Thun und Lassen

Die theoretischen Voraussetzungen für die neue ZDF-Serie Dell & Richthoven sind gut: Es ist eine Gaunerkomödie, und Friedrich von Thun und Christoph M. Ohrt spielen die Hauptrollen. Thun ist im ZDF ein Star und Orth ein guter Schauspieler, es hätte also schön werden können. Thun als Staatsanwalt im Ruhestand, und Ohrt als hinterlistiger, wandlungsfähiger Trickbetrüger, der von dem Alten angeheuert wird, Ganoven aufs Kreuz zu legen. Das klingt zwar harmlos, aber nach einem Grundstoff, aus dem man Lustiges hätte machen können.

Ist leider nicht passiert. Ohrt als sympathischer Ganove spielt traditionell toll, aber das Gesamtprodukt ist langweilig und vorhersehbar und schöpft das Potenzial hinter Personal und Idee nicht nur nicht aus, sondern streift es nicht einmal. In den Siebzigern hätte man die Serie womöglich für grandios gehalten. Aber damals guckten Darsteller auch noch direkt in die Kamera, um am Ende eines Dialogs einen Witz abzusondern.

Halt — das tun sie in Dell & Richthoven ja auch.


Fotos: ZDF/Katrin Knoke

Dell & Richthoven, donnerstags um 20.15 Uhr im ZDF.

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Michael, 13. November 2008, 06:41.

Buenos Dias, Messias!


Foto: ZDF / BBC Films

Auf das besondere Drängen eines einzelnen freien Mitarbeiters möchten wir auf die Wiederholung von Messias hinweisen, einer außergewöhnlichen, atemberaubenden englischen Crime-Mystery-Serie. Falls Sie also noch nicht wissen, was Sie mit der zusätzlichen Zeit in der kommenden Nacht anfangen sollen…

Der erste Fall besteht aus zwei fast spielfilmlangen Teilen, die das ZDF heute beide zeigen wird, mangels Werbung nur unterbrochen von einer heute-Ausgabe. Der Film kommt natürlich auf dem Qualitätsfernsehen-Sendeplatz um Mitternacht, falls Carmen Nebel ihre Willkommensshow zur Primetime rechtzeitig fertigmoderiert hat. Sonst wird’s eben etwas später. Wer sein Aufnahmewerkzeug programmieren möchte, sollte das also schön bis mindestens 3.15 Uhr durchrauschen lassen.

Die zwei Teile des zweiten Falls kommen in drei Wochen.

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Michael, 25. Oktober 2008, 12:59.

Gran Banalia

Wenn uns der Polizeiruf 110 etwas gelehrt hat, dann dies: Dank Edgar Selge wird sogar Michaela May erträglich. Leider ignoriert die neue ZDF-Serie Unser Mann im Süden diese Lehre uns setzt Fritz Wepper an Michaela Mays Seite. Er spielt den deutschen Konsul auf Gran Canaria und sie seine Frau, und er klärt neben seiner eigentlichen Tätigkeit, also lapidare Probleme deutscher Urlauber lösen, natürlich: spannende Kriminalfälle auf.


Foto: ZDF/Jennifer Oladeinde

Das ist alles sehr herkömmlich, bis zu dem Moment, als das ZDF eine neue, augenzwinkernde Ebene betritt, die man sonst allenfalls aus modernen US-Serien wie Boston Legal kennt: Wepper, Derricks alter Harry, spricht in seiner neuen Rolle als Konsul mit einem Ehepaar, das Aussagen über ein geschehenes Verbrechen machen kann und davon ganz begeistert ist.

Frau: „Wissen Sie, mein Mann und ich sind eingefleischte Krimifans. Unser heimlicher Favorit ist und bleibt Derrick. Findest du nicht, Edgar, der [Konsul] hat doch eine Ähnlichkeit mit diesem…“
Wepper: „Ich muss weiter.“

Nur wenige Minuten später kehrt die Serie leider zum Herkömmlichen zurück, und es folgt dieser altertümliche Klassiker, den vermutlich schon Rudi Carrells Großvater für zwei Gulden in einem Antiquariat erstand:

Andere Frau: „Mein Mann ist Zahnarzt.“
Selber Wepper: „Der geht einem also professionell auf die Nerven, verstehe.“

Die Serie mischt die klassischen biederen Schmunzelgeschichten mit der bewährten Urlaubskulisse aus Meer, Bäumen und Hotels (oder ZDF-O-Ton: „Sommer, Sonne, Süden“), und das war’s dann im Wesentlichen auch schon. Wer Serien wie Um Himmels Willen oder Der Ferienarzt mag, wird auch Unser Mann im Süden mögen. Aber sonst niemand. Dem ZDF dürfte das für einen Erfolg reichen.

