Der Sonne entgegen
1985–1986 (ARD). 12-tlg. dt.-österr. Comedy-Abenteuerserie von Gerald Gam, Regie: Hermann Leitner; ab 2. Staffel: Gottfried Schwarz.
Vier Aussteiger suchen das große Abenteuer und die große Freiheit. Der Hamburger Tankstellenbesitzer Hannes „Mecki“ Meckelfeld (Ulrich Faulhaber) hält es bei seiner keifenden Frau und der Schwiegermutter nicht mehr aus und brennt durch. Im kleinen Fischerdorf Valun in Kroatien trifft er auf den gestressten Anwalt Dr. Günter Zack (Heinz Petters), dem sein Job über den Kopf gewachsen ist, den Maler Joe Felden (Raffael Wilczek), den Selbstzweifel plagen, seitdem er gemerkt hat, dass er heute zwar viel Geld für dämliche Bilder bekommt, aber früher ein ernsthafter Künstler war, und den Wiener Caféhaus-Inhaber Ludwig „Wickerl“ Hawratil (Erwin Steinhauer), der die Schutzgelderpresser nicht mehr bezahlen konnte. Die vier beschließen, in Valun zu bleiben und das Leben zu genießen. Sie freunden sich sofort mit der Gemüsehändlerin Ivanka (Meta Vranic) an. Joe wohnt zunächst in einem alten Bootswrack, von dem sich herausstellt, dass es Luca (Josef Meinrad) gehört, einem alten Mann, der in den Bergen einen Einmannzirkus betreibt. Weil das Geld knapp wird, bringen die Aussteiger mit dessen Segen das Boot auf Vordermann, um es vermieten zu können oder Botendienste damit zu erledigen. Sie taufen es auf den Namen „Tohuwabohu“. Fortan leben sie von Gelegenheitsaufträgen und der Umsetzung beknackter Ideen, die sich aber immer nur vorübergehend als ertragreich entpuppen.
Joe will wieder malen und zieht in die Berge, und der 12-jährige Dusco (Harald Gauster) wird viertes Besatzungsmitglied. In Folge 5 reisen Meckis Frau Gisela (Irmgard Riessen) und seine Schwiegermutter Käthe (Heidi Kabel) plötzlich an. Überraschend flammt zwischen Mecki und Gisela die alte Liebe wieder auf, und sie genießen jetzt die gemeinsame Zeit.
Mit Beginn der zweiten Staffel (Folge 7) sind Mecki, Gisela und Joe zurück in Deutschland, kehren jedoch für einen Urlaub zurück. Der Schriftsteller Georg Lüftl (Towje Kleiner) kommt außerdem nach Valun, um Ruhe zum Schreiben zu finden, sucht sie aber lange Zeit vergeblich. Käthe eröffnet erst eine Disco und dann ein Gasthaus, und schließlich fällt eine große Meute Touristen in Valun ein, weil ein Zeitungsreporter den Ort in seinen Artikeln angepriesen hat. Mit der Ruhe im ehemals abgeschiedenen Dorf ist es vorbei, und die Freunde segeln auf ihrem Boot davon.
Romantisch-humorvolle Fernweh-Serie, die überwiegend auf der Insel Cres gedreht wurde. Die Musik zur Serie stammte von Ralph Siegel, den Titelsong sang Udo Jürgens. Die 50-minütigen Folgen liefen dienstags um 20.15 Uhr.
Der Staatsanwalt
Seit 2005 (ZDF). Dt. Krimiserie .
Bernd Reuther (Rainer Hunold) kehrt als Oberstaatsanwalt nach Wiesbaden zurück, wo er zehn Jahre zuvor schuldlos bei einem Unfall eine Frau getötet und seine Ehefrau Sonja sehr schwer verletzt hat, die seitdem nicht mehr sprechen oder sich bewegen kann. Er rauft sich mit seinem Sohn Thomas (Marcus Mittermeier) zusammen, den er die ganze Zeit vernachlässigt hatte. Thomas ist inzwischen Hauptkommissar beim Morddezernat. Gemeinsam ermitteln sie, unterstützt von Thomas‘ Kollegin Kerstin Klar (Fiona Coors). Im September 2007 erfahren die Reuthers, dass Sonja vor dem Unfall eine Affäre mit Bernds Freund Konrad Seitz (Rüdiger Vogler) hatte. Noch in der gleichen Folge brennt unter mysteriösen Umständen das Pflegeheim ab, in dem Sonja untergebracht war.
