In Zukunft wird gelacht – aber bloß noch nicht jetzt!

US-Sitcoms erleben im deutschen Fernsehen wieder einen Boom. Kabel 1 zeigt tagsüber nichts anderes mehr, und ProSieben hat es endlich geschafft, eine Sitcom erfolgreich in der Primetime zu platzieren, und das auch noch gegen Dr. House.

Wie passt es dazu, dass einfach niemand die Sitcom Rules Of Engagement sehen will, die Kabel 1 an den beiden vergangenen Donnerstagen um 20.15 Uhr gezeigt hat (und angesichts der miserablen Quoten dort vielleicht nicht mehr lange zeigen wird)?

Ganz einfach. Es gibt etwas, das Rules Of Engagement von den erfolgreichen Sitcoms unterscheidet: Die Serie ist neu. Neue Sitcoms funktionieren nicht. Die müssen erst mal alt werden.

Beispiele? Gern. Two And A Half Men, der neue Vorzeige-Erfolg des Dienstagabendprogramms von ProSieben, ist bereits in der sechsten Staffel. Die ersten viereinhalb Staffeln liefen nur mittelmäßig erfolgreich im Nachmittagsprogramm am Wochenende, die erste sogar noch unter dem Titel Mein cooler Onkel Charlie. Da musste erst Kabel 1 kommen und die ersten 96 Folgen immer und immer wieder im täglichen Nachmittagprogramm runterspulen. Seit Januar geschieht das, und in dieser Zeit haben sich die Zuschauer an die Serie gewöhnt und sie lieb gewonnen, und immer mehr sind dazu gekommen und lachen mit den Stammzuschauern über die Witze, die sie schon kennen. Die Erstausstrahlung von zwei Episoden der Serie Rules Of Engagement hatte gestern Abend zur besten Sendezeit weniger Zuschauer als zwei Elftausstrahlungen von Two And A Half Men mittags um 12.

So erging es auch King Of Queens. RTL2 sendete die anfangs nur mittelmäßig erfolgreiche Serie so lange in Dauerschleife, bis sie ein Erfolg wurde und später bei Kabel 1 ebenfalls in der Primetime landete. Zum Serienfinale war King Of Queens plötzlich sogar Marktführer auf ihrem Sendeplatz am Montagabend. Auch die beiden heutigen RTL2-Dauerbrenner Immer wieder Jim und Still Standing, die heute passable Zahlen erreichen, taten dies frühestens bei der dritten Wiederholung und waren vor drei Jahren als Flops gestartet. Friends begann 1996 im Nachmittagsprogramm und schaffte erst mit der achten Staffel den Sprung in die Primetime. Das Muster lässt sich bis zum Klassiker Eine schrecklich nette Familie zurückverfolgen, bei dem der Kult vor 17 Jahren erst mit der deutschen Drittausstrahlung begann.

Auf der anderen Seite stehen die neuen Sitcoms, bei denen die Sender den Mut hatten, sie gleich im Hauptabendprogramm einzusetzen, und dann enttäuscht wurden, zum Beispiel Rules Of Engagement oder Samantha Who. Und selbst zu Randsendezeiten nachts oder nachmittags werden neue Sitcoms den Ansprüchen der Sender zum Start in den seltensten Fällen gerecht. My Name Is Earl und How I Met Your Mother sind hier tragische Beispiele. Diese beiden Serien haben aber das Potenzial, Erfolge zu werden, wenn eines Tages ein Sender auf die Idee kommt, auch sie als tägliche Dauerschleife zu programmieren und den Gewöhnungseffekt bei den Zuschauern abzuwarten. Genügend Episoden sind in beiden Fällen vorhanden. Earl wurde in den USA nach 96 Folgen eingestellt, exakt so viele sind auch von Mother bisher gelaufen, da geht’s aber sogar noch weiter. Die skurrilen Figuren, die so gern zum Kult werden, sind in beiden Fällen vorhanden, nur der Ausstrahlungsmodus noch nicht.