Unser Mann im Süden, donnerstags um 20.15 Uhr im ZDF.

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Michael, 9. Oktober 2008, 06:35.

Lund in Sicht!

Kommissarin Lund: Das Verbrechen beginnt mit einem Klischee: Montagmorgens um 6.30 Uhr schaltet Sarah Lund einen Fernseher aus, der noch seit dem Vorabend läuft. Er zeigt nur Schnee. In welchem zivilisierten Land hat an einem Werktag um halb sieben das Fernsehprogramm noch nicht begonnen? Das gab es zuletzt zu einer Zeit, als gegen 23.00 Uhr auch noch Sendeschluss war. Dann würde man die zweite Hälfte von Kommissarin Lund: Das Verbrechen schon gar nicht mehr mitbekommen. Und das wäre schade, denn das ist die gute Hälfte.

Zunächst werden deutlich zu viele Personen und ihre Lebenssituationen auf deutlich zu vielen Handlungsebenen eingeführt, bevor die Geschichte in Gang kommt. Das ist zwar eine vorschriftsmäßige Erfüllung der Chronistenpflicht, nimmt aber leider auch schon vorweg, wer später in irgendeiner Form etwas mit dem titelgebenden Verbrechen zu tun haben wird, das nach geschlagenen fünfzig Minuten erst den Film bereichert: Der Mord an einer Schülerin. Denn warum sonst sollten sie alle so ausführlich vorgestellt worden sein?


Trauernde Eltern. Foto: ZDF/Tine Harden

Doch man muss das im Verhältnis sehen. Die erste Folge von Kommissarin Lund: Das Verbrechen wirkt zwar bis kurz vor Schluss, als habe sie das Tempo eines ganz normalen Tatorts und steuere dann auf ein dramatisches Finale zu, aber dann wird klar, dass die Geschichte gerade erst anfängt. Kommissarin Lund ist eine bemerkenswerte Fortsetzungsgeschichte, und Das Verbrechen ist tatsächlich das einzige Verbrechen, um dessen Aufklärung es in den zehn spielfilmlangen Folgen geht. Mehr als 1000 Minuten für einen einzigen Fall. Da bleibt viel Zeit, auch stille Trauer zu zeigen. Minutenlang fassungslose Gesichter, Schockzustände, Trauerbewältigung, betretenes Schweigen. Das ist nicht sehr kurzweilig, aber erschreckend realistisch. Und noch mehr Klischees. So zieht Lund mit ihrem neuen konventionell unkonventionellen Kollegen völlig ironiefrei die klassische Guter-Bulle-böser-Bulle-Nummer ab.


Kommissarin Lunds Nachfolger ist schon da. Aber Lund geht noch gar nicht!
Foto: ZDF/Tine Harden

Kurz vor dem Ende des ersten Teils scheint es, als sei die Sache einfach, der Täter bald identifiziert und nur noch dingfest zu machen, doch jetzt beginnen erst die eigentlichen Verstrickungen. Der Wahlkampf zwischen dem amtierenden Bürgermeister und seinem Herausforderer spielt eine Rolle, Intrigen, undichte Stellen, falsche Fuffziger. Alte Affären. Familiäre Probleme, zunehmende Distanz. Plötzlich beginnt die Serie zu fesseln. Wer die erste Hälfte des ersten Teils tapfer durchsteht, wird unbedingt wissen wollen, wie es weiter geht. Das ist spannend, gut gespielt und plötzlich gar nicht mehr langatmig. Teilweise erinnert Kommissarin Lund: Das Verbrechen mit all den Nebenschauplätzen und Verstrickungen ein bisschen an Das Geheimnis von Twin Peaks, ist aber nicht so skurril, und ein bisschen an die hervorragende Serie Damages – Im Netz der Macht, ist aber nicht halb so verworren. Vielleicht fällt es dem Publikum deshalb diesmal leichter, sich über zehn Wochen an eine Serie binden zu müssen, wenn es die Lösung erfahren will.

