Anzügliche Frischserien

Der Dschungel ist vorbei, und endlich komme ich wieder auf meinen vollen Nachtschlaf.

Die Fernsehsender scheinen auch nur darauf gewartet zu haben, dass die Dschungelstars endlich das Camp verlassen. An vier Tagen hintereinander starten diese Woche insgesamt fünf neue Serien, und ich bin gespannt, welche von den Zuschauern schnell wieder herausgewählt werden.

Zwei sind, gemäß einem jüngst berichteten Trend, Neuauflagen bekannter Fantasy-Stoffe:  Sleepy Hollow und Beauty And The Beast. Zwei weitere, The Millers und Schmidt – Chaos auf Rezept  sind Comedyserien. Und die fünfte, Suits,ist lustig.


Schmidt – Chaos auf Rezept. Foto: RTL/Conny Klein

Gut, auch The Millers und Schmidt – Chaos auf Rezept verfügen über ein paar Pointen. So sehr, wie sich die neue deutsche RTL-Serie über zwei ungleiche Ärzte namens Schmidt mit ihren schnellen Schnittbildern und ulkigen Geräusch-Zuspielungen krampfhaft um Lustigkeit bemüht, bleibt es gar nicht aus, dass zwischendurch auch mal ein Gag gelingt. Dabei wäre damit nicht unbedingt zu rechnen gewesen, denn die Produzenten der meisten Serien, die schon bei den Hauptfiguren einen Namenswitz einbauen, scheinen der festen Überzeugung zu sein, dass dieser Gag allein die Serie über mehrere Staffeln trägt. Wer schon mal eine ARD-Vorabendserie gesehen hat, weiß was ich meine. Der Gag ist übrigens noch nicht, dass der chaotische Arzt und die solide Ärztin, zwischen denen die Fetzen fliegen und die Funken sprühen sollen, beide mit Nachnamen Schmidt heißen, obwohl sie nicht verwandt sind. Der Gag ist, dass er Adam heißt und sie Eva. Ja, da bleibt kein Auge trocken.


The Millers. Foto: CBS

The Millers ist eine ganz klassische US-Sitcom mit Publikumsgelächter über zwei erwachsene Geschwister, bei denen je ein Elternteil nach deren Scheidung einzieht. Der Humor orientiert sich leider weniger an den niveauvollen Klassikern als am aktuellen Portfolio des Senders CBS, zu dem 2 Broke Girls und Two And A Half Men gehören. Millers-Schöpfer Greg Garcia hat u.a. in My Name Is Earl gezeigt, zu welch schönen Serien er in der Lage ist. Hier füllt er stattdessen größere Flächen mit Furzwitzen, für die wir wirklich nicht noch eine Sitcom gebraucht hätten. Dafür haben wir doch schon die beiden genannten. So gesehen fügt sich die Serie am ProSieben-Dienstag natürlich fantastisch ein zwischen — genau: Two And A Half Men und 2 Broke Girls.


Suits. Foto: Vox/Universal

Klüger und sogar witziger ist dagegen Suits, dabei will das gar keine Comedyserie sein, sondern ein Anwaltsdrama. Andererseits – ist das wirklich die Absicht? Ich hätte gern das Gespräch belauscht, in dem Suits-Erfinder Aaron Korsh dem Sender USA seine Idee vortrug: Eine Anwaltserie nicht über Mord, Totschlag oder Untreue, nicht über benachteiligte kleine Leute, denen endlich mal jemand zu ihrem Recht verhilft, sondern über so total aufregende Angelegenheiten wie Kartellrecht, Industriespionage und Patentangelegenheiten. Aber es soll bloß nicht im Gerichtssaal spielen, die Dinge sollen schön außergerichtlich geregelt werden. Dass diese Idee überhaupt auf Sendung gehen durfte, ist bereits ein Wunder.