Nach einem sehr erfolgreichen Pilotfilm am Montagabend kündigte das ZDF eine Reihe mit dem Staatsanwalt an. Es folgte zwei Jahre später ein weiterer 90-minütiger Fernsehfilm und ab September 2007 eine Miniserie mit vier einstündigen Folgen. Sie liefen mittwochs um 20.15 Uhr. Jede Folge beinhaltete nun einen abgeschlossenen Fall, gleichzeitig zogen sich die Ermittlungen im Todesfall Sonja über die gesamte Staffel. Die nächste Staffel startete Anfang 2009 auf dem klassischen Freitagskrimi-Termin um 20.15 Uhr.
Der Staatsanwalt hat das Wort
1965–1991 (DFF). 139-tlg. DDR-Kriminalreihe.
Im Gegensatz zum „normalen“ Krimi, der mit einem Verbrechen beginnt und dessen Aufklärung zeigt, beschäftigen sich diese „kriminologischen Fernsehspiele“ mit den Umständen, die überhaupt erst zu einem Verbrechen führen, der Psychologie des Täters, wie er auf die schiefe Bahn geriet. Dabei geht es meist um kleinere Delikte, selten um Kapitalverbrechen. Der Staatsanwalt Dr. Peter Przybylski, vorher Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft der DDR, kommentiert das Gezeigte.
Ein spannender Krimi, in dem plötzlich ein echter Staatsanwalt mit strenger Brille auftaucht und die Dinge einordnet und erklärt? Es klingt nach harter propagandistischer Kost und Zuschauerabschreckung, doch tatsächlich war Der Staatsanwalt hat das Wort eine beliebte Reihe in der DDR und inhaltlich ein Fortschritt. Erstmals in einer DDR-Krimiserie kam nicht mehr alles Böse aus dem Westen; hier ging es fast ausschließlich um Vergehen von DDR-Bürgern. Anlass für die Kehrtwende war vermutlich, dass einige Jahre nach dem Mauerbau westliche Kriminelle nicht mehr glaubwürdig als Hauptquelle des Verbrechens in der DDR taugten.
Aber auch das neue Strafsystem sollte mit der Reihe, die nach dem Vorbild des westlichen Das Fernsehgericht tagt entwickelt wurde, unterhaltsam erklärt werden. Hauptanliegen sollte die Kriminalitätsprophylaxe sein. Deshalb kämpfte vor allem die Generalstaatsanwaltschaft der DDR sehr für die Reihe und setzte sich gelegentlich auch gegen Widerstände der überängstlichen Politiker durch, die jedes DDR-Vergehen im Krimi am liebsten verharmlost hätten. Eine 1979 gedrehte Folge zum heiklen Thema Republikflucht schaffte es — obwohl während der Flucht ein Kind stirbt und die Geschichte sehr abschreckend wirkt — dennoch nicht bis zur Ausstrahlung und lief erst 1990, nach der Wende.
Zu jeder Folge gab es Foren vor Ort, die den Kontakt zum Publikum herstellten. Autor, Regisseur und oft auch ein Staatsanwalt gingen in die Betriebe und beantworteten Fragen. Die Mischung aus fiktiver Spielhandlung und Kommentar kannten die Zuschauer schon aus dem Fernsehpitaval. Der Staatsanwalt hatte zunächst vor, während und nach dem Film das Wort, später nur noch davor und danach. Anfangs liefen drei Folgen jährlich in loser Reihe, in den 70er-Jahren fünf, in den 80er-Jahren sechs bis sieben. Nach wechselnden Sendeplätzen wurde die Reihe im Wechsel mit dem Polizeiruf 110 sonntags abends ausgestrahlt.
