Star der Show: Lebe deine Woche!

Zwei neue Shows begannen heute um 21.15 Uhr zeitgleich im deutschen Privatfernsehen: Die Show der Woche, ein Wochenrückblick bei RTL, und Lebe deinen Star!, eine Doppelgänger-Meisterschaft in Sat.1.
Ein Hin- und Herschalt-Protokoll.

21.13 Uhr: Gleich geht’s los. Die RTL-Show mit Oliver Geissen mag ich jetzt schon lieber, denn sie ist nach 75 Minuten vorbei. Im Ernst, Sat.1, drei Stunden???

21.15 Uhr, Sat.1: Die Ankündigung im Vorspann der Double-Show verspricht u.a. Amy Winehouse und Tina Turner auf einer Bühne. Geht’s wirklich um Doppelgänger oder darum, wer die meisten Vögel in seiner Frisur verstecken kann?

21.16 Uhr, Sat.1: Hella von Sinnen hat ordentlich abgenommen. Oder wer ist die blonde Frau, die neben Hugo Egon Balder moderiert? Ach so, Mirjam Weichselbraun. Von mir aus.

21.17 Uhr, RTL: Geissen zeigt lustige Pannenvideos. Ein Hochspringer scheitert. Hahahahahaha! Vielleicht ist das bei RTL die Double-Show, und nicht die in Sat.1. Sieht zumindest bis jetzt wie die Kopie von tausend anderen Shows aus.

21.20 Uhr, Sat.1: Verona Pooth. Die echte. Und der echte Sohn von Art Garfunkel, der spricht, als ernähre er sich ausschließlich von Helium. Dann ein Film über ABBA. Balder doubelt seine eigenen Hit-Giganten.

21.22 Uhr, RTL: Thema ist der Gewichtheber Matthias Steiner und sein bewegender Olympiasieg. Ach so, die Show der Woche ist gar kein Rückblick auf die aktuelle Woche, sondern auf irgendeine.

21.24 Uhr, RTL: Matthias Steiner kommt zum persönlichen Talk. Ich verstehe: Jauchs Jahresrückblick kommt jetzt wöchentlich mit Geissen. Vielleicht muss Jauch dann am Jahresende nur noch das Beste aus der Geissen-Show zeigen.

21.25 Uhr, Sat.1: ABBA-Doppelgänger treten auf. Ah, die Show ist also ein Double der Rudi Carrell Show.


Es gibt leider überhaupt keine schönen, interessanten, aufregenden, aussagekräftigen oder unterhaltsamen Bilder aus einer der beiden Shows. Sehen Sie stattdessen Wassertiere. Tiere gehen ja immer.

21.27 Uhr, RTL: Niedlichkeitsoffensive. Ein Kind stellt Passanten Fragen aus dem Einbürgerungstest. Schnell weg.

21.28 Uhr, Sat.1: Mirjam Weichselbraun zu einem ABBA-B: „Du hast ja mehr Haare auf der Brust als Hugo auf dem Kopf.“ Schnell zurück zu dem niedlichen Kind.

21.29 Uhr, RTL: Zu spät. Jetzt geht’s schon um zwei Leute, die eine Woche in einem leeren Raum verbringen und sich ausschließlich kostenlos übers Internet ernähren müssen. Man kann der Show nicht vorwerfen, sie würde jedes Thema zu lange zerreden.

21.32 Uhr, Sat.1: Der Vorspann von Der Prinz von Bel-Air läuft. Cool! Ich bleibe dran.

21.32 Uhr, Sat.1: Pech, es ist wieder nur so ein Einführungsfilm für ein Will-Smith-Double. Aber erst Werbung.

21.34 Uhr, RTL: Zwei Menschen in einem leeren Zimmer sitzen vor einem Computer, öden sich an und sind gereizt. Laaangweilig!

21.37 Uhr, Vox: Werbung für die Kocharena. Aber das ist heute nicht das Thema.

21.38 Uhr, RTL: Matthias Steiner sitzt noch zum Talk da. Sehr sympathischer Mann. Dann Klatsch und Tratsch der Woche in einem auf lustig gemachten Einspielfilm. Und Pol Pot Paul Potts bei The Dome.

21.40 Uhr, Sat.1: Es geht weiter. Der falsche Will Smith erinnert tatsächlich ein bisschen an Will Smith. Vielleicht habe ich mir vorhin nur eingebildet, dass ABBA nicht die geringste Ähnlichkeit mit ABBA hatte. Dann singt der falsche Will Smith und klingt nicht im Geringsten wie Will Smith. Da klang Falsch-ABBA dem Original schon ähnlicher. Aber für mich hören sich auch alle Weißen gleich an.

