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Der Bluff

Montag, 29. Dezember 2008, 00:49

2008 (RTL 2). Doku-Reality-Reihe. In wenigen Wochen sollen Menschen lernen, sich in einem ihnen völlig fremden Beruf zu bewähren, so dass eine Jury sie in einem Test nicht von echten Profis unterscheiden kann. Ein zarter Poet muss sich in einen Gangsta-Rapper verwandeln, eine Burger-Braterin zur Sterne-Köchin werden.

Der Bluff war bereits der dritte Anlauf des deutschen Fernsehens, das wunderbare britische Format „Faking It“ von Channel 4 zu importieren. 2002 scheiterte RTL mit einer Fassung namens Die Blender, ein Jahr später probierte es der WDR unter dem Titel Fake. Der späte RTL-2-Versuch misslang völlig und wurde nach nur zwei zweistündigen Sendungen, die montags um 21.15 Uhr liefen, aufgegeben.

Der Comedy-Flüsterer

Mittwoch, 14. Februar 2007, 19:18

Seit 2007 (Kabel 1). Versteckte-Kamera-Show mit Mike Krüger.

Zwei Prominente schlüpfen in total lustige Verkleidungen und bringen unschuldige Opfer in total lustige Situationen. Dabei müssen sie den total lustigen Anweisungen folgen, die Mike Krüger ihnen über einen Knopf im Ohr übermittelt. Hinterher sitzen sie im Studio, finden alles total lustig und lassen von den Zuschauern zu Hause entscheiden, wer der „Lockvogel der Woche“ ist.

Sichtlich preisgünstige und mühsam auf eine Stunde gestreckte Mischung aus der Schillerstraße und der Comedy-Falle. Kabel 1 zeigt zehn Folgen montags um 20.15 Uhr — im Doppelpack mit Mein schlimmster Tag unter dem nur zur Hälfte zutreffenden Label „Funday Monday“.

Der Deutsche Fernsehpreis 2007 – LIVE

Samstag, 29. September 2007, 19:29

Okay, nicht „live“ im Sinne von live, schließlich herrscht zwischen dem Coloneum in Köln-Ossendorf und dem Rest der Welt heute eine zweistündige Zeitverschiebung, aber so live, wie es vom Sofa aus geht.

19.25 Uhr. Ist noch gar nicht losgegangen, und schon der erste Knaller: Michael Schumacher bekommt den Deutschen Fernsehpreis 2007. In der Kategorie „Bester ehemaliger Rennfahrer“… nee, gar nicht wahr. Ohne Kategorie. Ein „Sonderpreis“. Von wem Schumacher ausgewählt wurde, ist unklar. Vielleicht hat der federführende Sender (in diesem Jahr Formel-1-Sender RTL) einfach einen PR-technisch nützlichen Preisträger frei. Ah ja, der RTL-Sportchef schwärmt in der Pressemitteilung: „…hat die Formel 1 2006 zwar eine Lichtgestalt verloren, doch schon 2007 hat sie eindrucksvoll bewiesen, welcher Glanz weiter von ihr ausgeht.“ Kann man so sehen, muss man aber nicht.

19.38 Uhr. SMS-Hilferuf live aus dem Coloneum:

Es wird ganz schlimm. Schon das warm up. Horror.

Ist grade der große Autorenstreik? Niemand da zum Moderationen schreiben. Schreyl schnauzt alle an.

19.42 Uhr. SMS-Hilferuf live aus dem Coloneum:

Einige haben sich Bücher mitgebracht und lesen in der letzten Reihe. Echt. Es ist endlos.

Rückfrage von mir: „Im Saal??“ Antwort:

Ja. Schwöre.

19.52 Uhr. Ah, schön, RTL hat natürlich das gleiche dehnbare Verständnis von einer „Live“-Berichterstattung und blendet schon während der (vor mindestens zwei Stunden aufgezeichneten) Vorberichterstattung mit Frauke Ludowig das LIVE-Logo in der Ecke ein.

19.57 Uhr. Frauke Ludowig verrät, was Moderator Marco Schreyl vor der Sendung macht: Oh Gott ja, er wird geschminkt. Ich dachte, wir sehen jetzt endlich mal, wie er auf eine Moderationskarte die Worte schreibt: „Herzlich Willkommen, meinen Damen und Herren, in Köln!“


20.02 Uhr. Armin Morbach kommentiert im RTL-„Klamottencheck“ die Kleidung der weiblichen Gäste und hat dafür so einen bemalbaren Monitor bekommen, auf dem sonst die Fußballexperten Aufstellungen und Spielzüge einzeichnen, und kringelt die Dinge ein, von denen er redet. Endlich sieht man mal, was die Modeleute meinen, wenn von „Handtaschen“ oder „Schuhen“ die Rede ist.

20.14 Uhr. Marco Schreyl sagt: „Wir können schon mal sagen, es wird ein besonders schöner Fernsehpreis.“ Genau.

20.18 Uhr. Gut, wenigstens kann man Schreyl nicht vorwerfen, die Veranstaltung mit Glamour und, äh, Bedeutung zu überfrachten. Er schlappt halt so auf die Bühne, der spärliche Applaus versiegt, und dann erklärt er nochmal die Telefonnummern, unter denen man seinen Superstar — ach nee. Klingt aber so.

20.24 Uhr. Noch kein Preis verliehen, und schon der erste fiese Moment zum Fremdschämen. Schreyl sagt, RTL-Sportfrau Ulrike von der Gröben soll doch mal RTL-Nachrichtenmann Peter Kloeppel erklären, „wieso, weshalb, warum Borussia Mönchengladbach in der nächsten Saison Erstligafußball spielen wird.“ Stille. Drei Menschen applaudieren im Publikum. Stille. Schreyl: „Hat sie eigentlich mehr Applaus verdient, oder?“ Pause. Zögernder, pflichtbewusster Beifall.