Mit dem Ende der DDR lief auch diese Reihe aus. Noch nach der Wende trat Przybylski in einer im Herbst 1989 gedrehten Folge auf, löste aber wütende Proteste aus. Danach wurde seine Rolle durch Schrifttafeln, Abmoderationen oder Live-Diskussionen ersetzt. Die letzten vier Ausgaben liefen in der DFF-Länderkette, die aus DFF 1 und DFF 2 hervorgegangen war. Die letzte, 139. Folge nach 26 Jahren trug den Titel „Bis zum bitteren Ende“. Überlegungen, die Reihe mit einem Richter als Kommentator unter dem Titel „Der Richter hat das Wort“ fortzusetzen, wurden nicht weiterverfolgt.
Der Standard
Spannend, informativ, bisweilen umwerfend komisch, in jedem Fall aber ungemein treffsicher sind die Einträge zu Serien, Shows und Sendungen, die im deutschen Fernsehen seit 1952 liefen. So habe etwa MacGyver in aussichtsloser Situation meist nicht mehr als „Kaugummi und Büroklammer in der Hosentasche. Zum Glück fand er dann, sagen wir, ein halbes Stück Käsekuchen, sodass er aus den drei Gegenständen schnell eine Atombombe basteln konnte.“
Der totale Raab
Den Sendergeburtstag hat ProSieben im Januar nicht gefeiert, den seiner Sendung TV Total feiert es durchaus. Das ist konsequent und ehrlich, denn denken Sie doch mal einen Moment darüber nach, wofür ProSieben heute stünde, gäbe es nicht TV Total und alles, was TV Total mit sich bringt. Gell, da müssen Sie schmunzeln. Und jetzt ziehen Sie nur so aus Spaß auch noch Die Simpsons ab. Eben.
Screenshots: ProSieben.
TV Total im Wandel der Zeit. Oben: Januar 2006, unten: Oktober 2008.
Heute vor zehn Jahren begann das, was zunächst eine ganz normale Erfolgssendung wurde. Ein wöchentliches Ereignis, zu dem montags um 22.15 Uhr vier Millionen Menschen einschalteten. Heute muss man die Zuschauerzahlen aller vier wöchentlichen Ausgaben addieren, um auf diese Menge zu kommen, aber das ist längst nicht mehr der Punkt. Aus einer wöchentlichen Abrechnung mit den Unsäglichkeiten des Fernsehens ist eine ganz klassische Late-Night-Show geworden, mit Witzen zum Tagesgeschehen und Gästen, die ein Produkt bewerben, und manchmal ist sie selbst eine Unsäglichkeit des Fernsehens.
Vor allem aber ist TV Total eine Gewohnheit, wie es sie im Fernsehen am späten Abend geben sollte. In den USA gibt es sechs solcher Late-Night-Gewohnheiten, und ihre Amtszeiten zeigen, dass diese Formate auch von ihrer Langlebigkeit leben (ja, klingt komisch): David Letterman (seit 27 Jahren), Jay Leno (17 Jahre), Conan O’Brien (16 Jahre), Jimmy Kimmel (sechs Jahre), Craig Ferguson (vier Jahre) und Jimmy Fallon (eine Woche). Demnach dürfte Raab noch relativ am Anfang sein. Thomas Gottschalk, Thomas Koschwitz und Harald Schmidt erklärten Letterman und Leno öffentlich zu ihren Vorbildern, doch Gottschalk und Schmidt fehlte eine der wichtigsten Eigenschaften, die Ausdauer, und bei Thomas Koschwitz wollte RTL lieber nicht warten, ob er sie vielleicht habe.
Nur Stefan Raab hat begriffen, dass eine Show nur dann eine Institution werden kann, wenn man einfach nicht mit ihr aufhört (obwohl er es schon mehrfach angekündigt hatte). Das, und natürlich die Tatsache, dass sich all seine anderen Shows so wunderbar in TV Total bewerben lassen. Und das ist der andere Punkt: In der Programmwoche, die gestern begonnen hat, füllt Stefan Raab zehn Stunden (Nachtwiederholungen von TV Total nicht mitgerechnet). Das ist sogar eine Stunde mehr als Die Simpsons.
Ohne Raab wäre sein Sender ziemlich leer und ohne Alternativen. Denn so viele Serien, wie Sendeplätze frei wären, könnte nicht einmal ProSieben absetzen.