21.43 Uhr, RTL: Kaya Yanar erzählt Witze. Sind auch nicht unbedingt aus der aktuellen Woche, aber deutlich frischer als die von Mario Barth, der sonst so oft auf diesem Sendeplatz zu sehen ist.

21.46 Uhr, Sat.1: Jeanette Biedermann ist auch da. Die echte. Sie sitzt auf der Couch, um mit Balder alles zu zerreden. Hat die gleiche Stimmlage wie James Garfunkel. Als beide miteinander sprechen, hört man keinen Unterschied.

21.47 Uhr, RTL: Ist RTL jetzt werbefrei? Lustig, wenn man sich über übel platzierte Werbeblöcke mitten in Spielhandlung beschwert, heißt es immer, man sei gesetzlich sehr eingeschränkt in der zeitlichen Platzierung der Werbung. In so einer Freitagabendshow kann man den Block aber wohl erst bequem nach 33 Minuten senden, oder wann immer man Bock hat.

21.48 Uhr, RTL: Nämlich jetzt.

21.50 Uhr, Sat.1: Das Udo-Lindenberg-Double sieht aus wie Udo Lindenberg, aber das ist ja nicht schwer. Er klingt auch wie Udo Lindenberg. Aber das ist ja auch nicht schwer. In der Imitatorenschule ist Udo normalerweise Lektion 1, zum Warmwerden.

21.55 Uhr, Sat.1: Verona Pooth: „Überlegt mal, ihr sucht ein Double für mich! Was macht ihr denn dann? … Warum lacht ihr denn jetzt alle?“ Dann Werbung.

21.57 Uhr, RTL: „Gimmick der Woche“: Kaya und Oli testen zwei Massagestühle eines amerikanischen Shoppingsenders. Ich bekomme nur noch den Rest mit. Man muss wohl dabei gewesen sein.

21.59 Uhr, RTL: Die Kinocharts der Woche. Clips aus den erfolgreichsten Filmen. Ja… Ein bisschen wie Fernsehen der 80er mit Sabine Sauer. Wirkt komisch, aber warum nicht?

22.00 Uhr, RTL: Pierce Brosnan singt „Mamma Mia“ auf Platz 3. Darum nicht!

22.02 Uhr, RTL: Geissen, Yanar und Steiner sitzen auf einer Couchecke und reden über die gerade gesehenen Clips. Irgendwo habe ich auch dieses Konzept schon mal gesehen.

22.03 Uhr, RTL: Fantastisches Jubiläum: 50 Jahre Radarfalle! Diese Fernsehleute berichten über dieselben weltbewegenden Themen wie die Morningshows im Radio.

22.04 Uhr, RTL: Versteckte Kamera: Eine eigens installierte Radarfalle blitzt Radfahrer und Fußgänger, die von einem „Polizisten“ gestellt werden. Nette Idee. Ich habe mich schon immer gefragt, ob man mit seinem Fahrrad eigentlich legal durch eine Spielstraße fahren darf.

22.08 Uhr, RTL: Überraschendes Ende des Einspielfilms: Der falsche Polizist wird von zwei echten Zivilpolizisten gestellt und aufgefordert, seinen Schabernack zu beenden. Das ist tatsächlich mal sehr lustig, wenn auch nicht so geplant. Aber schön, dass es gezeigt wird.

22.10 Uhr, RTL: Nach dem Kino nun die Top 5 der Musikcharts. Konsequent. Ich stelle fest, dass ich seit etwa einer Viertelstunde kein Bedürfnis hatte, mal nachzuschauen, ob in Sat.1 die Werbepause schon vorbei ist.

22.11 Uhr, Sat.1: Ist sie. Schade.

22.12 Uhr, RTL: Thomas Godoj singt ein neues deutsches Lied. Nicht halb so live wie die Sat.1-Doppelgänger, aber auch noch nicht halb so ausgelutscht wie deren Lieder und Stars.

22.13 Uhr, Sat.1: Jon Bon Jovi. Eben. Oder wie Frau Weichselbraun sagt: Tschon äh Bon äh Tschovi. Ich mag Bon Jovi ja, aber dann doch lieber ein Original als ein Double, selbst wenn das Original Thomas Godoj ist. Der wird übrigens Vater, erfahre ich. Sagenhaft. Werbung.

22.18 Uhr, Sat.1: Mit der richtigen Frisur und einer Sonnenbrille sieht vermutlich jeder aus wie Tschon äh Bon äh Tschovi. Sonnenbrillen verdecken das Gesicht ja ganz praktisch.

22.22 Uhr, Sat.1: Filmchen über Justin Timberlake. Verzeihung: Tschustin äh Timberlake. James Garfunkel quietscht seine Meinung zu Justin Timberlake, aber leider können seine Stimmfrequenz nur Hunde hören. Und kann Mirtscham Weichselbraun mal jemand beibringen, wie man ein weiches englisches J spricht?