Und wann hatte ich das letzte Mal so ein Gefühl von Sympathie für Oliver Pocher? Schreyl erklärt aus unerfindlichen Gründen, was Werbung ist, und sagt, dass Pocher in dieser Zeit ein Kaugummi unter seinem Stuhl verstecken könnte. Und Pocher stöhnt, runzelt die Stirn und zeigt demonstrativ gelangweilt auf die Uhr. Spontan-Fernsehpreis für Pocher!

20.30 Uhr. SMS-Hilferuf aus dem Coloneum, in Sachen Michael Schumacher:

Geschichte habe er geschrieben. Hah. Standing Ovation für diesen Trottel. Unfassbar.

20.32 Uhr. Ich bin ein bisschen hintendran. (Sorry, Pizza ist grad fertig geworden.) Fernsehpreis „Beste Sportsendung“ für Petra Höfer und Freddie Röckenhaus für „Blut und Spiele“ (ARD).

20.36 Uhr. Tim Mälzer liest eine Definition vor, was eine Sitcom ist, erzählt einen Witz („wirklich so passiert“) und wirft unwillkürlich die Frage auf, warum eigentlich die Dankesreden der Preisträger zeitlich begrenzt werden anstatt der Reden der Laudatoren und Preisüberreiche. Hilfe.

20.37 Uhr. Beste Sitcom: „Stromberg“. (ProSieben) Gut, man muss nur lange genug überleben als Sitcom im Deutschen Fernsehen, bis die nominierte Konkurrenz so schwach oder völlig abwegig (Mitten im Leben!?) ist, um den Deutschen Fernsehpreis zu bekommen. Trotzdem verdient, bringt aber die Absurdität der Veranstaltung ganz gut auf den Punkt.

20.40 Uhr. Oliver Pocher, gerade von mir mit dem Spontan-Fernsehpreis für notwendige Bösartigkeit ausgezeichnet, disst auf der Bühne nochmal Schreyl, klatscht ihn fies an und sagt: „Ich hätt den Geissen hier lieber gesehen. — Aber wir sind hier nicht bei nem Wunschsender“. Pocher vergibt den Preis für die beste Informationssendung:

Informationssendungen — ja, einige sind heute nicht nominiert. Schade für Sat.1.

Ungefähr erster großer Lacher des Abends. Ah ja. Pocher:

Da klatschen jetzt 200 Ex-Mitarbeiter.

Und als Sat.1-Chef Alberti gezeigt wird, legt er noch einen drauf:

Nächstes Jahr sitzt da ein anderer.

Wenn er nicht so quietschen würde vor Vergnügen über seine eigene Lustigkeit, wär er fast gut.

20.43 Uhr. Beste Informationssendung: RTL aktuell. Na, das ist ja mal eine Überraschung. Zufällig in dem Jahr, in dem RTL die Show… Ach, es langweilt mich schon beim Hinschreiben. Oder wie Peter Kloeppel sagt: „Wir wissen, die anderen beiden oder die anderen vier hätten genauso gut hier oben stehen können wie wir.“ In der Tat. Können ja alle immer irgendwie gewinnen, warum auch nicht; der Versuch herauszufinden, warum es der eine ist oder nicht der andere, ist bei dieser Veranstaltung so aussichtslos, dass die These vom Kuschelpreis für den ausrichtenden Sender mindestens so überzeugend ist wie jede andere.

20.45 Uhr. Wenn man beim Fernsehpreis 2007 Ulrich Wickert schon 13 Monate nach seinem Abschied für seinen „Abschied 2007“ feiert, könnte man dann nicht wenigstens in dem eingeblendeten Ausschnitt von seiner Abschiedssendung die Datumseinblendung „tagesthemen, 31.08.2006“ unkenntlich machen? Amateure.

20.47 Uhr. Okay, ein bisschen rumlügen muss man bei solchen Veranstaltungen. Aber man kann Marco Schreyl doch nicht ernsthaft von „einer der beliebtesten und witzigsten weiblichen Comediens“ sprechen und damit Mirja Boes meinen lassen.

20.50 Uhr. Bester Schauspieler Nebenrolle: Gabriela Maria Schmeide für Die Flucht. Schade, ich hätte viel Geld auf Roeland Wiesnekker für Blackout gesetzt. Und es ihm gegönnt.

20.56 Uhr. Wer hat den Laudatoren eigentlich gesagt, dass es eine gute Idee sei, diverse Definitionen des Genres, das sie auszeichnen, vorzulesen? Nach der Sitcom erklärt uns Sandra Maischberger nun, was der Unterschied zwischen Kabarett und Comedy ist. Beste Comedy: Neues aus der Anstalt (ZDF).

21.00 Uhr. Ach herrje, da funktioniert aber auch nichts. Die Preisträger Urban Priol und Georg Schramm haben sich offenbar vorgenommen, so lange durcheinander zu reden, bis das Mikrofon, wie angekündigt, automatisch runterfährt und die Musik anfängt zu spielen und sie schließlich zu übertönen. Aber das Mikro fuhr nicht, die Kapelle spielte nicht und, ja, in anderen Ländern hätte man das hingekriegt.

21.03 Uhr. Ist fast angenehm, Piet Klocke beim Reden zuzuhören, weil es da immerhin die Möglichkeit gibt, dass er extra Dinge sagt, die vollständig unverständlich und unwitzig sind.

