und mich mit dem bevorstehenden Abschied abzufinden. Ich bin in einem kleinen Hotel auf dem Land gefangen, wo es nur noch um letzte Hochzeitsvorbereitungen geht, und ich werde dieses Hotel bis ans Ende meiner HIMYM-Tage nicht mehr verlassen. Mitten aus dem Serienleben gerissen.

Dieses unangenehme Bewusstsein ereilte offenbar auch die Autoren auf halber Strecke, und so kriegt die Serie zur Staffelmitte noch mal die Kurve.  Wir bleiben zwar im Hochzeitshotel gefangen, aber dank ausführlicher Rückblenden ist es manchmal doch wieder fast wie früher ist. Dies sind keine Rückblenden zu Szenen, die wir schon gesehen haben, sondern neu gedrehte Episodenhandlungen, die mit dem Stilmittel des Flashbacks in die Gegenwartshandlung am Hochzeitswochenende eingebettet werden. Sogar ironische Anspielungen auf die eigene Langatmigkeit der Staffel und die wahnsinnige Ereignisdichte an nur einem Wochenende gibt es. Und plötzlich bin ich wieder versöhnt.

Insofern empfehle ich, bis zum Ende dranzubleiben. Einen Durchhänger darf jeder mal haben. Aber in der Summe haben uns die Macher von How I Met Your Mother so viel schönes Fernsehen geschenkt, dass sie es verdient haben, wenn wir uns jetzt auch noch ansehen, wie es zu Ende geht. Wer weiß, vielleicht trifft Ted ja noch die Frau fürs Leben.

Michael, 26. März 2014, 07:03.

Fahrradkette

Die Harald Schmidt Show ist Geschichte. Mal wieder. Aber diesmal wahrscheinlich endgültig. Denn wo hätte Schmidt mit seiner Show nach Sky noch senden können? Außer vielleicht in diesem Internet, von dem man so viel hört. Dort, wo die letzte Show gestreamt wurde, damit wenigstens zum Abschied noch einmal ein paar Menschen auch außerhalb des Sky-Abonnentenkreises die Gelegenheit hatten, zuschauen zu können.

„Danke, dass Sie eingeschaltet haben. Wäre schön gewesen, wenn Sie es auch in den letzten drei Jahren mal gemacht hätten“, sagte Schmidt sinngemäß, sprach aber später von 19 fantastischen Jahren.

Dass die Harald Schmidt Show in den letzten 11 dieser 19 Jahre kaum noch eine Rolle spielte, ist seine eigene Schuld. Zu spät erkannte er, dass Late Night und sonst nichts seine Berufung ist. Er wäre in der Lage gewesen, dem Genre auch in Deutschland einen Stellenwert zu geben, den es in den USA hat. Aber gerade, als er seine Show nach acht Jahren nicht nur etabliert, sondern auch zu einem Erfolg gemacht und die Anzahl der wöchentlichen Sendungen von vier auf fünf erhöht hatte, warf er Ende 2003 hin. Ein Late-Night-Format lebt von der Regelmäßigkeit und der Sehgewohnheit. Eine solche Sendung nicht zu sehen, ist auch eine Gewohnheit. Harald Schmidt gab den Zuschauern ab 2004 viel Gelegenheit, sich daran zu gewöhnen, seine Sendung nicht zu sehen. Indem erst ein ganzes Jahr lang gar nicht gesendet wurde und danach über viele Jahre an mindestens vier Tagen in der Woche und vier Monaten im Jahr ebenfalls gar nicht. Denn irgendwann war schließlich immer Sommerpause, Fernsehpreis, Satire-Gipfel, Montag, Freitag oder Schmidt & Pocher. Richtig, Schmidt & Pocher. Noch zwei Jahre, in denen die regelmäßige Harald Schmidt Show aussetzte. Zwei weitere Jahre für viele der verbliebenen Fans zur Abgewöhnung.

Schmidt hat uns sich selbst über viele Jahre schrittweise abgewöhnt. Auf diese Weise ist es klar, dass man nicht ewig auf Sendung bleiben kann. Für kaum noch jemanden wird sich nach dem Ende seiner Sendung eine Gewohnheit ändern.

Hätte er Ende 2003 einfach weitergemacht, könnte er jetzt vielleicht noch unverändert fünfmal pro Woche in Sat.1 auf Sendung sein und wäre die Instanz, von der sich Deutschland vor der Bettruhe das Tagesgeschehen durch den Kakao ziehen lassen. Oder durch das deutsche Wasser. Das wäre schön gewesen. Dann hätte es ganz allein in seiner eigenen Entscheidung gelegen, ob und wann er abtritt.

Falls er abtritt.

Zum Ende der letzten Sendung wurde jedenfalls noch mal die Ticket-Hotline eingeblendet.

Schlagwörter:
Michael, 13. März 2014, 23:23.


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