22.26 Uhr, RTL: Die Kandidaten in dem leeren Raum sind immer noch nicht verhungert, aber weiterhin langweilig.

22.29 Uhr, RTL: Die Show der Woche ist vorbei. Aus aktuellem Anlass schalte ich auch Lebe deinen Star! aus, da ist eh gerade Werbung. Im Vergleich wirkte Die Show der Woche zumindest im letzten Drittel recht unterhaltsam, aber wer weiß, wenn ich die Show von Anfang an ohne Wegschalten gesehen hätte, ob ich überhaupt so lange drangeblieben wäre.

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Michael, 5. September 2008, 22:50.

RTL-„Anwälte“ wechseln ins Erste

Mein erster Blick ging auf den Kalender. Habe ich etwa bis zum nächsten 1. April durchgeschlafen? Oder gibt es eine neue Tradition der Septemberscherze?

Denn wenn RTL in einer Pressemitteilung über eine neue Serie informiert, die bald im Ersten läuft, kann irgendetwas nicht stimmen.


Foto: RTL ARD Marion von der Mehden.
Die abgesetzte RTL-Serie Die Anwälte ist ab Oktober im Ersten zu sehen.

Andererseits schlüssig, dass man für Sender wirbt, die man mag, gerade für die ARD, die das Gute in der Welt und im Fernsehen verkörpert, ein Anwalt der Zuschauer ist und seit jeher für qualitativ hochwertige, anspruchsvolle Serienproduktionen steht. Das haben wir doch alle schon immer gesagt, gell?

Die Anwälte, eine gelungene Serie mit Kai Wiesinger, war am 17. Januar bei RTL gestartet und am 17. Januar dort zu Ende gegangen. RTL beteuerte immer und auch heute noch, man glaube an die Serie und sei von der Qualität der Anwälte überzeugt. Und was macht man, wenn man von einer Serie so überzeugt ist? Klar: Man lässt sie nach Fertigstellung ein Jahr lang ungesendet liegen, setzt sie dann nach der ersten Folge ab und verkauft sie ein paar Monate später an die Konkurrenz.

Und so wird ab Mitte Oktober kurzfristig ein Primetime-Sendeplatz in der ARD freigeräumt, um alle acht Folgen der soeben von RTL erworbenen Serie Die Anwälte zu zeigen. (Wir werden dann hier daran erinnern.) Ausgerechnet in der ARD, die normalerweise selbst Ewigkeiten braucht, bis produzierte Serien ausgestrahlt werden. Aber ich will auf keinen Fall über diese frohe Botschaft des Monats klagen. Es hätte alles schlimmer kommen können. Zum Beispiel gar nicht mehr. Oder RTL hätte die verbleibenden Folgen ohne Ankündigung kurz vor Jahresende nachts um drei versendet, damit man sie wenigstens dieses Jahr noch von der Steuer absetzen kann. Stattdessen passiert den Anwälten das Bestmögliche: Sie laufen auf einem hervorragenden Sendeplatz montags um 20.15 Uhr, und sie laufen auch noch werbefrei! Es ist nicht einmal die erste schöne Serie auf diesem Sendeplatz. Auch Mord mit Aussicht war genau dort zu sehen. Man muss sich allmählich wieder damit abfinden, dass das Erste ein Platz für interessante Hauptabendserien sein könnte. (Dass die ARD einst auch schon die alte RTL-Serie Ein Schloss am Wörthersee kaufte und zeigte, sei hier nur aus historischen Gründen erwähnt.)

Die ARD sei also hiermit offiziell gepriesen.

Und ich will ja auch nicht übermütig werden und das Glück herausfordern, aber, liebe ARD, nur so am Rande…:
Kunden, die Die Anwälte gekauft haben, interessierten sich auch für Herzog.

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Michael, 4. September 2008, 14:40.

08/15 — Sie retten deinen Sendeplatz auch nicht

Baywatch ging ja immer so: Jemand, den wir nicht kennen, droht zu ertrinken, dramatische Musik setzt ein, und halbnackte Menschen eilen zur Rettung. In diesem Satz war der Grund versteckt, warum sich so viele Zuschauer für die Rettung von Menschen interessierten, für die an sich sie sich nicht interessierten, weil sie in der Regel keine Vorgeschichte hatten, sondern schlicht ein „Fall“ aus dem Nichts waren.

112 – Sie retten dein Leben geht im Prinzip genauso: Jemand, den wir nicht kennen, der keine Vorgeschichte hat und der nicht umständlich eingeführt wird, hat urplötzlich einen Autounfall, und in dicke Overalls gekleidete Menschen eilen zur Rettung. Merken Sie den Unterschied? Nein, es ist nicht nur das stellenweise Fehlen der dramatischen Musik.