21.05 Uhr. Bester Schauspieler: Matthias Koeberlin. Dem glaub ich sogar, dass er nicht damit gerechnet hat, den Preis zu gewinnen. Und ein feiner Dankesredensatz:

Ich möchte mich bei meiner Agentin bedanken, weil sie mich drum gebeten hat.

21.06 Uhr. Weitere Argumente, die Autoren von Marco Schreyl zu entlassen und aus dem Land zu jagen:

Meine Damen und Herren, es gibt Dinge, die sind einfach so. Wenn man mit einem Nachnamen zur Welt kommt, der auf den Buchstaben „ko“ endet, muss man einfach Berufsboxer werden — Wladimir Klitschko.

21.07 Uhr. Niki Lauda bereut sichtlich, bei diesem Unsinn als Laudator zugesagt und damit mehrere Stunden kostbarer Lebenszeit unwiderbringlich verschwendet zu haben.

21.12 Uhr. Beste Unterhaltungssendung: Schlag den Raab (ProSieben). Absolut verdient. Und es scheint der Abend von ProSieben werden — wie man dem glücksstrahlenden Gesicht von Jobst Benthues ansieht, dem Unterhaltungschef, der schon zum zweiten Mal auf die Bühne darf.

21.13 Uhr. Raab:

…und möchte mich bedanken bei ProSieben und Haim Saban, oder wem der Sender gerade gehört…

21.21 Uhr. Ich muss mein Urteil über die Autoren der Sendung revidieren. Sie sind nicht unfähig, sondern grausam. Sie haben Schreyl sagen lassen:

Wie heißt’s doch so schön? Kannst du nix, dann geh zum Fernsehen, und genau mit diesem Vorurteil würd‘ ich gern mal aufräumen.

Ach könnt‘ er’s doch.

21.24 Uhr. Damit war wirklich nicht zu rechnen. Sonja Zietlow schafft es, sich trotz scheinbar uneinholbarer Vorlagen ihrer Vorgänger unter die Favoriten für die Kategorie „missglückteste Ansage des Abends“ zu katapultieren. Sie erklärt die Aufgabenteilung zwischen ihr und ihrem Autor und Ehemann:

Ich steh hier vorne und bin sozusagen das Gesicht. Und er arbeitet eher hinten, unten im Dunklen. Er ist dann sozusagen dahinter. Aber wie das Leben so spielt: Viel zu selten werden Autoren für das gelobt, was hinten rauskommt.

21.27 Uhr. Bestes Drehbuch: Ralf Husmann (Dr. Psycho, Stromberg). Okay, es wird definitiv der Abend von ProSieben. Ich mag Husmann und seine Arbeit, auch wenn er auf der Bühne nicht gerade als Sympathieträger rüberkam, und dass ein Autor von Sitcoms und Comedyserien ausgezeichnet wurde, ist für Fernsehpreis-Standards eine kleine Sensation, denn traditionell ist diese Kategorie eigentlich für die großen Fernsehfilme reserviert. Husmann in seiner Dankesrede:

Ich möcht‘ mich bedanken bei den fünf-, sechs-, manchmal siebentausend Leuten, die das gucken, was ich mache.

21.34 Uhr. Franziska fürchtet sich (in den Kommentaren) vor dem Busen von Anke Schäferkordt. Ich kann sie verstehen, aber nichts dagegen tun.

21.35 Uhr. Beste Serie: KDD Kriminaldauerdienst. Absolut verdient, eine Revolution im ZDF-Freitagskrimi, leider nur mäßig vom Zuschauer goutiert. Manfred Zapatka, einer der Hauptdarsteller, ist völlig aus dem Häuschen und empört, dass ihr Erfinder Orkun Ertener den Drehbuchpreis nicht gewonnen hat. Schön, dass für ein paar Preisträger dieser Preis wirklich etwas wert ist, und für solche Sendungen wie KDD, die es auch senderintern schwer haben, hat die Auszeichnung wohl tatsächlich eine Bedeutung.

21.48 Uhr. Marco Schreyl erklärt gekonnt die Bedeutung des Sonderpreises — nicht dass jemand denkt, er verhalte sich zu anderen Preisen wie die Sonderschule zur Schule.

Mit ihm werden Persönlichkeiten geehrt, die mit außerordentlichen Leistungen Millionen von Menschen begeistert haben, und das eben nicht nur einen Sommer lang, sondern über Jahre. Solche Menschen sind rar, und aus diesem Grund ist der Sonderpreis auch nur sehr selten verliehen worden — der Halleysche Komet kommt ja schließlich auch nicht jeden Tag vorbei geflogen.

21.50 Uhr. So. Dank Niki Lauda ist nun klar, warum Michael Schumacher den Deutschen Fernsehpreis gewonnen hat:

Er war in der Lage, auch Großmütter hinter dem Kamin hervorzuholen, durch seine Leistung, damit sie alle vor den Fernseher gekommen sind, und darum sind wir heute alle hier. Die deutsche Gründlichkeit und seine Leistung hat es zustande gebracht, dass viele Deutsche sich mit ihm personifiziert haben und alle versucht haben, die lange Leitung zu verkürzen, dass sie mit ihrem eigenen Leben schneller und besser zurecht kommen.

Hilfe.

21.53 Uhr. Da sind sie nun, die stehenden Ovationen für Schumacher.

22.00 Uhr. Tatsächlich, auch Katja Burkard und Nazan Eckes scheinen den Schreylschen Gagautor zugeteilt bekommen zu haben. Ich kann den ganzen Unfug unmöglich transkribieren. Beste Kochshow: Das perfekte Dinner (Vox), und Tim Mälzer sieht aus, als ob er gleich heult. Es ist der erste Deutsche Fernsehpreis für Vox, und wirklich schön ist, dass von der Bühne aus Daniel Werner gelobt wird, der unverzicht- und wunderbare Off-Sprecher des Perfekten Dinners.