Der Traum vom eigenen Restaurant (und der erfolgreichen Restaurant-Doku)
Viele Fernsehsendungen scheitern schon daran, dass sie sich nicht einmal Mühe geben. Die neue Vox-Sendung Mein Restaurant ist da ganz anders. Sie scheitert daran, dass sie sich viel zuviel Mühe gibt.
Es soll die teuerste Vox-Sendung aller Zeiten sein. Und selbst wenn man das nicht weiß, ahnt man in jeder Minute, wie wichtig es ist, dass die Sendung unbedingt, auf jeden Fall, aber garantiert ein Erfolg wird. Die Macher haben sich nicht darauf verlassen, dass die eigentlich nette Idee schon trägt, dass zwei oder drei Teams um die Wette ein Restaurant gründen müssen. Es müssen gleich fünf Teams sein, in fünf verschiedenen Städten. Die leerstehenden Ladenlokale, die sie dafür bekommen, müssen auch noch kunstvoll verwüstet sein, mit tonnenweise Bauschutt und Graffiti und Schimmel und allem drum und dran. Die Kandidatenpaare müssen auch noch zwischendurch künstlich getrennt werden und einer von beiden wichtige Entscheidungen über die Realisierung des gemeinsamen Lebenstraum alleine treffen, während der andere an einem albernen Kochkurs teilnimmt (selbst wenn er später gar nicht kochen wird in seinem Restaurant). Und sie müssen auch noch ihr Konzept der Jury, die ihnen unterschiedlich viel Geld für die Umsetzung gibt, in nicht mehr als sechzig Sekunden vorstellen, was sie vorher nicht wussten.
Fotos: Vox
Das gehört vermutlich alles dazu, um aus der Doku-Soap mit Wettbewerb eine „Event-Doku“ zu machen, aber es ist ziemlich unentspannt, nicht nur für die Protagonisten, sondern auch für die Zuschauer.
Und auch die Kandidaten sind danach ausgesucht worden, dass es ganz flippige, extrovertierte Menschen sind, was dazu führt, dass in der ersten halben Stunde sich die Paare eigentlich ununterbrochen in den Armen lagen und vor Glück quietschten oder mit einander knutschten: Weil sie dabei sein durften. Weil der Bote mit dem Schlüssel kam. Weil sie endlich vor ihrem zukünftigen Restaurant standen. Weil sie endlich in ihrem Restaurant standen. Später, als die Jury ihnen zusetzte und bei den meisten vor Anspannung oder Enttäuschung die Tränen flossen, lagen sie sich dann auch noch über Kreuz ewig in den Armen, um einander zu trösten. Es menschelte ganz schrecklich – ich bin zu misanthropisch für sowas.
So crazy wie die Paare sind auch ihre Ideen. Keiner will einfach ein tolles Restaurant gründen, in dem man schön sitzen, essen und trinken kann. Die einen träumen von einem Alice-im-Wunderland-Themenpark mit drei Bereichen und Riesen- und Miniportionen, die nächsten stellen den Alptraum eines Familienrestaurants vor, in das Eltern ihre Klein- und Kleinstkinder mitbringen können (was Juror Tim Mälzer zu Recht sehr abwegig fand), die anderen denken, wie toll das wäre, wenn das Personal nicht nur kochen, spülen und bedienen, sondern zwischendurch auch noch tanzen, singen und Kunststücke vollführen würde.
Sie scheinen teilweise ihre alten Jobs gekündigt zu haben, um an diesem Spiel teilzunehmen, an dessen Ende, nach vielen Wochen Stress und dem Votum der Jury und der Zuschauer, nur ein Paar wirklich sein Restaurant behalten darf. Deshalb sind sie fast so unentspannt wie der Sender Vox, der ein Riesenproblem hat, wenn sich diese Investition und das Freiräumen von zwei Prime-Time-Sendeplätze pro Woche nicht lohnt.
Es ist ja schön, dass sich ein Sender etwas traut und ambitioniert ist, und missraten ist die Show sicherlich nicht. Aber mir ist das alles zu anstrengend. Und angesichts der durchwachsenen Quoten der ersten Sendung fürchte ich: anderen auch.