112 – Sie retten dein Leben ist die neue tägliche Serie, die zur Rettung des RTL-Sendeplatzes um 17.00 Uhr eilen soll, der seit der achten Wiederholung der Nanny vor sechs Jahren keinen Erfolg mehr hervorgebracht hat. Im Gegensatz zu allen anderen täglichen Serien ist es keine Soap, sondern Action, hat aber genauso talentierte Darsteller, nur nicht so viel Handlung. Die Serie beschränkt sich in ihren 25-minütigen Episoden auf das, was sie für das Wesentliche hält, also einen mittelspektakulären Unfall und ein paar entschlossene Helfer, und reichert dies nur spärlich mit einer vorgetäuschten Rahmenhandlung aus einer klischeeätzenden Chefin und einem unwilligen Polizistensohn im Schatten seines Vaters, der zugleich sein Chef ist, an. Diese Rahmenhandlung besteht in der ersten Folge zu achtzig Prozent aus einer Diskussion über Betriebskostenaufstellungen, was das Actionextrakt durch eine Überdosis Langeweile aushebelt. Warum darüber hinaus auch im Actionanteil keine rechte Spannung aufkommt, kann ich nicht erklären, aber so ist es nun einmal.

Hermann Johas Firma Action Concept, die auch Alarm für Cobra 11 herstellt, produziert die neue Serie, in der Polizei, Notarzt und Feuerwehr „erstmals unter einem Dach“ zusammenarbeiten. Also, erstmals, wenn man Third Watch ignoriert, an dessen Idee sich auch schon Notruf Hafenkante geringfügig orientierte.

Vielleicht stößt die Serie dennoch in eine Lücke des Fernsehprogramms: Sie ist besser als diese pseudodokumentarischen Laiendarsteller-Krimis wie Lenßen & Partner, die in Sat.1 die Halbstundensendeplätze füllen, aber schlechter als Alarm für Cobra 11, was für sich schon ein interessanter Halbsatz ist. Es passiert auch kaum weniger als im Sendeplatzvorgänger Einer gegen 100, und dass der muskulöse Polizistensohn in der Mitte der ersten Episode seine Jacke auszieht und für den Rest der Rettung im Feinrippunterhemd agiert, ist ein erster Schritt zum Erfolg von Baywatch.


Foto: RTL

112 – Sie retten dein Lebenwerktags um 17.00 Uhr bei RTL.

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Michael, 25. August 2008, 00:11.

Schindluders Liste

Mit drei Jahren Verspätung kommt die viel gepriesene US-Comedyserie My Name Is Earl heute ins deutsche Fernsehen. Ein Kleinkrimineller versucht, sein Leben neu zu ordnen und Gutes zu tun, damit ihm Gutes widerfährt, weil er zum ersten Mal in seinem Leben von „Karma“ gehört hat – just nach einem fiesen Unfall, der ihn ins Krankenhaus brachte. Guter Zeitpunkt also. In ungeordneter Reihenfolge arbeitet er eine Liste seiner Schandtaten ab, sucht die Menschen auf, denen er Schlechtes antat und bemüht sich um Wiedergutmachung. Um diese Leute aufzutreiben, muss er manchmal seinen tumben Bruder unter einem Vorwand vorschicken.

Ich werde nervös, wenn ich lügen muss. Aber Randy ist ein Profi, solange er die richtige Menge Bier drin hat. Und vier scheint die Zauberzahl zu sein.

Als Ich-Erzähler aus dem Off ordnet Earl die Ereignisse historisch ein.

Randy war nicht mehr bei Kennys Eltern gewesen, seit wir sie in der High-School-Zeit ausgeraubt hatten.

Die Serie beginnt mit dieser völlig neuen, originellen Grundkonstellation und ist auch in der Umsetzung gelungen. Die Charaktere sind liebevoll kreiert: Alle sind sie Gauner, doch man fühlt Sympathie für sie, weil es ihnen selbst schlecht geht und sie es neuerdings gut meinen, und Earl tut einem schon fast leid, wenn er völlig überfordert mit der Situation ist, zum ersten Mal in seinem Leben in seiner kleinen Welt einem echten Schwulen zu begegnen. Manchmal drohen die Figuren zu klischeehaft zu werden, bergen dann aber gerade noch rechtzeitig eine Überraschung.

Man erkennt zwar sehr schnell das immer wiederkehrende Schema der Serie, aber der Spaß flaut nicht so schnell ab – und die Geschichten dürften auch noch sehr lange nicht ausgehen. Nach dem Ende der ersten Folge umfasst die Liste noch 258 zu bereinigende Vergehen.