22.04 Uhr. Hat irgendjemand die Rede von Cordula Stratmann verstanden?

22.06 Uhr. Franz Dinda bekommt den ersten Nachwuchspreis — es trifft ihn wunderbar unerwartet, als erste Reaktion im Publikum fragt er seine Nachbarin: „Wusstest du das?“, und als erste Reaktion auf der Bühne fragt er Cordula Stratmann: „Und wofür jetzt genau?“ (Die Antwort: Blackout.)

22.10 Uhr. Der zweite Nachwuchspreis geht an Dennis Jacobsen, Randa Chahoud, Oliver Jahn für Ijon Tichy: Raumpilot (ZDF), und entweder ist die Musikkappelle, die ihren Auftritt und alle anderen begleitet, Entschuldigung: Scheiße. Oder schläft, wie das Publikum, in Teilen schon.

22.14 Uhr. Vielleicht könnte man gesetzlich verordnen, dass sich jede Jury, die mit dem Gedanken spielt, Veronika Ferres für einen Preis zu nominieren, den Ausschnitt ansehen muss, in dem Marco Schreyl sie auf ihre Konkurrenz anspricht, sie mit dem (zugegebenermaßen sehr blöden) Satz konfrontiert: „Ich bin der Meiunung, dieses Kleid muss doch auf die Bühne, oder?“, und sie sehr pikiert antwortet:

Wir sind keine Konkurrentinnen, wir sind Kolleginnen, und ich fand’s wunderschön, wie wir drei uns eben im Arm hatten.

22.21 Uhr. Schreyl nennt den „Late Night Talker“ „LNT“ und stellt den „LNT des ZDF vor: JBK“.

22.26 Uhr. Bester Fernsehfilm: Rose (ARD). Hm, hab ich nicht gesehen. Aber die Gewinner sind hin und weg, das ist doch schön.

22.31 Uhr. Laudatorin Maybrit Illner trägt zwar aus mir unbekannten Gründen eine Fahrradkette von imposanter Größe um den Hals, erzählt aber die schöne Geschichte, wie sie Post-Chef Zumwinkel nach den Zustellern fragen wollte, aber von den Zuhältern sprach. Andererseits — und das mag jetzt ein sehr abwegiger Gedanke sein: Aber wäre es nicht schön gewesen, wenn jemand im Rahmen der Kategorie „Reportage“, statt die üblichen Standards zu erzählen, kurz dem japanischen Fotografen Kenji Nagai gedacht hätte, der gerade in Birma getötet wurde?

22.35 Uhr. Beste Reportage: Gert Monheim für Der Gotteskrieger und seine Frau (ARD).

22.40 Uhr. Okay, meine Meinung über Reinhold Beckmann und Johannes B. Kerner ist vermutlich bekannt, aber diese Nominierungen in der Kategorie „Beste Moderation Information“ sind eine Farce. Nominiert wurden offensichtlich nicht die Moderatoren, sondern ihre außergewöhnlichen Gäste (Bert Dietz, Marina Litwinenko, Michael Buback/Peter-Jürgen Book). „Bester Gast in einer Talkshow“, das wäre doch noch eine Kategorien-Idee fürs nächste Jahr. Gewonnen hat jedenfalls: Reinhold Beckmann.

22.44 Uhr. Beste Regie: Lars Kraume für Guten Morgen, Herr Grothe.

22.47 Uhr. Schon irgendwie ’ne schöne Idee, und ausnahmsweise passend: Erika Berger den merkwürdigen neuen Preis für den „besten TV-Coach“ überreichen zu lassen. Leider hat auch ihr niemand eine paar nette Worte zum Aufsagen aufgeschrieben. Gewinnerin: Katharina Saalfrank. Für sie kommt der Preis natürlich spät, drei Jahre nach Sendestart, aber irgendwie doch verdient. Wenn man sich die Super-Nanny ansieht, entdeckt man, dass entgegen vieler Kritik es nicht nur um Voyeurismus geht, sondern auch um Lebenshilfe, und dass das so ist, liegt fast ausschließlich an ihr.

23.00 Uhr. Die Vorstellung der vier Gewinner in den Kategorien Schnitt, Musik, Ausstattung, Kamera ist immerhin marginal weniger peinlich als in den Vorjahren. Da mussten sie alle einmal kurz im Publikum aufstehen; diesmal durften sie immerhin für schätzungsweise zweieinhalb Sekunden gemeinsam auf der Bühne stehen, bevor Schreyl sagte: „Ihr Applaus, und vielen Dank“, und das auch erledigt war. Wer wer war, und für welche Sendungen sie gearbeitet haben, scheint aber nicht so wichtig gewesen zu sein.

23.02 Uhr. Es wird still in den Kommentaren. Wahrscheinlich liest keiner mehr mit. Wahrscheinlich guckt auch keiner mehr. Kurt Krömer soll die „beste Dokumentation“ ansagen, hat die Hose offen und liest aus seinem „Tagebuch“ vor.

23.05 Uhr. Immer noch.

23.07 Uhr. Warum überreicht Kurt Krömer den Preis für die beste Dokumentation? Warum? Warum? „So, Mädels“, sagt er, „Viel Spaß“. Und gibt den Preis an Jana Matthes und Andrea Schramm für Im Schatten der Blutrache (ARD). Hihi.