Rules Of Engagement ist noch jung und kann sich noch entwickeln, aber vermutlich nicht mit einer wöchentlichen Ausstrahlung. Die Abstände zwischen den Folgen sind offenbar zu groß, um diesen nötigen Gewöhnungseffekt für Comedys zu erzielen oder die Serien überhaupt zu entdecken. Was der Zuschauer nicht kennt, frisst er nicht. Woran er nicht mehr vorbeikommt, weil jeden Tag vier Folgen laufen, das mag er plötzlich. Insofern sind neue Sitcoms für die Sender nur das: Eine Geduldsprobe und eine Investition in die Zukunft.

Michael, 20. November 2009, 17:11.

18 Kommentare


  1. Warum How I Met Your Mother noch nicht in der Primetime läuft ist mir ein Rätsel. Inzwischen gibt es so viele Anhänger, die sich vor allem im Internet breit machen.

    Nur leider weiß ich gar nicht ob die Sendung überhaupt noch im Fernsehen kommt, so muss ich sie leider sonst wo schauen.

    Ich verbleibe mit einem freundlichen „It´s legendary“

  2. Bei HImym muss ich aber sagen, dass sie, so sehe ich das, in Deutschland einfach nicht funktioniert. Ich liebe diese Serie, sie ist mit das Beste, was ich je gesehen habe. Allerdings auf Englisch. Ich finde die deutsche Synchronisation misslungen. Und ich habe die deutsche vor der englischen gesehen. Die Witze sind einfach amerikanisch, sie wirken nicht auf Deutsch.

  3. Vielleicht liegt das bei „Rules of Engagement“ auch einfach an den nichtssagenden Trailern!
    Auch nach mehrmaligem Sehen konnte ich nicht sagen, was die Prämisse ist, wie der Humor ist und wer die Hauptfigur(en) sind.
    Ich bin eigentlich Sitcom-Fan, aber die Ausstrahlung von RoE hab ich tatsächlich verschlafen, weil mir die Trailer nicht im Hirn hängen geblieben sind.

  4. Ja, wann hat ein Sender endlich die Eier in der Hose und zeigt eine Serie wenn schon nicht im Original-, dann doch wenigstens im Zweikanalton (mit optionalen Untertiteln). Bei unseren europäischen Nachbarn ist das doch auch der Regelfall. Ich kann es meist nicht fassen, wenn ich mitbekomme, dass Serien wie Earl oder The Office hier gnadenlos vor die Hunde gehen.

  5. Auch die deutsche Synchronisation von „According to Jim“ und „Still Standing“ stinkt gewaltig gegen das Original ab. Tragisch vor allem deswegen, weil viele Witze gut hätten ins Deutsche übertragen werden können, wenn sie nicht in aller Eile (so drei, vier Staffeln auf einmal) übersetzt worden wären

    Beide Serien hätten es nicht verdient gehabt, so am Fließband übersetzt und gesendet zu werden wie bei RTLII

  6. Ach, How I met your mother läuft auch im Fernsehen?

    Im Ernst, ich guck kein TV, dafür wird mir das Material von den Sendern zu wenig geachtet. Ich gucke HIMYM im Netz. Und liebe es.

  7. Möglicherweise liegt es daran, dass der Zuschauer einfach keine neue Serie mehr anschauen mag, weil sie wegen der Quoten (deren Messung ja auch nicht grad auf dem neuesten Stand der Technik ist, was aber ein anderes, weites Feld wäre) eh bald wieder abgesetzt wird. Und erst, wenn sie schön regelmäßig im TV abgenudelt wird, fällt sie auf, bleibt genau durch diese regelmäßige Aufdringlichkeit hängen und kann dann verläßlich angeschaut werden. Was ihr ab der dritten Staffel in der zweiten Ausstrahlung dann gute Quoten am nachmittag beschert.