Fotos: RTL

Leider versteckt RTL die Serie mutlos im Nachtprogramm um 23.30 Uhr im Sommer und kündigt vorsichtig nur 11 Folgen an, was nicht einmal der Hälfte der ersten Staffel entspricht. In den USA beginnt im September schon die vierte Staffel. 69 Episoden gibt es bisher – bei RTL2 würde das für eine werktägliche Ausstrahlung mit mindestens Doppelfolgen reichen. Der späte Sendeplatz ist umso enttäuschender, wenn man bedenkt, dass vorher noch Wiederholungen der 90er-Show von vor vier Jahren und von Mario Barth präsentiert die besten Comedians Deutschlands vom vergangenen Sommer laufen. Denn die Serie hat durchaus das Potenzial, auch deutsche Zuschauer zu befriedigen: Sie ist nicht das klassische amerikanische Sitcom-Format mit einer räumlich begrenzten Handlung, die auf einer Bühne vor Publikum gespielt wird, das man hierzulande traditionell ins Samstagnachmittagprogramm oder in die Nacht verbannt, und hat auch kaum popkulturelle Bezüge, die man nur versteht, wenn man sich mit amerikanischen Medien oder dem dortigen Leben als solchem auskennt.

Die Serie ist wie ein Film gedreht, ist eine amüsante und charmante Kleinganovenkomödie und könnte einen schlüssigen Block mit der abgesetzten Eigenproduktion Herzog bilden. Leider ist eher zu erwarten, dass beide Serien sich im Archiv wiedersehen als auf benachbarten Sendeplätzen.

Aber warum so pessimistisch? Vielleicht hat RTL ja heimlich eine Liste mit 259 Programmsünden der letzten Jahre erstellt und beginnt heute mit der Wiedergutmachung. Es wäre ein gelungener Anfang.

My Name Is Earl, freitags um 23.30 bei RTL.

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Michael, 18. Juli 2008, 06:51.

Äußerst liebes Tagebuch

Man würde sich wünschen, dass mal wieder eine Serie daherkommt, die auf den Ich-Erzähler aus dem Off verzichtet. Bei Ally McBeal und Sex And The City war das vor zehn Jahren originell, bei Malcolm mittendrin und Scrubs auch noch, aber dann wurde es allmählich langweilig und man fragte sich, ob diese Produzenten einfach nicht mehr in der Lage sind, eine Handlung so zu verfilmen, dass keine Erklärung mehr notwendig ist.

Nun ist eine Serie, die das Wort „Tagebuch“ im Titel trägt, vielleicht nicht gerade die richtige, um einen Verzicht auf die Off-Stimme zu erwarten. Genau genommen steht da natürlich nicht „Tagebuch“, sondern „Diary“, und warum das so ist, ist unklar. Es glaubt doch nicht ernsthaft jemand, dass die deutsche Serie zurück zum Erfolg geführt werden kann, indem man sie mit englischen Titeln tarnt, oder?


Foto: RTL

Doctor’s Diary ist bestimmt nicht die deutsche Serie, die den Erfolg zurückbringt. Dafür ist sie viel zu gut. Türkisch für Anfänger, wie Doctor’s Diary von Bora Dagtekin geschrieben, ist auch gut und hat leider auch nur wenige Fans.

Das Stilmittel der Ich-Erzählerin mag etwas überstrapaziert sein, stört aber eigentlich nicht, und der ganze Rest ist frisch und originell. Man fragt sich zwar schon aus reiner Gehässigkeit und Gewohnheit die ganze Zeit, wo die Serie zusammengeklaut wurde, und natürlich erinnern einzelne Elemente an andere Serien, doch es sticht nichts Dreistes ins Auge – und schon gar nicht Grey’s Anatomy, trotz der Ausgangskonstellation: Junge Ärztin Gretchen Haase kommt neu an eine Klinik und schwärmt für ihren Vorgesetzten. Doctor’s Diary ist wesentlich origineller und witziger als Grey’s Anatomy, und die Gags sind kurz und subtil, und dann geht es auch gleich weiter, ohne lange darauf herumzureiten.

Telefongespräch an Gretchens erstem Tag.

Dr. Fuchs: „Radiologie, Fuchs.“
Gretchen: „Ja, Dr. Fuchs, Dr. Haase hier.“
Dr. Fuchs: „Sehr witzig.“ (Legt auf.)

Der leichte, lockere, lustige, positive Grundton der Serie passt überhaupt nicht zu RTL, und wenn auch diese Serie floppt, liegt’s vielleicht immer noch daran, dass niemand mit einer solchen Serie rechnet. Umso mehr sollten die deutschen Sender ermutigt sein, in genau diesem Stil weiterzumachen. Irgendwann spricht es sich rum.

