Nochmal wegen Produktionsvorlauf

Nur ein kleiner Nachtrag zu meiner Litanei über den unglaublichen Zeitraum, der zwischen Produktion und Ausstrahlung deutscher Fernsehfilme und -serien vergeht. (Ursprüngliche Anmerkungen hier in der zweiten Texthälfte).

Noch mal zum Vergleich, wie die Amerikaner arbeiten: Am 10. Mai begannen die Dreharbeiten zur neuen Comedyserie Hot In Cleveland mit Betty White. Serienstart im US-Fernsehen ist am 16. Juni.

Und wer in den vergangenen Wochen Boston Legal auf Vox gesehen hat, hat in den Dialogen einige sehr konkrete Einzelheiten zum Ausgang der US-Wahl gehört. Nicht nur der Sieger Barack Obama wurde korrekt benannt, sondern auch einige Detailergebnisse bestimmter Wählerschichten genau wiedergegeben. Ausgestrahlt wurden die fraglichen Episoden in den USA am 17. November und 1. Dezember 2008, also zwei bzw. vier Wochen nach der Wahl. Geschrieben und gedreht wurden sie demnach in dem Zeitraum dazwischen.

Und jetzt dürfen Sie mal schätzen, wann der Tatort „Hitchcock und Frau Wernicke“, der am Pfingstmontag in der ARD seine Erstausstrahlung erlebte, gedreht wurde.

Kleiner Tipp: Es ist kein ganzes Jahr oder mehr her, so wie bei Mord mit Aussicht oder Doctor’s Diary, aber die Wahlplakate mit dieser Frau Merkel und diesem Herrn Steinmeier im Mittelteil erwecken schon das Gefühl, als sei das Haltbarkeitsdatum seit einer Weile abgelaufen.


Screenshot: DasErste

Michael, 24. Mai 2010, 23:10.

15 Kommentare


  1. Sorry wenn das schonmal erklärt wurde, aber liegt das nur an der Problematik, x regionale Teilsender aufeinander abzustimmen? Oder gibts da noch einen anderen Grund für die Verzögerungen?

  2. Wahrscheinlich liegt das an dem typisch deutschen Sicherheits- und Kontrollbedürfnis. Lieber die Produktion schon mal in Auftrag geben, man was ja nie, wie schnell man diese brauchen könnte oder ob sich die Produktion vielleicht verzögert.

  3. Es gibt aber auch Fernsehmacher die spontan und schnell reagieren. Beispiel: Als Jürgen Klinsmann bei den Bayern entlassen wurde, gab es schon am nächsten Tag!!! b ei switch zwei (wenn auch kurze) gags zu dem Thema, in denen auch der Nachfolger erwähnt wurde. Mir ist klar, das ist die ausnahme und geht auch nur bei einer solchen Sendung wo man schnell was zwischenschieben kann

  4. Bei einem Monat oder weniger an Vorbereitungszeit steckt man allerdings massiv in der Patsche, wenn ein Hauptdarsteller schwer erkrankt. Ich persönlich würde auch mindestens ein Vierteljahr zwischen Produktion und Sendetermin einplanen. Aktuell genug sollte der Stoff dann eigentlich noch halbwegs sein.

  5. Warum ist es wichtig, dass bei rein fiktionalen Inhalten im deutschen Fernsehen möglichst wenig Zeit zwischen Produktion und Erstausstrahlung vergeht?
    Spielten die Wahlplakate irgendeine Rolle in dieser Tatortfolge?
    Grundsätzlich gilt: Wer tagesaktuelle Bezüge im Fernsehen erleben will, sollte Nachrichten kucken… oder manchmal Lindenstraße.

  6. Ich denke auch, dass man einen Tatort nicht mit einer Serie vergleichen sollte. Für einen Tatort möchte man ja oft auch in Nebenrollen bekannte oder gute Schauspieler, und bei diesen ie Drehtermine zu koordinieren könnte auch schwierig sein. Beim Tatort kommt ja auch noch dazu, dass die Sendetermine für die einzelnen Anstalten auch eh mal gerne hin und hergeschoben werden. (Aber das manchmal da zwei Jahre zwischen Dreh und Sendung vergehen ist auch krass…)

    Bei einer Serie ist das auch was anderes, da sind die Schauspieler für einen gewissen Zeitraum fest gebucht.

  7. Ich gebe ckwon recht. Mir ist es eigentlich egal, wann gedreht wurde. Grade beim Tatort gibts ja nun wirklich jeden Sonntag was zu schauen. Nervig ist es eher, wenn man auf neue Folgen einer guten Serie ewig warten muß und zwar weiß, daß sie bereits gedreht sind, aber immer wieder zurückgehalten werden (siehe „Doctors Diary“)

  8. Wobei die Tatorte ja auch eher mit Filmen gleichzusetzen sind und eher weniger mit einer klassischen US-TV-Serie zu tun haben. Und die US-Kinofilme haben in der Regel auch eine Postproduction-Zeit von mind. einem halben Jahr, wenn nicht sogar noch länger (beim letzten Star Wars Film oder bei Avatar waren es IIRC sogar zwei Jahre).