  8. Zu mcbexx: Serien im Orginal dürften in Deutschland außerhalb der verschlüsselten Sender kaum möglich sein. Aufgrund der europaweiten unverschlüsselten Ausstrahlung der deutschen Sender dürften die Lizenzkosten zu hoch oder ein Lizenzerwerb gar nicht möglich sein.

  9. Spätestens mit der fünften Staffel wird HIMYM sicher ein Erfolg ein Deutschland, weil die sympathischen Innovationen mittlerweile alle aus der Serie herausgeschrieben wurden und jede Folge mehr und mehr dem langweiligen Einerlei gleicht. Da muss man dann nicht erst ein Stammpublikum zurechtsenden, man kann direkt das von Friends und Scrubs vorhandene übernehmen.

  10. 1) An alle Kritiker: Hört endlich mal auf die deutschen Synchros schlecht zu reden! Die deutschen Synchros sind mit wenigen Ausnahmen sehr gut und in Deutschland wird das Synchro-Geschäft mittlerweile so hochgradig qualitativ professionell betrieben, wie in keinem anderen Land. Wer keine Synchronfassungen schauen möchte, der kann gerne auf die Originale im Pay-TV, auf DVD oder im Internet zurückgreifen.

    2) @Michael: Sehr guter Artikel. Trifft den Nagel auf den Kopf und lässt sich auch auf die eine oder andere Dramaserie ausweiten (siehe Gilmore Girls).

    3) Als jemand, der u.a. Serien wie „King of Queens“, „Friends“, „Scrubs“, „How I Met Your Mother“ und „Two and a half Men“ von Anfang gesehen hat und gut fand: „Rules of Engagement“ ist einfach nur eine schlechte Serie. Die ersten vier Episoden haben mich nicht überzeugt. Einen der Charaktere finde ich absolut unsympathisch und insgesamt ist es mir alle zu sehr nach Schema. Da ist „Scrubs“ schon deutlich besser.

    4) Ich will endlich die „Drew Carey Show“ im Free-TV komplett sehen können – oder auf deutscher DVD.

  11. Ich versteh ja immer noch nicht, warum sich nicht Pro7 die Ausstrahlungsrechte für RoE gesichert hat. Anstatt Woche für Woche jeweils eine neue/ alte Folge von den Simpsons und Two and a half men zu senden, könnten sie nun endlich mal einen richtigen Sitcom-Abend machen. Und zwar mit neuen Folgen Simpsons, Two and a half men, Rules of Engagement, Scrubs (wo bleibt die letzte Staffel?), How I met your mother und/oder Big Bang Theory. In den USA funktioniert es ja auch meistens, dass neue Sitcoms von den Zuschauerzahlen der alten profitieren (starkes Lead-In, Zuschauer bleiben hängen).

    Zum Thema Zweikanalton is glaube ich eh schon alles gesagt.

  12. Zu mcbexx: „Serien im Orginal dürften in Deutschland außerhalb der verschlüsselten Sender kaum möglich sein. Aufgrund der europaweiten unverschlüsselten Ausstrahlung der deutschen Sender dürften die Lizenzkosten zu hoch oder ein Lizenzerwerb gar nicht möglich sein.“

    Das stimmt, wenn die Originallizenzen überhaupt vergeben werden dann zu hohen Preisen. Die großen Sender argumetntiern aber auch, daß über 90% der Zuschauer vom 2-Kanalton kein gebrauch machen und man denen die Sendungen in Stereo anbieten möchte, die Nachfrage ist also viel zu gering.
    Die Nachfrage nach Comedyserien in der Prime-Time ist auch deshalb gering weil der geneigte anglophine mindestens schon eine Staffel im Netz gesaugt und/oder auf DVD/Blu-Ray im Schrank hat, mit 7,1 Digitalsound und in HD,also das was deutsche Sender quasi Zukunftstechnologie. Die bezeichnung HDTV ist ja in Deutschland nicht ganz ohne ironie.