Die angenehmste Überraschung in der Serie ist Ursela Monn, die in den 80er-Jahren vor allem in ZDF-Serien zu sehen war. Sie ist als Gretchens betüdelnde, stets besorgte, spießige Mutter die realistischste Figur in der Serie und spielt die Rolle beängstigend überzeugend: Das Kindchen soll ja bloß nicht Karriere machen, sich lieber einen Mann suchen, und vor allem: Iss erst mal was, du bist ja ganz dünn. Während Gretchen, fast 30, Hobby: Schokolade essen, alle paar Minuten Bemerkungen über ihr Übergewicht macht und ihr ein Kleid nach dem anderen platzt, sagt Mutti:

Wir waren alle mal barock. Das verwächst sich.
 


Foto: RTL

Die Angst vor dem Flop ist bei RTL vermutlich wie üblich groß, sonst würde diese schöne Serie nicht im zuschauerarmen Sommer versendet. Da zum Start heute gleich zwei Folgen hintereinander laufen, dürfte aber gewährleistet sein, dass von Doctor’s Diary zumindest mehr Folgen laufen als von der letzten schönen RTL-Serie Die Anwälte.

Doctor’s Diary, montags um 20.15 Uhr bei RTL.

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Michael, 23. Juni 2008, 06:29.

Wirkung von CSI-Gas lässt nach

Der Abstieg der Serie CSI begann mit dem Wechsel von Vox zu RTL. Was beim Ableger CSI: Miami noch geklappt hatte, ließ sich beim Original nicht wiederholen: Eine deutliche Erhöhung der Zuschauerzahlen durch einen Wechsel zum größeren Sender. Ein paar Mal lief’s Ende 2006 noch hervorragend, dann eine ganze Weile wirklich gut, dann durchschnittlich, und inzwischen liegen die CSI-Marktanteile an den meisten Donnerstagen unter dem ominösen Senderschnitt, der als heilige Messlatte empfunden wird. Nach dem Ende der siebten Staffel laufen seit gestern Wiederholungen*, und sie laufen ungefähr auf dem Quotenniveau der nach einer Folge abgesetzten Anwälte.

Gründe? Wer weiß.

Verwirrung? Kaum. Nach fünf Jahren wechselte der Sendeplatz zwar von Mittwoch auf Donnerstag und von 20.15 Uhr auf 21.15 Uhr, und zwischendurch lief da auch mal wieder kurz etwas anderes, aber im Grunde hält sich der Termin seitdem konstant.
Übersättigung? Kann sein. RTL zeigte immer wieder zusätzliche Episoden vorher oder hinterher oder auch mal sonntags, was Vox nie tat, widerstand aber andererseits der Versuchung, wirklich jede Programmlücke, wovon es viele gab, mit CSI zu stopfen.
Grissoms zwischenzeitlicher Ausstieg? Nun, er war ja nach ein paar Folgen wieder da.
Vielleicht ganz normale Abnutzung. CSI läuft jetzt seit sieben Jahren in Deutschland, an den meisten Serien lässt das Interesse sogar schon deutlich früher nach.

Sat.1, wo das Modell mit der von Kabel 1 übernommenen Serie Without A Trace wiederholt werden sollte, gab nach einem Jahr auf und die Serie an Kabel 1 zurück.

Warum gibt RTL CSI also nicht an Vox zurück? Dort bestünde zumindest Anlass zur Annahme, dass sie sich über die derzeitigen Marktanteile der Serie freuen würden, obgleich vermutlich nicht mehr Werte wie einst erreicht würden. Auch die anderen alternden Vox-Krimis haben in der vergangenen Saison erkennbar an Zuschauern verloren.

Vielleicht hängt es einfach damit zusammen, dass der Marktführer ja sonst nichts hat, was er senden kann. Oder will.

*Korrektur 31. Mai:
Wie in den Kommentaren unten richtig angemerkt, war die siebte Staffel von CSI noch gar nicht zu Ende. RTL unterschlug die letzte Episode, vermutlich weil es die erste Hälfte einer Doppelfolge war und man beide Hälften zum nächsten Staffelstart so schön am Stück in Spielfilmlänge zeigen kann.

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Michael, 30. Mai 2008, 12:41.

Alles Fließband

Es gab eine Zeit, da hatte RTL eingesehen, dass das Genre Daily Talk tot ist. Dann starb aber auch der gesamte Rest des RTL-Nachmittagsprogramms, und aus lauter Verzweiflung gibt es deshalb jetzt wieder eine Talkshow um 15.00 Uhr: Natascha Zuraw. Heikle Themen, kontrovers diskutiert in einem als Arena gebauten Studio.

Ein Protokoll der Premiere.

14.57 Uhr: Drei Minuten zu früh. Die neue RTL-Talkarena Natascha Zuraw beginnt wie alle Sendungen des RTL-Nachmittagsprogramms. Schon jetzt erkenne ich den positiven Effekt, dass sie dann wohl wenigstens auch früher zu Ende sein wird.
KT Tunstall singt „Suddenly I See“. RTL ist konsequent: Ein abgedroschener Hit als Titelsong für das abgedroschene Genre Daily Talk.