23.12 Uhr. Heiner Lauterbach. Ich hatte für Sekunden die Hoffnung, dass jemand aus Publikum auf die Bühne stürmen würde und ihn mindestens knebeln würde, wenn nicht Schlimmeres, wenn nicht das gesamte Publikum, wie ein Mann. Deklassiert alle bisher Nominierten in der Kategorie „Peinliche Laudatio“. Als sei es nicht schlimm genug für den Abend, dass seine traurige Sitcom nominiert war. Heiner, geh nach Hause.

23.15 Uhr. Die Dankesreden heute sind zumindest besser als die Vorreden. Maria Furtwängler, beste Schauspielerin, sagt:

Wow. Meine Güte. Mein Kopf ist ganz blutleer. Ich hatte mich so irrsinnig darauf konzentriert, was für ein Gesicht ich mache, wenn ich ihn nicht kriege, dass ich jetzt gar nicht mehr weiß, was ich sagen wollte.

23.27 Uhr. Regisseur und Produzent Nico Hofmann hält eine Laudatio auf Götz George. Und es ist wirklich eine Laudatio, eine genaue, ehrliche, persönliche Lobrede auf den Schauspieler und den Menschen, mit dem Satz:

Das Verhältnis der Deutschen zu ihrem großen Star Götz George erzählt auch viel über Deutschland und seine Stars, dass wir nämlich manchmal unfähig sind, unsere Stars zu lieben.

Es ist ein völliger Bruch mit dem Rest des Abends, weil hier echtes Interesse am Fernsehen und seinem Protagonisten zu spüren ist, und dass Hofmann behauptet, George sei im letzten Sommer 70 geworden, obwohl das erst im nächsten Jahr soweit sein wird, ist da auch egal.

Lange Standing Ovations.

23.30 Uhr. Ah, Abspann. Um das dann doch mal festzuhalten: Autoren der Sendung waren Klaus de Rottwinkel (früher bei Geld oder Liebe), Jens Oliver Haas (der Mann von Sonja Zietlow und Autor von Ich bin ein Star, holt mich hier raus) und Tim Gorbauch (kenn‘ ich nicht).

23.36 Uhr. Es gibt dann doch noch positive Überraschungen des Abends: Frauke Ludowig schafft es, neben einem sympathisch rumpöbelnden und auf RTL herumhackenden Stefan Raab große Gelassenheit und sogar ein gewisses Vergnügen auszustrahlen, bevor sie ihn mit ein paar Zetteln Papier aus dem Bild schubst.

23.38 Uhr. Weitere gute Nachrichten, diesmal von Marco Schreyl, der über den Fernsehpreis sagt:

Das kann man nur einmal moderieren.

Besser wird’s nicht. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und die rege Teilnahme und werde jetzt noch ein paar Screenshots von gelangweilten Saalgästen einbauen. Bis zum nächsten Jahr, dann im ZDF und, wenn wir Pech haben, präsentiert von Markus Lanz.

Der erste letzte Zeuge

Freitag, 11. Mai 2007, 07:23

Bevor die aktuelle Gerichtsmedizinerschwemme im Fernsehen vor wenigen Jahren in Krimiserien aus Amerika zu uns kam, gab es schon… ja, gut, Quincy. Aber ich meine jetzt einen aus der Zeit, als das Rad schon erfunden war. Richtig, Ulrich Mühe als Der letzte Zeuge Dr. Robert Kolmaar. Und weil er schon gerichtsmedizinerte, als Gil Grissom noch ein Funkeln in den Augen von Anthony E. Zuiker war, ist Dr. Kolmaar kein verschlossener, allwissender Einzelgänger wie alle anderen Stars pathologisch orientierter Krimiserien seit Gil Grissom, sondern ein sympathischer, offener Mensch mit Privatleben, der auch mal überfragt ist.

Heute um 21.15 Uhr beginnt im ZDF die achte Staffel von Der letzte Zeuge.

Der Fall John Doe!

Freitag, 7. Dezember 2007, 15:47

2003–2004 (RTL). 21-tlg. US-Krimiserie von Brandon Camp und Mike Thompson („John Doe“; 2002–2003).

John Doe (Dominic Purcell) hat in seinem Kopf das gesammelte Wissen der Welt. Er weiß alles, was man theoretisch wissen könnte. Doch er kann nicht in die Zukunft sehen, er ist farbenblind – und er hat keine Ahnung, wer er selbst ist. Seit er nackt auf einer Insel aufwachte, hat er sein Gedächtnis verloren. Kurz gesagt: Er weiß nichts, was er wissen sollte, aber alles, was er nicht wissen müsste. Auf der Suche nach seiner Identität unterstützt er Frank Hayes (John Marshall Jones) von der Polizei von Seattle mit seinem immensen Wissen bei der Aufklärung von Verbrechen. Durch seine Gabe, alles Wissen in Sekundenschnelle zu Schlussfolgerungen zusammenzusetzen, werden Indizien so nützlich wie nie zuvor. Hayes‘ Chefin Lt. Jamie Avery (Jayne Brook) ist der neue Helfer extrem suspekt. John Doe wohnt in einem Loft über einer Kneipe, die „Digger“ (William Forsythe) gehört, und beschäftigt mit Karen Kawalski (Sprague Grayden) eine Studentin als Assistentin, die ihm hilft, sich im wahrsten Sinne selbst zu finden.

Spannende Serie im Stil von Nowhere Man, die die dauerhafte Suche nach der eigenen Identität mit immer wieder neuen Kriminalfällen auflockerte. Beiden Serien war auch gemein, dass sie nach nur einer Staffel abgesetzt wurden und das große Rätsel nie geklärt wurde. Die 50-minütigen Folgen liefen donnerstags um 23.15 Uhr.