Mein Restaurant, dienstags und freitags, 20.15 Uhr, Vox.
Der US-Comedy-Präsident
Vor einem Jahr berichteten wir mehrfach über das, was wir den „US-Comedy-Wahlkampf“ nannten. Im Vorfeld einer Präsidentschaftswahl ist es in den USA üblich, dass die Kandidaten Auftritte in den Late-Night-Comedyshows absolvieren, und im vergangenen Jahr mehr als je zuvor gaben sie sich nicht nur für Interviews, sondern auch für Gags her.
Unüblich war bisher, dass der Wahlsieger sich auch nach Amtsantritt noch in den Late-Night-Shows blicken lässt. Insofern war es ein großes Fernsehereignis, als Barack Obama im März als erster amtierender US-Präsident Gast als Talkgast in einer solchen Show auftrat. Die Tonight Show with Jay Leno mit dem angekündigten hohen Besuch erreichte an diesem Abend eine Einschaltquote, die nicht mal von Lenos Abschiedshow vor zwei Wochen übertroffen wurde.
Innerhalb von nur acht Tagen war Obama nun in zwei weiteren Late-Night-Shows zu sehen und dürfte damit wahrscheinlich schon jetzt der humorvollste Präsident aller Zeiten sein.
Beide Auftritte kamen überraschend (und als Zuspielung). In der ersten Woche der neuen Tonight Show with Conan O’Brien erklärte Obama in einem Interviewausschnitt gegenüber NBC-Nachrichtenmoderator Brian Williams, man habe stundenlang im Weißen Haus darüber diskutiert, wie ein fließender Übergang von Jay Leno zu Conan O’Brien zu schaffen sei.
(Falls das NBC-Video wieder nicht lädt: Sie finden es auch hier.)
Stephen Colbert erhielt von Obama zu Beginn dieser Woche eine klare Anweisung. The Colbert Report sendet diese Woche aus Bagdad (ja, wirklich), und das Publikum besteht aus Soldaten mit Einheitsfrisur. Colberts Gast, General Ray Odierno, der Oberkommandierende der Truppen im Irak, drängte Colbert dazu, sich ebenfalls den Kopf scheren zu lassen. Colbert merkte an, dazu bedürfe es schon einer höheren Instanz.
Der US-Comedy-Wahlkampf (2)
Es wäre gut für die Show, wenn nur ein Kandidat teilnähme. Das mag dann kein so gutes Zeichen für unser Land sein, aber wenn es darum geht, eine Satire zu produzieren, wäre es ein Geschenk.
Es ist Freitagmittag, und noch immer steht nicht fest, ob die erste Debatte der amerikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain und Barack Obama heute Abend überhaupt stattfindet. Sie ist für heute Abend geplant, und Obama bleibt bei seiner Zusage, während John McCain erst einmal die Finanzkrise lösen will, das sei jetzt wichtiger. Obama kontert, wer Präsident sein wolle, müsse sich notfalls mit mehreren Dingen gleichzeitig beschäftigen können.
Das obige Zitat aus einem aktuellen Variety-Artikel stammt von NBC-Latenight-Chef Rick Ludwin, als solcher u.a. verantwortlich für den Sketch-Show-Klassiker Saturday Night Live, eine Sendung, die morgen Abend recht kurzfristig auf den Verlauf des TV-Duells reagieren muss. Würde Barack Obama tatsächlich als einziger Kandidat erscheinen, schriebe sich die Show quasi von selbst.
Doch auch ohne eine solche Sensation ist der Wahlkampf gut für die Comedyshows. Seit er begonnen hat, also vor gefühlten drei Jahren, müssen sich die Autoren nicht nur um mangelnde Themen, sondern auch um mangelndes Zuschauerinteresse keine Sorgen machen. Politikverdrossenheit hin oder her, wenn sich jemand über den Wahlkampf lustig macht, sind die Zuschauer dabei. Variety berichtet, die Zuschauerzahlen von Saturday Night Live seien im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent höher, und führt das u.a. auf die gelungenen Parodien der republikanischen Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin zurück, gespielt von der mehrfachen Emmy-Gewinnerin Tina Fey. Hier zu sehen an der Seite von Hillary Clinton (Amy Poehler). (Noch eine Zusatzinformation: Sketche in Saturday Night Live sind meistens lustig und fast immer deutlich zu lang.)