Dabei ist schon die Titelgebung so genial doppeldeutig wie einst bei Scrubs, der Serie über Tölpel im OP-Kittel, benannt nach einem Begriff der ebenso für Tölpel wie für OP-Kittel stehen kann. Suits heißt natürlich Anzüge und wird abfällig auch für die Anzugträger benutzt, suit ist aber eben auch eine Klage, und um beides geht es nun mal in Anwaltserien.

Eigentlich geht es um einen Studienabbrecher und seinen Mentor. Der Studienabbrecher ist zufällig ein Genie, und sein Mentor sieht in ihm eine jüngere Version seiner selbst. Deshalb stellt er ihn ein und gibt ihn als Harvard-Absolventen aus, und ein Teil der fortlaufenden Handlung speist sich aus dem Bestreben, zu vertuschen, dass er genau das nicht ist. Das klingt, so kurz gefasst, ein bisschen albern, doch die Dialoge sind toll getextet und die Figuren bis in die Nebenrollen hinein hervorragend geschrieben und perfekt besetzt. Und sogar aus den Aufträgen der Mandanten, die nach ödem Papierkram klingen, machen die Autoren spannende Angelegenheiten. Weiterer Pluspunkt: Da der König der Anwaltserien, David E. Kelley, in diesem Fall nicht beteiligt war und die gezeigten Fälle in der Regel außergerichtlich beigelegt werden, fehlen auch die ständigen Polit- und Moralpredigten, die Kelley in jeder seiner Serien in Plädoyers packt, und die auf Dauer ja dann doch ein bisschen nerven. All das macht Suits zu einer sehr angenehmen Überraschung in dem Genre. Die Zukunft der Serie ist bis auf Weiters gesichert: Auf USA in den USA läuft bereits die dritte Staffel, die vierte ist schon beschlossen. Vox verschießt die Serie ab Freitagabend in Doppelfolgen. Wärmste Einschaltempfehlung!

Die neuen Serien der Woche im Überblick:

Michael, 3. Februar 2014, 11:43.

11 Kommentare


  1. Genau genommen startet Suits mit einer überlangen Pilotfolge und wird dann in Woche 2 und 3 in Doppelfolgen gezeigt. Ab Woche 4 übernimmt Staffel 6 von „Burn Notice“ den zweiten Sendeplatz.

  2. @ Fabian: Danke für die Präzisierung. Aber wann, wie oft und ob überhaupt eine Serie ab Woche 4 noch läuft, würde bei einem deutschen Fernsehsender nie zu prognostizieren wagen.

  3. Die Millers sind dann also schon mal angezählt. Das Monatsende werden die wohl nicht mehr erleben.

    Für die Anzüge sehe ich aber keine Gefahr. Bei den Begeisterungsstürmen, die die auf der FOX-Facebookseite entfacht haben, dürften die auch im Free TV leichtes Spiel haben.

    @Michael: Gibt es schon erste Anzeichen wie „die Höhle des Löwen“ den deutschen Produzenten gelungen ist? Ich liebe die „Dragon’s Den“ abgöttisch und freue mich momentan wieder auf jeden Sonntagabend bei BBC2. Steht zu befürchten, dass man es in Deutschland mal wieder bzw. wie immer so richtig versemmelt?

  4. @ BlueKO: Nein, zu Dragon’s Deutsch kann ich leider noch gar nichts sagen.

  5. Die Links zu „Sleepy Hollow“ funktionieren nicht.

  6. @MiniMoppel: Komisch. Jetzt geht’s. Über die Leiste „Jüngste Sendungen“ oben rechts hatte es auch vorher schon geklappt.

  7. Gestern den Schmidt angesehen, und für rasend schlecht befunden – suche aber immer noch nach den teilweise gelungenen Gags, die Michael ausgemacht hat – aber der hat vielleicht auch schon mehrere Folgen bzw. die ganze Staffel vorab als DVD zur Ansicht bekommen. Die Handlung war doch platt, unlustig, und weil die Handlung so kompliziert ist, wird selbige per Comic-Einspieler erklärt. Die Darsteller und Figuren auch nicht erste Wahl. Quoten desaströs. Das wars wohl auch schon. Außer Thielen müssten auch die anderen Fiction-Redakteure ausgewechselt werden. Für die würde sich doch beim ZDF sicher noch ein warmes Plätzchen finden lassen.