Der Fischerstreit vom Bodensee

Montag, 7. Januar 2008, 17:52

Ich habe den Tatort gestern nicht gesehen. Eigentlich also beste Voraussetzungen, sich darüber aufzuregen. So geht das doch, oder?

Drehen wir stattdessen an unserem Glücksrad, um festzustellen, welche Bevölkerungsgruppe sich diese Woche vom Tatort ungerecht porträtiert fühlt …. und das Los fällt auf….

Berufsfischer!

Glückwunsch. Die Aleviten wären stolz auf euch.

Wenn ich mal sehr viel Zeit habe, erkläre ich der Welt mal den Begriff „Fiktion“. Bis dahin frage ich mich, warum eigentlich nie die vielen Münchener Millionäre vor ihren Villen protestiert haben, als sie jede Woche bei Derrick und Der Alte als Mörder porträtiert wurden.

Der Gipfel

Donnerstag, 7. Juni 2007, 08:57

Die Hörer der Kai-Karsten-Show haben abgestimmt: Was nervt an den Fernsehsendungen zum G8-Gipfel?
                   

  1. Gummibandaktivisten-Promis mit bleichem Betroffenheitsbändle
  2. Reportagen über grillende Heiligendamm-Anwohner
  3. Moderatoren, die meinen, sie müssten ihre Nachrichtensendung an der Ostsee statt im Studio moderieren.
  4. G8-Logos in irgendeiner Bildschirmecke

Auf dem letzten Platz landete die ebenfalls gegebene Möglichkeit: „G8-Fernsehen nervt nicht. Ich finde die Berichterstattung so gut.“

© SWR3

Der goldene Schuss

Freitag, 7. September 2007, 21:51

1964–1970 (ZDF). Große Samstagabend-Spielshow mit Lou van Burg.

Mittelpunkt der Sendung ist das immer wiederkehrende Schießspiel mit der Armbrust. Nach dem Kommando „Kimme, Korn, ran!“ müssen Kandidaten im Saal oder Telefonkandidaten zu Hause die Mitte einer Zielscheibe treffen. Dazu hat das ZDF die Kamera so auf der Armbrust montiert, dass die Linie Kimme-Korn-Ziel vom Zuschauer im genau gleichen Winkel gesehen wird wie vom Kameramann. Dem Kameramann werden jedoch die Augen verbunden, und der Telefonkandidat gibt ihm innerhalb einer vorgegebenen Zeit mit „Links – rechts – hoch – runter – Schuss!“ Anweisungen, was er tun soll. Auf diese Weise können sich die Telefonkandidaten für die nächste Sendung als Studiokandidat qualifizieren.

Im Studio spielen vier Kandidaten in zwei Zweiergruppen zunächst in der Ausscheidungsrunde gegeneinander. Darin haben sie verschiedene Aktions- und Geschicklichkeitsspiele zu bewältigen. Unter den beiden Gruppensiegern wird der Schützenkönig ermittelt und gekrönt, der dann im Schlussspiel einen Beutel mit Gold gewinnen kann. Dieser Beutel hängt an einer Schnur vor der Zielscheibe und muss von dem Kandidaten mit der Armbrust abgeschossen werden; nur so kann er ihn gewinnen. Die Sendung runden Showblöcke mit prominenten Gästen und Lou van Burg selbst ab.

Aus Der goldene Schuss stammt das geflügelte Fernsehwort „Der Kandidat hat 99 Punkte“. Diesen Satz sagte die Assistentin, wenn ein Kandidat erfolgreich traf.

Der Niederländer Lou van Burg kokettierte gern mit seinem Akzent, wozu ihm angeblich ein Werbestratege geraten hatte. In Wirklichkeit sprach er sauberes Hochdeutsch. Dieser Werbestratege soll ihm auch empfohlen haben, sich eine Wampe anzufressen, das mache ihn gemütlicher und sympathischer. Der als „Onkel Lou“ oder „Mr. Wunnebar!“ bekannte Showmaster war der Star für die ganze Familie. Zu Beginn der Sendung sang er immer: „Der goldene Schuss heißt unser Spiel. Dass Sie sich freuen, ist mein Ziel.“

Das Konzept zur Sendung hatten die Schweizer Hannes und Werner Schmid gemeinsam mit van Burg entwickelt. Es war die erste deutsche Gameshow, die in viele Länder im Ausland verkauft wurde.

1967 wurde der überaus beliebte Moderator wegen seines „unseriösen Privatlebens“ vom ZDF gefeuert: Er hatte ein Verhältnis mit seiner Assistentin Marianne; beide waren verheiratet, jedoch nicht miteinander. Am 15. Juni 1967 moderierte er – trotz hervorragender Quoten – seine 24. und letzte Sendung. ZDF-Intendant Karl Holzamer sagte damals: „Die Visitenkarte des ZDF wurde beschmutzt. Sie muss und soll sauber bleiben.“ Van Burg bekam für den Rauswurf immerhin eine finanzielle Entschädigung, außergerichtlich einigte man sich auf 120 000 DM. Sein Ruf war aber ruiniert – und Fernsehangebote bekam er auch nicht, obwohl er die Assistentin 1969 geheiratet hatte. Ans Licht gekommen war die Affäre, als van Burgs frühere Freundin, die er wegen Marianne verlassen hatte, geplaudert hatte.