Und die Daily Show with Jon Stewart (in Deutschland dienstags bei Comedy Central), die ihren Durchbruch während der verkorksten Präsidentschaftswahl vor acht Jahren hatte, fuhr laut Variety vergangene Woche die bisher höchsten Einschaltzahlen ihrer Geschichte ein.
Der Wahlkampf ist Comedy-Gold, und wenn ein Kandidat ankündigt, seinen Wahlkampf aus aktuellem Anlass auszusetzen, dann trotzdem.
Die Kandidaten selbst machen sich unterdessen zumindest in den Comedyshows etwas rarer. Im Vorwahlkampf noch hatten sie an allen erdenklichen Gags teilgenommen (wir berichteten), jetzt begeben sie sich eher in ihre Rolle als seriöse Kandidaten und streuen nur noch beiläufig kleine Witzchen ein. John McCain trat zuletzt vor einem Monat in der Tonight Show with Jay Leno auf, als Sarah Palin noch nicht als seine Vize-Kandidatin feststand und er andeutete, Leno könnte es werden.
Barack Obamas letzter großer Entertainment-Auftritt war vor zwei Wochen in der Late Show with David Letterman . Er sprach eine halbe Stunde lang sehr ernsthaft über Terror, Sarah Palin, Bill Clinton und die wirtschaftliche Lage, musste aber auch Lettermans Frage beantworten, ob er nicht Angst habe, dass seine 87-jährige Oma jemanden wähle, der eher in ihrem Alter ist. Obama: „Ich habe sie zu ihren Bridge-Partnern geschickt. Sie soll versuchen, ein paar Stimmen aus dieser Zielgruppe für mich zu gewinnen!“
Update 18.30 Uhr:
John McCain hat mittlerweile seine Teilnahme am TV-Duell zugesagt. Abgesagt hat er dagegen sehr kurzfristig seinen geplanten Auftritt bei David Letterman am Mittwochabend (Danke an Armin für den Hinweis in den Kommentaren und den Link), ebenfalls wegen der Finanzkrise. Er könne nicht an der Show in New York teilnehmen, er müsse dringend nach Washington. Blöd für ihn, dass Letterman, der dringend einen Ersatzgast brauchte, stattdessen eben einen prominenten Obama-Unterstützer einlud. Blöd auch, dass McCain zu der Zeit, zu der er eigentlich in Lettermans Studio verabredet war, sich in Wirklichkeit in einem anderen Fernsehstudio in New York aufhielt und für ein Interview bereit machte. Nach Washington flog er erst am nächsten Morgen. Und erst recht blöd, dass dieses Interview beim gleichen Sender stattfand, bei dem auch Letterman arbeitet, und Letterman die hauseigenen Kameras zeigen ließ, wie McCain gerade für dieses andere Interview geschminkt wurde.
Hier sind die Höhepunkte aus Lettermans wütenden, sendungsfüllenden Reaktionen:
Der US-Comedy-Wahlkampf (3)
Am 2. November, zwei Tage vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl, läuft die diesjährige Halloween-Folge der Simpsons: „Treehouse of Horror XIX“. Und eine Szene daraus ist sogar schon bekannt:
Das ist natürlich toll, dass eine Serie mit einem Produktionsvorlauf wie die Simpsons es überhaupt schafft, auf einen aktuellen Wahlkampf mit den konkreten Namen der Kandidaten Bezug zu nehmen. Der Witz ist allerdings ein 2004-Witz und wirkt angesichts der tatsächlichen Themen und Pointen dieses Wahlkampfs hoffnungslos antiquiert (nicht dass das Thema nicht abrupt wieder ganz aktuell sein könnte).