Kommissarin Lund: Das Verbrechen, sonntags um 22.00 Uhr im ZDF.

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Michael, 13. September 2008, 19:09.

Heilandsack

Wer immer das Gefühl hatte, deutsche Hauptstadtkrimis seien nicht betulich genug, darf aufatmen: Felix Huby schreibt wieder. Der Schöpfer von Tatort-Kommissar Bienzle hat sich einen neuen schwäbischen Polizisten ausgedacht, ihn aber nach Berlin verfrachtet. Er spricht gar nicht schwäbisch, aber viel, ist jung und wirkt schon in den ersten Minuten des ZDF-Fernsehfilms Der Heckenschütze, als habe er das Potenzial, seinen Kollegen und uns Zuschauern gehörig auf den Keks zu gehen. Das legt sich zum Glück im Lauf des Films.


Foto: ZDF/Britta Krehl

Peter Heiland (Fabian Busch) heißt der Mann („Ich bin der Heiland“), und vielleicht werden die TV-Krimis mit ihm eine Reihe. Die Bücher sind es schon. Seit 2005 veröffentlichte Felix Huby drei Romane mit Peter Heiland (eine Besprechung des Debüts finden Sie bei unseren Freunden vom Tatort-Fundus), die wichtige Unterschiede zur Fernsehfassung aufweisen. Im Buch gibt es eine direkte Verbindung zwischen Heiland und Bienzle: Bienzle war früher Heilands Chef, bevor der nach Berlin ging. Im Film ist davon keine Rede. Das heißt natürlich nicht, dass Bienzle-Darsteller Dietz-Werner Steck nicht mitspielt. Aber er spielt eine völlig andere Rolle, einen Wirt. Und noch natürlicher ist auch der schwäbische Volksschauspieler-Veteran Walter Schultheiß dabei, der Bienzles Vermieter und Robert Atzorns Vater in Hubys Oh Gott Herr Pfarrer spielte. Wenn Felix Huby eines Tages nicht mehr schreibt, muss Schultheiß wahrscheinlich schon in Alter von 216 Jahren in Rente gehen. Insofern gibt es zumindest indirekte Verbindungen zu Hubys früheren Werken.


Foto: ZDF/Britta Krehl

Kommissar Heiland muss eine Mordserie aufklären. Ein Serienkiller bringt eine Reihe von Schwaben um, und Heiland selbst ist in Gefahr. Die Geschichte ist okay, die Umsetzung hätte jedoch auch in der halben Zeit funktioniert. Ein wahrer Lichtblick ist der völlig bescheuerte Straßensänger, eine Mischung aus Cosmo Kramer und Troubadix, den Heiland zu Beginn des Films vor einer Schlägerei bewahrt, und der daraufhin beschließt, Heilands bester Freund zu sein. Das und ein sehr unerwartetes Ende machen Der Heckenschütze insgesamt zu einem sehr ansehnlichen, wenn auch nur mäßig spannenden Film.

Der Heckenschütze, Montag, 20.15 Uhr im ZDF.

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Michael, 8. September 2008, 05:24.

Nach Switch switch zu Switch

Die hervorragende Fernsehparodie Switch Reloaded ist mittlerweile so populär, dass ganze Themenabende um sie herum gestrickt werden. Man kennt das ja von den Sensationserfolgen. Beim Finale von Sex And The City zelebrierte ProSieben eine große Abschiedgala, bei der die eigentliche letzte Episode nur einen kleinen Teil in der Mitte ausmachte. Und wenn RTL am 3. Oktober um 20.15 Uhr zeigt, wie Mario Barth vor 70.000 Menschen im Berliner Olympiastadion hundert Jahre alte Männer-Frauen-Witze erzählt, gibt es vorher einen 70-minütigen Countdown zur Ausstrahlung und am späten Abend eine Aftershow-Party.

Gestern also folgte nach dem Ende von Switch Reloaded ein Talk mit den Hauptdarstellern Martina Hill, Bernhard Hoëcker und Peter Nottmeier. Denn es ist ja immer ganz spritzig, eine halbe Stunde lang theoretisch über Humor zu lamentieren.