Als Nachfolger im Gespräch war Rudi Carrell, es wurde dann aber Vico Torriani, dessen erste Show am 25. August 1967 gleichzeitig die erste in Farbe ausgestrahlte Sendung im deutschen Fernsehen war. Das Farbfernsehen war an diesem Tag eingeführt worden. Am Konzept der Sendung blieb alles unverändert, und auch Torriani als Sänger bestritt wie sein Vorgänger einen Teil der Showblöcke selbst. Lediglich das Schusskommando änderte er in „Achtung, fertig, los!“, auf das Krönungszeremoniell wurde verzichtet, das Titellied geändert. Und hatte Lou van Burg seinen Ausruf „Wunnebar“ zum geflügelten Wort gemacht, tat es Torriani mit der immer gleichen Aufforderung vor den Schießspielen: „Bruno, den Bolzen!“, „Ralf, den Bolzen!“ bzw. „Peter, den Bolzen!“. Obwohl Torrianis Moderation oft als hölzern kritisiert wurde, moderierte er die Show mit gleichbleibendem Erfolg 26-mal. Insgesamt erlebte die Reihe also 50 Sendungen.

Sendetermin von Der Goldene Schuss war etwa alle sechs Wochen um 20.15 Uhr.

Der große Preis

Montag, 15. Januar 2007, 22:51

2002–2003 (ZDF). Neuauflage des gleichnamigen Quizklassikers.

Wieder am Donnerstag (20.15 Uhr) und wieder in Verbindung mit der Aktion Mensch, wie die Aktion Sorgenkind inzwischen hieß, jetzt aber nur noch eine Stunde lang. Neuer Moderator war Marco Schreyl, neue Assistentin Daniela Noack. Die Fragen-Wand und die Kapseln waren noch da, fast alles andere war weg: die Fachgebiete, die prominenten Gäste, die Showblöcke, Wum und Wendelin – und der Erfolg.

Mit der Einstellung nach 13 Sendungen wurde auch die Aktion Mensch heimatlos. Eine Art Asyl fand sie in Wetten, dass …?, wo Thomas Gottschalk regelmäßig für sie warb.

Der große Preis

Montag, 15. Januar 2007, 22:49

1974–1993 (ZDF). „Ein heiteres Spiel für gescheite Leute“. Wissensquiz mit Wim Thoelke, das zu einem der größten Erfolge im deutschen Fernsehen und einem Dauerbrenner wurde.

Drei Kandidaten müssen in drei Spielrunden ihr Allgemein- und Fachwissen unter Beweis stellen. In der ersten Runde spielt jeder Kandidat allein und beantwortet Fragen zu einem selbstgewählten Fachgebiet, mit dem er sich bei der Sendung beworben hat. Eine Frage bestimmt er vorab als so genannte Masterfrage, für deren Beantwortung ein erhöhter Geldbetrag ausbezahlt wird.

Ab der zweiten Runde sitzen die Kandidaten bis zum Ende der Sendung in futuristisch anmutenden Kapseln, die von einer Schweizer Hubschrauberfirma hergestellt wurden. Sie spielen nun gegeneinander und beantworten Fragen zum Allgemeinwissen. Diese verbergen sich hinter Feldern mit Buchstaben oder Zahlen an einer Ratewand, die schon 1974 „Multivisionswand“ genannt wurde. Meistens gibt es zu den Fragen eine kurze filmische oder akustische Zuspielung. Wer eine Frage richtig beantwortet hat, wählt das nächste Feld an der Wand. Antworten darf, wer sich dann per Knopfdruck schneller zu Wort meldet. Außerdem verbergen sich hinter der Wand noch „Glücksfragen“, die 500 DM wert sind, und Joker, für die es ohne Gegenleistung 100 DM gibt. Wer ein Feld wählt, hinter dem sich eine „Risiko“-Frage verbirgt, darf diese auf jeden Fall beantworten – die anderen Kandidaten können sich nicht melden. Bei diesen Fragen bestimmt der Kandidat die Gewinnsumme selbst, indem er von seinem bisher erspielten Geld einen Teil oder alles setzt.

In der Finalrunde spielt wieder jeder Kandidat allein in seinem Fachgebiet – nun mit Kopfhörer in der geschlossenen Kapsel, damit niemand vorsagen kann. Nur wer die dreiteilige Frage komplett beantwortet, verdoppelt seinen Gewinn, andernfalls verliert er alles bis auf die erspielte Summe aus der ersten Runde. Der Champion ist beim nächsten Mal wieder dabei.

Die Aufteilung auf der Multivisionswand veränderte sich im Lauf der Jahre. Lange Zeit gab es sechs Themenspalten mit Feldern von 20 bis 100 DM und entsprechendem Schwierigkeitsgrad. Vorübergehend war eine Spalte als „Aktuell“-Spalte mit Buchstaben statt mit Geldbeträgen beschriftet. Später verbargen sich die Fragen hinter Buchstaben, das Thema war vorher nicht zu erkennen, und jede Antwort war 100 DM wert. Dauerhaft war das Feld mit dem Fragezeichen auf der Wand. Es durfte erst als letztes gewählt werden, weil sich ihm ein Show-Act anschloss, der die zweite Runde beendete.

Für jedes Fachgebiet war während der gesamten Sendung ein Experte anwesend, der im Zweifelsfall vor allem in der dritten Runde entschied, ob die gegebene Antwort richtig oder falsch war. Die Regeln waren streng, nie wurde bei einer falschen Antwort ein Auge zugedrückt. Die zuerst gegebene Antwort war verbindlich; selbst wenn sich der Kandidat sofort danach korrigierte, galt das nicht mehr. Über den korrekten Ablauf wachte außer den Experten und nicht weniger als vier Assistentinnen ständig ein Notar als „Oberschiedsrichter“, bis 1984 Eberhard Gläser, danach Nils Clemm. Einmal antwortete ein Kandidat auf eine Frage: „Da muss ich raten, Goethe oder Schiller. Ich sag‘ mal Schiller.“ Thoelke: „Das tut mir leid, Goethe wäre richtig gewesen …“ Oberschiedsrichter Klemm: „Das tut mir gar nicht leid. Die zuerst gegebene Antwort gilt, und die war Goethe …“