Aber wer hätte auch vor ein paar Wochen noch ahnen können, dass eine einzige Frau ganz allein genug Material liefern würde, um die komplette amerikanische Humorindustrie zu beschäftigen. Die Interviews, die Sarah Palin, die Vize-Präsidentschaftskandidatin der Republikaner, der CBS-Moderatorin Katie Couric gegeben hat, sind schon jetzt legendär. Tina Fey konnte die Sätze in ihrer „Saturday Night Live“-Parodie am vergangenen Wochenende mit Amy Poehler teilweise einfach wörtlich nachsprechen:
Aber eine meiner Lieblingsparodien auf Sarah Palin basiert noch auf einem früheren Interview mit ABC-Nachrichtenmoderator Charlie Gibson und ist von Waco O’Guin:
Heute Nacht (3 Uhr MESZ) findet die Debatte der beiden Vizepräsidentschaftskandidaten statt. Das ZDF und Phoenix übertragen ab 2.50 Uhr (bei Phoenix passenderweise gefolgt von der Dokumentation „Die schnellsten Pfoten von Alaska“), CNN International beginnt schon um 2 Uhr mit der Vorberichterstattung.
Und das Fernsehlexikon ist mit einem Live-Blog dabei — und zwar hier.
Der US-Comedy-Wahlkampf (4)
John McCain und Sarah Palin, das amerikanische Duo, das sich für die Republikaner um die Präsidentschaft bewirbt, hat viel gutzumachen. Vor allem Boden, denn zweieinhalb Wochen vor der Wahl führt Barack Obama in den meisten Umfragen deutlich. Und natürlich ein paar schlimme Patzer, die durch die Medien gingen.
Vize-Kandidatin Palin war in einem CBS-Interview nicht in der Lage, eine einzige Zeitung zu nennen, die sie angeblich lese, und hält es allen Ernstes für ein Zeugnis außenpolitischer Erfahrung, dass Russland so nah an Alaska liegt, dem Staat, dessen Gouverneurin sie ist. Das alles waren fantastische Vorlagen für herrliche Parodien im US-Comedy-Klassiker Saturday Night Live. Seit Wochen spielt Tina Fey Palins Rolle perfekt. (Wir berichteten.)
Vor ein paar Stunden traute sich die echte Sarah Palin in die Show, und da auch Fey im Palin-Kostüm anwesend war, konnte man schon mal durcheinander kommen.
In der Eröffnungsszene spielt Tina Fey eine Pressekonferenz, und Saturday-Night-Live-Produzent Lorne Michaels und Sarah Palin sehen sich die Szene auf einem großen Bildschirm an. Alec Baldwin, der zusammen mit Tina Fey in der Emmy-prämierten Serie 30 Rock spielt, kommt dazu und begrüßt Lorne und „Tina“, die da gar nicht steht. In Anwesenheit Palins bittet er Michaels, sich die Sache noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen: Er könne doch nicht „unsere Tina“ mit dieser furchtbaren Frau auf die Bühne lassen, die so entsetzliche Ansichten habe.
Und John McCain bemühte sich diese Woche um Versöhnung mit David Letterman. Den hatte er vor ein paar Wochen sehr kurzfristig mit gelogenen Ausreden versetzt. Er müsse wegen der Finanzkrise dringend zurück nach Washington, hatte er behauptet, war dann aber in Wirklichkeit in einer anderen Fernsehsendung aufgetreten, die genau wie Lettermans Late Show in New York produziert wurde. (Wir berichteten ebenfalls.)
Jetzt mögen sie sich wieder einigermaßen, denn McCain ist für eine Fernsehsendung immer ein dankbarer Gast. Etwa ein Dutzend Mal war er schon bei Letterman, und diese Woche holte er den für September geplanten Auftritt nach. Letterman ging McCain härter an als gewohnt an, drängte auf eine Erklärung für seine damalige Lüge und fragte nach seinem Verhältnis zu Gordon Liddy, der unter Richard Nixon der Kopf der Watergate-Affäre war und dafür ins Gefängnis musste. Dennoch hielt sich Letterman genügend zurück, um McCain nicht für immer zu vergraulen, denn Letterman möchte, dass McCain wiederkommt. Da derzeit nur noch wenig darauf hindeutet, dass McCain Präsident werden könnte, dürfte er die Zeit dafür haben.