Das Ziel solcher Umfeldprogrammierungen ist logischerweise, die Zuschauer der eigentlichen Sendung mit ins Rahmenprogramm zu ziehen, und das hat gestern ganz wunderbar geklappt: 1,5 Millionen Zuschauer sahen Switch Reloaded und sogar 1,6 Millionen den Talk danach. Man kann also…

Wie bitte?

Entschuldigung.

Ich höre gerade, dass es keine nennenswerte Überschneidung zwischen diesen beiden Zuschauermengen gab, weil Switch Reloaded wie üblich auf ProSieben lief, der anschließende Talk aber bei Markus Lanz im ZDF.

Ja, gut, sicherlich. Wenn man keine eigenen Comedystars hat, die man in so eine Sendung einladen könnte…


Fotos: ZDF/Wolfgang Lehmann

Die Switch-Talkrunde ist mit einigen ruppigen Schnitten in der ZDF-Mediathek online, die wesentlich unterhaltsamere Switch-Episode gibt’s in voller Länge ebenfalls online bei ProSieben.

Zusatzaufgabe: Sagen Sie die Überschrift zu diesem Text zehnmal hintereinander schnell laut auf.

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Michael, 3. September 2008, 17:24.

Mit dem Zweiten sieht man nichts mehr

Dass nach dem zweiten Tor im Halbfinale plötzlich sowohl Bild

vom Spiel der deutschen Nationalmannschaft mal gar nicht zu

ein noch miserablerer Radio- als Fernsehreporter ist.
Und das war die eigentliche Überraschung des Abends.

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Michael, 26. Juni 2008, 00:24.

Die 80er-Show

Die ZDF-Verantwortlichen, die sich normalerweise schon die Augen reiben, wenn der Marktanteil bei den 14- bis 49-jährigen Zuschauern mit einer 8 vor dem Komma beginnt, werden heute ziemlich lange reiben müssen, denn hinter der 8 kommt vor dem Komma noch eine weitere Stelle. Fast zehn Millionen junge Zuschauer (und knapp 23 Millionen insgesamt) sahen gestern um 18.00 Uhr die EM-Niederlage der Deutschen gegen Kroatien, das entspricht einem Marktanteil von 80,1 Prozent. Das geht also.

Für Mainz wurde der Ausnahmezustand ausgerufen.

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Michael, 13. Juni 2008, 08:55.

Auge um Auge

Fühlte sich außer mir eigentlich noch jemand beim Fußballgucken beobachtet?


Screenshot: ZDF

Und vor allem: Fehlt da nicht noch ein weiteres, mit dem man doch angeblich besser sieht?

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Michael, 8. Juni 2008, 23:54.

Verona, der Lanz ist da!

Wär es nicht billiger gewesen, die alten Kerner-Folgen noch einmal zu wiederholen, statt sie in neuem Studio mit schlechterem Moderator noch einmal nachdrehen zu lassen?


Foto: ZDF

Heute kommt Horst Lichter zu Markus Lanz, dem neuen Sommer-Ersatz-Johannes-B.-Kerner des ZDF. Das ist schön, Lichter war bestimmt schon seit einer halben Stunde nicht mehr im ZDF zu sehen, und seit seinem letzten Besuch bei Kerner sind auch schon fünf Wochen vergangen (die Kochshows nicht mitgerechnet). Aber er kommt, so hat es der neue ZDF-Moderator (und Lichter-Biograph) Markus Lanz angekündigt, erstmals mit seiner Mutter. Vermutlich wird er nächste Woche erstmals mit seinem Schwippschwager kommen, übernächste Woche erstmals mit der Putzfrau seines Nachbarn und die Woche darauf wird als große Premierenfeier angelegt: Erstmals seit vier Wochen wird Horst Lichter allein, ohne Nachbarn, Verwandte und Nachbarn der Verwandten als Gast in einer ZDF-Talkshow auftreten. Das wird ein Fest.


Foto: ZDF

Erster Gast gestern, in der Premierensendung von Markus Lanz, war Verona Pooth. Vor drei Monaten erst war sie bei Kerner, und ihr Auftritt damals war angekündigt als „das erste ausführliche Interview seit der finanziellen Krise ihres Mannes!“ Der Auftritt gestern war wahlweise das erste ausführliche Interview seit dem ersten ausführlichen Interview ihres Mannes seit dessen finanzieller Krise oder das erste ausführliche Interview seit dem Auftauchen des Urlaubsfotos von den beiden, das, wenn man Markus Lanz‘ Ansage glauben darf, die Republik erschüttert hat wie kaum ein Urlaubsfoto vor ihm.