Der Große Preis war die Sendung zur ZDF-Fernsehlotterie Aktion Sorgenkind. Wenn Kandidaten am Ende ihr Geld verloren, floss es ihr zu. Die Ziehung der Gewinnzahl für die Lose der Fernsehlotterie wurde immer einige Tage vorher aufgezeichnet und in der Sendung eingespielt. Während der Sendung wurden aus einer Lostrommel die Gewinner der höchsten Preise gezogen und verlesen, meist mit Unterstützung eines prominenten Gasts. Thoelkes Assistentin Beate Hopf verlas mehrfach während der Sendung neu gezogene Gewinner. Ihre Nachfolgerin wurde nach 14 Jahren die deutlich frechere Karoline Reinhardt. Als Glücksbringer trat in den ersten Jahren Walter Spahrbier in immer anderen historischen Postuniformen auf, der diese Rolle bereits in den Sendungen von Peter Frankenfeld und bei Drei mal neun übernommen hatte.

Zum beliebtesten Element der Sendung wurde der Dialog Wim Thoelkes mit den Zeichentrickfiguren Wum und Wendelin. Thoelke stand vor einer Blue Box und führte hölzern einen Dialog mit dem Hund Wum, der bereits in Thoelkes Sendung Drei mal neun mit von der Partie war, und dem Elefanten Wendelin. Sie stammten beide aus der Feder von Loriot, der ihnen auch die Stimme lieh. Ab 1983 sprach Jörg Knör auf Loriots Bitte die Figuren, zu denen sich manchmal auch der – ebenfalls gezeichnete – blaue Klaus mit seiner Untertasse gesellte. Es ging um alles Mögliche, aber am Ende des Gesprächs immer um den Einzahlungstermin für die Aktion Sorgenkind. Der Abschlusssatz „Stichtag: Samstag in acht Tagen“ wurde zum geflügelten Wort. Wum und Wendelin als Maskottchen des Großen Preises und der Fernsehlotterie leiteten auch den Beginn jeder Sendung ein und kündigten den Moderator mit einem von Wum gebrüllten „Thoooooooeeeeeeelke!“ an.

Im Showblock bot Thoelke vor allem jungen, unbekannten Künstlern ein Forum, die oft mit klassischer Musik auftraten. Dauergast war der Kabarettist Wolfgang Gruner, der als Berliner Taxifahrer Fritze Flink aktuelle Ereignisse kommentierte, an die sich eine Frage für die Kandidaten anschloss.

Die ersten Alterserscheinungen tauchten bereits nach weniger als sechs Jahren auf: Die Wand fiel aus. Der Vorfall war im Fernsehen aber nicht zu sehen, weil die Sendung aufgezeichnet wurde. Erst ab der 150. Ausgabe am 12. Februar 1987 war Der Große Preis eine Live-Sendung. Über 18 Jahre lang moderierte Wim Thoelke das Quiz. Er war kompetent, souverän, akribisch vorbereitet (die Fachfragen in der ersten Runde stellte er auswendig) und humorfrei. Er wurde oft als langweilig gescholten, war aber dennoch einer der großen Sympathieträger des deutschen Fernsehens. Nur im April 1991 war er einmal krank und musste sich von Wolfgang Lippert vertreten lassen.

Sendeplatz der 80 Minuten langen Quizshow war fast immer donnerstags um 19.30 Uhr, erst in den letzten Jahren rückte sie auf 20.00 Uhr.

Am 10. Dezember 1992 moderierte Wim Thoelke den Großen Preis zum 220. und letzten Mal. Mit angeblich rückläufigen Zuschauerzahlen habe diese Entscheidung nichts zu tun, ließ Thoelke kurz zuvor in den „Stuttgarter Nachrichten“ wissen, während die „Süddeutsche Zeitung“ ihn eine Woche später mit den Worten zitierte, das Fernsehen, wie es heute ist, sei nicht mehr sein Fall. Hinterher rechnete er in einem Buch wüst mit dem ZDF ab und warf u. a. namentlich nicht genannten Redakteuren Korruption vor.

Das ZDF verpflichtete den sechs Jahre älteren Hans-Joachim Kulenkampff als neuen Moderator und verlegte die Sendung auf den großen Samstagabendtermin um 20.15 Uhr, was vielversprechend begann: Kuli nahm in seiner Premiere sich selbst wegen seines Alters und des neuen Sendeplatzes auf den Arm, humpelte am Stock auf die Bühne und faselte: „Wo ist Wetten, dass …?„. Dennoch moderierte er nur sechs Sendungen, sanken doch im Lauf dieses halben Jahres die Einschaltquoten rapide. Vom ursprünglichen Quizcharakter war durch Kulis lange Monologe viel verloren gegangen. So übernahm im Sommer 1993 Carolin Reiber. Allerdings konnte auch sie die Show nicht mehr retten, die nach nur weiteren sechs Sendungen endgültig eingestellt wurde. Missglückter Nachfolger wurde die Goldmillion. Acht Jahre später beschloss das ZDF nach einer Reihe von Flops am Donnerstagabend, dass diese Absetzung doch nicht so endgültig war, und legte Der Große Preis neu auf.

Das Format beruhte auf dem italienischen „Riscia Tutto“ und dem Schweizer „Wer gwünnt“, hatte aber auch Ähnlichkeiten mit dem US-Format „Jeopardy!“, das seit 1964 auf Sendung war und Deutschland erst mit einigen Jahrzehnten Verspätung erreichte.

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