15.00 Uhr: Natascha Zuraw beginnt mit einem raffinierten Täuschungsmanöver: Ihr erstes kontroverses Thema „Schwanger mit 50″ wird sensibel mit nachvollziehbaren Argumenten diskutiert und erweckt den Eindruck, als sei dies gar keine Sendung für Prolls, die sich gegenseitig ankeifen.

15.07 Uhr: Auftritt keifende Prolls. Nach nicht einmal zehn Minuten war die 50-jährige junge Mutter als Thema erschöpft und das Talkfließband zu einem bekennenden Partyluder weitergelaufen. Die 24-jährige feiert die Wochenenden durch und will berühmt werden, nämlich Schauspielerin in einer Soap. Den Widerspruch in sich erkennt sie nicht. Ihre Schwester will sie zu einem vernünftigeren Leben drängen, drückt sich aber auch nicht besser aus. Eine lange Werbepause, die nicht eingeplant war, sondern rumpelig mitten in die Sendung geklebt wurde, dehnt das Thema auf 20 Minuten aus, bevor Natascha Zuraw es mit all dem psychologischen Geschick, das man bei RTL Shop lernt, beendet.

15.27 Uhr: Eine 19-jährige mit bunten Haaren und mehreren Lippenpiercings als Pickelersatz bekennt sich zu ihrer Faulheit. Zu Hause rührt sie keinen Finger, und Mama räumt ihr ständig hinterher. Und Mama ist auch da und bekennt, ihrer Tochter ständig hinterherzuräumen. Natascha Zuraw, die ihren Job besser macht, als ich erwartet hätte, verkommt zur Mikrofonhalterin für ihr Publikum, das dem Mädchen der Reihe nach die Meinung geigt. Sie selbst sagt kaum noch was, verabschiedet sich von dem Mädchen aber mit dem wegweisenden Rat: „Vielleicht machst ja in Zukunft ein bisschen mehr.“ Wahnsinn.

15.37 Uhr: Zehn Minuten rum, nächstes Talkhäppchen: Eine Familie, die sich unzählige Reptilien hält. Hier scheint jedes Thema möglich zu sein, solange es am Ende viele sind. In der Mitte des Themas wieder ein schlecht hineingeschnittener Werbeblock.

15.54 Uhr: Wie, jetzt noch ein neuer Gast? Es muss doch gleich Schluss sein. Ein Kleptomane schildert sein Problem. Vielleicht packt er in zwei Minuten die Studiodeko ein und verschwindet, dann kann die Sendung noch pünktlich zu Ende gehen.

15.58 Uhr: Tat er nicht. Schade. Sein Problem wurde in den wild gekürzten dreieinhalb Minuten auch kaum gelöst, aber Natascha Zuraw drückt ihm „ganz fest die Daumen“, dass er es in den Griff bekommt.
Premiere vorbei. Wer sich unterhalten fühlte oder einen Erkenntnisgewinn für sich verbuchte, kann ja morgen wieder einschalten. Ich klopfe auf den Tisch und bin weg.

NACHTRAG 6. MAI:
Interessante Einschaltquote zur Premiere: 480.000 Menschen sahen Natascha Zuraw. Das ist haargenau ein Zehntel dessen, was Daily-Talk-Pionier Hans Meiser in der Spitze auf dem gleichen Sendeplatz erreichte.

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Michael, 5. Mai 2008, 16:04.

Stehaufquizchen

Vor knapp acht Jahren, etwa ein Jahr nach dem Start von Wer wird Millionär?, war der Sensationserfolg von Günther Jauchs RTL-Quiz Titelthema vieler Zeitschriften. Kaum eine Publikation kam am Thema vorbei, und keine hatte Negatives zu berichten. Zwölf Millionen Menschen sahen damals zu.

Seit knapp einem Jahr hat die Berichterstattung über Wer wird Millionär? vor allem in zwei viel gelesenen Online-Mediendiensten eine entgegengesetzte Einseitigkeit angenommen. Immer wieder wurde thematisiert, dass Jauchs Marktanteile in der Zielgruppe hinter die der Vox-Serie CSI: NY oder der Sat.1-Montagsfilme oder gar beider zurückgefallen seien. Neue Negativrekorde, zuletzt vor einer Woche, schienen immer eine eigene Schlagzeile wert.

Gute Quoten sind kaum noch Thema, womöglich weil sie noch immer als Normalfall angesehen werden. Insgesamt entsteht durch diese Art der Berichterstattung aber das Bild einer dahinsiechenden Show kurz vor dem Exitus, das weit von der Wahrheit entfernt ist (ebenso wie die ständig neuen Negativrekorde von Wetten, dass…? die Show noch auf viele Jahre nach Zahlen nicht zu einem Misserfolg machen werden).