  8. Nachdem nun davon auszugehen ist, dass von zwei der fünf empfohlenen Serien in der kommenden Woche die vorerst letzte Folge gesendet wird, ist es Zeit mal ein paar grundsätzliche Gedanken loszuwerden. Sorry wenn das etwas länger wird.

    Eigentlich ist doch überall (also auch in den TV-Sendern) bekannt, dass sich das Fernsehverhalten durch das Internet in den letzten Jahren geändert hat. Nicht nur der second screen, sondern auch die Mediatheken haben den Zuschauern viel mehr Flexibilität bei der Auswahl der Programme gegeben. Und das nutzen doch wohl ganz besonders die von den Privatsendern anvisierten jüngeren Zuschauer. Sie entdecken neue Serien oft erst nach der Ausstrahlung der ersten Folgen durch Mundpropaganda im Internet und steigen dann in die Serien ein. Als Sender muss man da einfach einen längeren Atem haben, und etwas langfristiger kalkulieren. Wenn eine neue Sendung nach der ersten Sendung sofort eingestellt wird, weil die Gefahr besteht, dass die Werbebuchungen für die kommende Folge um 30% zurück gehen könnten(!), verpasst man doch gleichzeit die Chance ein neues Format aufzubauchen, das erst einmal seine Gemeinde finden muss. Diese panischen Reaktionen sind da doch vollkommen kontraproduktiv. Die für die abgesetzten Serien schnell eingeplanten Wiederholungen alter Erfolge mögen zwar kurzfristig die Werbebuchungen retten. Für die langfristige Entwicklung eines Senders sind sie jedoch nicht sonderlich hilfreich, weil auch der „hab ich schon gesehen, kann ich weiterschalten“-Effekt beim Zuschauer einsetzt.

    Bestes Beispiel für obige These ist doch der von Niggemeier empfohlene Tatortreiniger, der ohne die Empfehlung im Blog auch an mir vollkommen vorbei gegangen wäre. Wenn es denn mal neue Folgen dieser Serie gibt, spielt inzwischen sogar das NDR-Fernsehen für einen Abend bei der linearen Ausstrahlung in der oberen Quotenliga mit. Die Zuschauer mussten diese Sendung aber erst einmal finden, um sie gut finden zu können. Dafür lieben sie sie jetzt jedoch umso heftiger.

    Wenn sich die Privatsender endlich mal wieder dazu durchringen könnten Sendungen zu entwickeln, die nicht nur strunzdoof und einfallslos sind, sondern bei denen es sich auch lohnt sie anzusehen, weil sie einen fordern, und bereit wären ein wenig mehr Geduld aufzubringen, könnte das mit ihrem Geschäftsmodell in Deutschland sogar noch mal was werden.

    Und in der Zwischenzeit müssen sie sich ohnehin wie die Zeitungsverlage einfach ein paar Gedanke machen, wie sie mit ihren Sendungen auch in ihren Abrufdiensten ein wenig mehr Geld verdienen können.

  9. @ BlueKO: Damit wir uns bloß nicht falsch verstehen: „Empfohlen“ habe ich von den fünf neuen Serien nur eine einzige, und die kommt erst heute und heißt SUITS.

    Zu Deinen weiteren Ausführungen: Uneingeschränkte Zustimmung.

  10. @Michael: Entschuldigung für die unglückliche Wortwahl. Natürlich wollte ich dir nicht unterstellen, dass du irgendeine RTL-Eigenproduktion (außer dem Dschungel vielleicht) wirklich „empfehlen“ würdest. Die Klage wegen übler Nachrede ist momentan das letzte, das ich brauchen würde.

  11. Wie ich gestern Abend im Zapping gesehen habe, sendet der NDR jetzt ITVs „The Chase“. Was ist denn da los? Quiz ohne Pilawa? Das muss doch wohl ein Versehen sein.



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