    Ich glaube, im übrigen, das man Comedy nur selten angemessen übersetzen kann. Scrubs ist recht gelungen,TAAHM und Malcom eigentlich auch.Die Simpsons sind geradezu legendär schlecht, HIMYM ist nicht akkurat übersetzbar. Allein schon so ein simpler Satz wie „Have you met, Ted?“, ganz zu schweigen von den ganzen Barneyismen.

    Mich würde auch mal interessieren wieviele der im-2-Kanalton-würd-ichs- gucken-Fraktion wirklich einschalten würden und wieviel die in-hd-würde-ich-es-echt-total-gucken-Fraktion überlaufen.

  13. P.S.: Das mit dem Erfolg so einer Serie, ist auch eine Frage des Castings. Charlie Sheen ist als Aufreissertyp ziemlich glaubwürdig, David Spade dagegen…

  14. Thema „Rules of engagement“. Ich mag die Serie.
    Leider ist der deutsche Synchrosprecher der Hauptfigur für mich mit einer anderen miesen Comedy verbunden.Dort hatte er ein Stofftier (oder was auch immer) synchronisiert. Ähnlich platt und ohne Ansatz von „Engagement“. Paßt ja dann zum Titel.

    Deutsche Serien leiden im Moment extrem unter der Ausdünnung der Sprecherzahl.
    Wie oft hört man die Stimme von „Steve“ aus Coupling, die auch Angel aus Buffy/Angel war? 50mal am Tag…dazu noch gefühlte 100 Werbespots. Der Sprecher heißt „Peter Flechtner“…und, egal ob er es kann oder nicht, ich kann den Kerl nicht mehr hören, denn er zerstört die original Schauspielerleistung durch seinen immer gleichen Tonfall.
    Monotonie….das ist es auch was die Comedies und bald auch die Filme kaputt macht.

  15. […] Fernsehlexikon » In Zukunft wird gelacht – aber bloß noch nicht jetzt! Es ist schon komisch (im Sinne von seltsam): Im Nachmittagsprogramm von kabel 1 und Dienstag abends auf ProSieben laufen Sitcoms super, Rules Of Engagement versagt aber donnerstags 20:15 Uhr auf kabel 1. Michael vom Fernsehlexikon weiß warum: "Es gibt etwas, das Rules Of Engagement von den erfolgreichen Sitcoms unterscheidet: Die Serie ist neu. Neue Sitcoms funktionieren nicht. Die müssen erst mal alt werden." (tags: sitcom comedy kabel_1 rules_of_engagement) […]

  16. »Charlie Sheen ist als Aufreissertyp ziemlich glaubwürdig,«

    Nicht mit diesen Hemden.

  17. „Was der Zuschauer nicht kennt, frisst er nicht. Woran er nicht mehr vorbeikommt, weil jeden Tag vier Folgen laufen, das mag er plötzlich.“

    lustig, das hätten sich die Fernsehsender doch schon seit 15 Jahren vom Radio abschauen können.

  18. Ich denke es sind zwei Probleme. Allgemeines Problem: Das Fernsehen als solches ist ein Auslaufmodell. Wie ja hier schon erwähnt; warum sollte ich mir Serien im Fernsehen anschauen, wenn ich sie mir auch im Netz oder als DVD anschauen kann – ohne Werbeunterbrechung und in der bevorzugten Sprache? Ich denke in den nächsten 10 bis 15 Jahren wird sich das Fernsehen sehr verändern, da es bestimmt massive Zuschauerverluste geben wird (ist ja jetzt schon so), ich sehe da auch keine Rettung für die Privatsender.
    Spezielles Problem: Sitcoms sind vielleicht nicht mehr State of the art, zumindest nicht mehr die Form mit eingespielten Lachern, die einem mehr oder weniger bewusst sagen, wann man lachen soll. Möglicherweise verschiebt sich die Entwicklung der serien ja eher hin zu amüsanten zusammenhängenden Geschichten (zB. My Name is Earl)statt den auf-den-Punkt Pointen-Dialogen. Irgendwie klappt das nämlich nur noch bei wenigen Serien.



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