Deshalb, und nur deshalb, damit das Bild zurechtgerückt wird, sei an dieser Stelle kurz darauf hingewiesen, dass Wer wird Millionär? sowohl am Freitag als auch gestern nicht nur beim Gesamtpublikum, sondern auch in der Zielgruppe mit Marktanteilen jeweils um 20 Prozent mit deutlichem Abstand Marktführer um 20.15 Uhr war und die Show mit sechs bis acht Millionen Zuschauern auch nach fast neun Jahren noch immer eine der erfolgreichsten im deutschen Fernsehen ist.

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Michael, 11. März 2008, 16:24.

Freiwald bald wieder Freiwild

Kurz vor seiner großen Geburtstagswoche zum siebenjährigen Bestehen hat der Verkaufskanal RTL Shop etwas tolles Neues im Angebot: sich selbst. RTL glaubt, wenn schon niemand den Ramsch seines Verlustbringers einzeln kauft, möchte vielleicht jemand gleich den ganzen Shoppingsender. Noch in diesem Halbjahr soll er verkauft werden.

Das könnte auch die Marktanteile des Muttersenders geringfügig verbessern. Zur Bewerbung seines Shoppingkanals sendet RTL derzeit nachts und morgens jeweils ein einstündiges Fernsterprogramm seines Verkaufsfernsehens und nimmt für den Werbeeffekt die katastrophalen Marktanteile in der Gegend von einem Prozent in Kauf. Auch nachfolgende Programme werden dadurch nach unten gezogen. Dies könnte man dann beenden.

Also: Rufen Sie gleich an! Nur noch ein Stück vorrätig! Bestellnummer 1. RTL Shop, 24-stündig, in trendigen Farben. Und wenn Sie gleich anrufen, bekommen Sie Starmoderator Walter Freiwald gratis dazu! Statt 29999999,95 € Nur 19999999,90 €.

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Michael, 20. Februar 2008, 15:45.

Rufmord

Entgegen der Hoffnung haben die Narren bei RTL nicht bis nach Karneval mit der nächsten Absetzung gewartet. Und so besetzt RTL weiter die eigentliche Kernkompetenz von ProSieben und bereinigt nebenbei sein Programm von guten deutschen Serien. Klar, die fielen ja auch irgendwie merkwürdig auf.

Herzog hat es nun getroffen. Die tolle Anwaltscomedy mit Niels Ruf wurde nach drei Folgen gekillt, und stattdessen laufen jetzt Doppelfolgen der marginal weniger erfolglosen Angie. Wenigstens hat das den Vorteil, dass dann auch Angie schneller vorbei ist.

Weil wir wissen, dass RTL hier mitliest, und obwohl wir wissen, dass RTL ignoriert, was hier steht, machen wir jetzt mal einen Vorschlag.

RTL sucht angeblich nach einem „männer-affineren Sendeplatz“. Hier ist einer: dienstags nach Dr. House. Die Serien passen zusammen, ohne sich zu sehr zu ähneln. Man müsste natürlich auf ein paar Viertausstrahlungen von Monk verzichten, sobald die neuen Folgen im Frühjahr durch sind. Aber dort könnte man dann auch gleich anschließend um 22.45 Uhr My Name Is Earl endlich zeigen, eine originelle US-Comedy, die schon eine Weile im RTL-Archiv schmort. Der Stundensendeplatz wäre gefüllt, Herzog und Earl hätten endlich eine verdiente Heimat (bisher ist nämlich davon auszugehen, dass niemandem etwas Besseres einfallen wird, als auch Earl in Doppelfolgen an einem späten Freitagabend zu versenden), und man hätte endlich einen Erfahrungswert, ob Comedy an einem anderen Tag am toten Freitag funktioniert. Also nur Vorteile. Law & Order um 23.15 Uhr ist sowieso ein Selbstläufer und braucht keinen Monk als Vorprogramm.

Gut, aber da könnte natürlich jeder daher kommen und Sendeplatzvorschläge machen. Deshalb hier noch ein stinkender Link als Referenz.

Natürlich würden diese Umprogrammierungen einen gewissen Mut voraussetzen, von einem erfolgreichen Programmschema abzuweichen. — Mut! Haha, selten so gelacht.

Letztendlich ist die Suche nach einem Sendeplatz aus Sendersicht aber eine schwierige Sache. So ein Sendeplatz versteckt sich nun mal gut, da muss man eine Weile suchen. Schließlich geht es darum, einen aufzutreiben, den die Zuschauer noch viel schwerer finden können als man selbst.

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Michael, 5. Februar 2008, 20:46.
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