Die Insolvenz von Pooths Firma Maxfield wurde von Lanz wie eine Staatskrise behandelt. Und immer wieder fragte er die ehemalige Frau Feldbusch, ob sie sich keine Sorgen mache, dass ihr Image darunter leide, und als sie sich zum hundertsten Mal um eine Antwort gedrückt hatte, erlöste er sie (und uns) und enthüllte eine Exklusiv-Umfrage, wonach die meisten Deutschen meinen, dass die Insolvenz von Herrn Pooths Firma keine Auswirkungen auf das Image von Frau Pooth habe.

Eine geschlagene halbe Stunde widmete Markus Lanz in Markus Lanz dem Thema, um am Ende festzuhalten: „Wir haben gelernt, Menschen leisten sich eine eigene Meinung.“ Immerhin räumte ein Schuldenberater mit den gröbsten Vorurteilen und abwegigsten Boulevardgeschichten über Insolvenzverfahren im allgemeinen und das der Firma Maxfield im Besonderen auf, aber aus irgendeinem Grund hatte er keinen Stuhl bekommen, sondern saß unglücklich im Rücken von Frau Pooth im Publikum, so dass sie sich verrenkte, um ihn zu sehen, und er, um den Moderator zu sehen. (Und da beklagen sich die Leute über Betroffenensofas?)

Während Verona Pooth davon redete, wie sehr sie ihre Karriere auch den Medien verdankt, konnte man darüber nachdenken, wie bemerkenswert es ist, dass es seit vielen Jahren schon kein Privatsender mehr ist, der ihr die Plattform dafür gibt, sondern das öffentlich-rechtliche ZDF. Hierhin kommt sie, zum Reden, Lachen, PR-Machen und Heulen. Und seit diesem Jahr muss sie nicht einmal im Sommer eine Pause machen. Seit diesem Jahr verzichtet das ZDF auch zwischen Juni und September, wenn Johannes B. Kerners Talkshow pausiert, auf die Möglichkeit, unter der Woche abends gegen 23 Uhr mal etwas anderes zeigen zu können als endloses, morgen vergessenes Geplauder. Und was soll man sonst in die Entscheidung lesen, die neue Sendung des von RTL geholten langjährigen Boulevardmanns (Explosiv) mit Verona Feldbusch-Pooth zu beginnen, als ein programmatisches Statement?

Kerners Produktionsfirma „Die Fernsehmacher“ produziert auch Markus Lanz, und abgesehen davon, dass das natürlich finanziell ganz schön ist, profitiert der Allesmoderator auch insofern davon, dass man plötzlich seine Art zu moderieren schätzen lernt. Lanz war in den vergangenen Jahren ungefähr immer auf dem Bildschirm und hat dabei ungefähr nie mit Menschen gesprochen — und das merkt man. Tough wollte er wirken, kritisch, auch mal konfrontativ, vor allem im Gespräch mit einem Ehepaar, das eine Kindertagesstätte betreibt, in der schon Dreijährige Lesen, Schreiben, Fremdsprachen und Details über die Anatomie des menschlichen Körpers lernen. Sie waren mit ihrer Art der teuren Elitenfrühförderung eigentlich alles andere als sympathisch, aber Lanz‘ Versuche, sich von ihnen zu distanzieren, waren solch hilflosen, dümmlichen, uninformierten Reflexe, dass es schwer war, am Ende nicht auf der Seite der merkwürdigen Kindererzieher zu stehen. Lanz wies sie bedeutungsschwanger darauf hin, dass Menschen ja nicht unbedingt studieren müssen, sondern auch Maurer werden können („Harrison Ford war mal Zimmermann“), und als Verstärkung hatte er sich den Talkshow-Hopper unter den Psychologen, Michael Thiel, geholt, der die Diskussion über frühkindliche Förderung abschließend auf ein Niveau brachte, das ihm selbst Vera am Mittag so nicht hätte durchgehen lassen: „Es gilt das Motto: Weniger ist mehr!“

Auch ein Satz, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich ihn je hinschreiben würde: Kann man nicht wirklich besser alte Kerner-Sendungen wiederholen?

Stefan, 4. Juni 2008, 01:35.
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