    @Jerry: Bei einer „normalen“ Serie sind solche Erkrankungen aber nicht das große Problem, da diese ja meistens nicht auf einen Hauptdarsteller zugeschnitten sind und man den Verlust daher verkraften kann. Ein Beispiel sind z.B. regelmäßig die Schwangerschaften von Schauspielerinnen (die ich jetzt aber nicht als ernsthafte Erkrankungen verstanden wissen möchte ;)), die auch regelmäßig vorkommen und nicht zu Katastrophen im Sendeschema führen.

  9. Was an diesem Tatort vor allem Berliner Zuschauer gewundert haben dürfte, sind die Orte, die fröhlich zusammengemixt wurden. Die Fahrszenen sind in der Danziger Straße und der Greifswalder Straße im Osten der Stadt gedreht worden, denn da sind Straßenbahngleise zu sehen, die es aber in Neukölln gar nicht gibt. Spitzfindigkeiten, sicher, aber beim Zusehen als Berliner komisch und die Zuschauer beim Public Viewing fragten sich mehr als einmal, warum Kriminalpolizisten aus einem Abschnitt im Osten, in Neukölln ermitteln sollten.

  10. Um ehrlich zu sein und ohne in Demut zu versinken, ist es mir ein Rätsel, wie man solche Details wie das mit den Wahlplakaten bemerken kann. Das ist ja so wie bei den Leuten, die ins Kino gehen und z.B. in Spiderman dann 12 Fehler finden. Keine Ahnung wie das geht…ich schaffe das jedenfalls nicht….Respekt!
    Trotzdem änderst das nichts an dem Umstand, dass die letzte Bundestagswahl schon eine ganze Weile her ist. Andererseits hat so ein langer Vorlauf natürlich den Vorteil, dass bei einem Streik wie neulich in Hollywood….den Sendern das Material nicht schon nach kurzer Zeit ausgeht. Irgendjemand mit Verantwortung hat sich dabei bestimmt irgendwas gedacht…so lange im Voraus zu produzieren. 😉

  11. @Michael Fengler:
    Gleiches können Sie inzwischen in jeder x-beliebigen Krimi-Serie (und nicht nur dort) mit jeder x-beliebigen Stadt sehen. Man findet das zwar als Ortskundiger seltsam, aber dafür gibt es meist gute Gründe, dramaturgische genauso wie organisatorische.

    Und ein Tatort ist ja nun mal Fiktion und hat nicht den Anspruch, eine Stadt 1:1 abzulichten.

    Am Rande erwähnt: mir hat dieser Tatort sehr gut gefallen. Mal etwas ganz anderes als das übliche Krimi-Gedöns.

  12. DrKlausTrophobie,

    Ist jedenfalls ein Punkt den selbst routinierte deutsche Schaupieler nicht verstehen. Ich denke da ein Gespräch im NDR Talk in dem Armin Rohde seinen Unmut darüber äußerte 2-3 Jahre zu arbeiten ohne einmal im Fernsehen in Erscheinung zu treten.

    Und es ist natürlich auch ein wirtschaftlicher Faktor, das Zeugs hat doch Geld gekostet – und vom rumliegen kommt das nicht wieder rein…

  13. Der TATORT ist halt das ARD-Dickschiff und da reden alle „Anstalten“ mit und machen sich wichtig und planen ewig im Voraus, es soll ja keiner benachteiligt werden… 😉

  14. Ich würde mal behaupten, das die Produktionsbedingungen in den USA wesentlich professioneller sind, ist aber auch nicht überraschend da es sich dort um eine Gigantische Industrie handelt, die ab September mehr als 25 neue Serien auf den Markt wirft, bei den meissten haben die Dreharbeiten noch nicht begonnen. Zwischen der Bestellung durch die Sender und de Ausstrahlung der ersten Folge liegen kaum vier Monate.

    Die Simpsons hatten übrigens am letzten Sonntag einen Gag über die Ölkatastrophe im Golf von Mexico

  15. Hi MIchael,

    das was du bemängelst ist ja insbesondere am TATORT keine Seltenheit denn eher die Regel. Das Minimun schätze ich auf 2 Monate Drehstart vor Sendung (in den 70ern durchaus üblich), Krug und Brauer drehten Ende der 90er meist nur 3 Monate vor der Sendung. Alles andere wird heute mit mindestens (spätestens) 5-6 Monaten Vorlauf produziert. Dein Beispiel – der WERNICKE-HITCHCOCK-TATORT – liegt dabei in bester Gesellschaft noch fein im Mittelfeld. Soll ich dir mal verraten, welcher Sender da die Vögel einem nach dem anderen abschießt? 1,5 Jahre bis 2 Jahre sind keine Seltenheit für diesen Sender, der drei TATORT-Konzepte gleichzeitig laufen hat, seinen Sitz in einer weltbekannten Kurstadt hat und in der man sicher auch Duschen darf.



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