Verfahrene Situation

Weil die meisten CSI-Serien inzwischen bei RTL laufen und Vox ja wirklich nicht auf jedem Sendeplatz Criminal Intent zeigen kann, war klar, früher oder später würde mal wieder eine neue Krimiserie kommen müssen. Heute ist es so weit. Gleich nach den neuen Folgen von Criminal Intent. Es wird kein sehr langes Gastspiel für Standoff, weil die Serie in den USA nach 18 Folgen abgesetzt wurde, doch bis dahin kann es sich lohnen, mal reinzuschauen. Es geht um Krisensituationen, vorwiegend Geiselnahmen, und um die beiden FBI-Verhandler, die sie mit Geduld und Worten zu einem Ende bringen.


Foto: Vox

Hauptdarsteller Ron Livingston, Träger der goldenen Peter-Gallagher-Ähnlichkeitsmedaille 2006, spielt einen Mann, der zwar keine Probleme hat, einen bis an die Zähne bewaffneten Terroristen mit sensiblen Worten zur Vernunft zu bringen, ist aber völlig überfordert, wenn er den aktuellen Stand der gemeinsamen Beziehung mit seiner Kollegin (Rosemarie DeWitt) ausdiskutieren soll. Die beiden sind privat und beruflich ein Team, aber beruflich ebenso wie privat nicht immer einer Meinung – und sich doch ähnlich.

Der Einsatzbefehl wurde gegeben! Du verstößt dagegen, und du setzt dich einem Risiko aus. Du verhältst dich wie ich!

Die Chemie zwischen den beiden Hauptfiguren stimmt, und ihre Dialoge machen einen Teil des Reizes der Serie aus. Spannend ist sie sowieso. Das lässt sich gar nicht vermeiden, wenn man sich Geiselnahmen, Bombendrohungen und das Spiel auf Zeit als Thema für seine Serie aussucht und sein Handwerk auch nur einigermaßen beherrscht. Aber dann sind da noch ein paar zusätzliche Kleinigkeiten, die die Serie vom Standard abheben, wie die Szene, in der ein Selbstmordattentäter droht, ein Café in die Luft zu sprengen: Das Handy eines Cafégastes klingelt, und der Klingelton ist eine Instrumentalversion des M.A.S.H.-Titelsongs. Er heißt „Suicide Is Painless“. Das ist so subtil wie makaber und einfach gut gemacht, und wer das Lied nicht kennt, merkt’s gar nicht, stört sich aber auch nicht daran.

Da macht es auch nichts, dass die restlichen Figuren um die beiden Protagonisten herum klischeehaft gestrickt sind und sich entsprechend vorhersehbar verhalten, zum Beispiel der rigorose Leiter des SWAT-Teams, der eigentlich immer nur stürmen statt verhandeln will. Die spielen sowieso keine sonderlich große Rolle, und die beiden, die es tun, sind unterhaltsam anzusehen.

Die Serie wird weder große Diskussionen wie Dexter auslösen noch die Zuschauer in zwei Lager spalten, dafür ist sie nicht „besonders“ genug. Doch ebenfalls im Gegensatz zu Dexter wird sie vermutlich eine recht passable Anzahl an Zuschauern erreichen.

Standoff, mittwochs um 21.10 Uhr bei Vox.

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Michael, 1. Oktober 2008, 06:14.

Nackte X

Die Serie beginnt mit „You Can’t Always Get What You Want“ von den Rolling Stones, ein Song, der auch die Pilotfolge von Dr. House prägte. „Californication“ von den Red Hot Chili Peppers kommt in Californication nicht vor. Keine Ahnung, ob das die Band versöhnt hätte oder nicht. Die verklagte den US-Sender Showtime nämlich im vergangenen Jahr, weil sie den Begriff „Californication“ für ihre Erfindung hielt und nicht einfach ein dahergelaufener Fernsehsender kommen und eine Serie so nennen könne.

Die zweite Staffel, die gestern in den USA anlief, heißt trotzdem noch so.


Hank und sein Agent (Evan Handler).
Fotos: RTL2

Heute beginnt bei RTL2 die erste Staffel, und das ist schön, denn Californication ist eine gute Serie, wenn man außer Sex auf wenig andere Themen Wert legt. Doch auch davon abgesehen ist Californication gut, weil es der Serie gelingt, Sex in Wort und Bild zwar das vorherrschende Thema sein zu lassen, es aber trotzdem wirken zu lassen, als stecke noch mehr drin.

Es geht um einen schreibblockierten und sexsüchtigen Schriftsteller, und hätte sein Darsteller, Akte-X-Mulder David Duchovny, sich im wahren Leben nicht schon vor einem Monat wegen seiner eigenen Sexsucht in eine Therapie begeben, sondern erst jetzt, wäre das für die Serie bestimmt eine noch bessere Werbung gewesen. Seine Figur Hank hängt noch an seiner Exfreundin, die aber einen Anderen heiraten will. Hank rät ihr davon ab.

Hank: „Hab‘ ich nicht auch ein Wörtchen mitzureden?“
Karen: „Nein!“
Hank: „Ganz sicher? Ich glaub‘ nämlich doch. Vielleicht.“

Mit Karen teilt sich Hank das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter Becca. Er bemüht sich um Erziehung. Als sie schon wieder „Fluch der Karibik“ sehen will, rät Hank:

„Willst du nicht vielleicht deinen filmischen Horizont erweitern und einen Film sehen, der auf einem Buch und nicht auf einer Freizeitparkattraktion basiert?“

Trotz der Erziehungsbemühungen gelingt es ihm nicht, sein verlottertes Privatleben vor ihr zu verbergen.

Becca: „Vater?“
Hank: „Tochter?“
Becca: „Darf ich dich was fragen? Warum ist da eine nackte Frau in deinem Zimmer? Sie hat keine Haare an der Vagina, Ist sie vielleicht krank?“
Hank: „Ich sehe nach.“

Oder vor Karen:

Karen: „Du riechst nach Muschi.“
Hank: „Dankeschön!“

Ein paar weitere schöne Dialoge machen die sehr monothematische Handlung wett, und vielleicht ist Californication wirklich, wie wiederholt zu lesen war, so eine Art Sex And The City für Männer, aber ich als Mann kann das leider nicht objektiv und seriös beurteilen. Sex And The City fand ich langweilig. Californication nicht.


Hank und seine Affäre Mia. Den Hank-Darsteller David Duchovny erkennen Sie sofort aus Akte X. Die Mia-Darstellerin womöglich erst auf den zweiten Blick: Madeline Zima spielte in den 90er-Jahren die kleine Tochter Gracie in Die Nanny.

Californication, montags um 22.15 Uhr bei RTL2.

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Michael, 29. September 2008, 06:59.

Flashback

Was soll man über die Neuauflage von Flash Gordon schreiben? Es ist eine konventionelle Sciencefictionserie, die weder herausragend, noch miserabel ist. Weder besonders witzig, noch besonders öde. Weder auffallend intelligent getextet, noch auffallend tumb. Und selbst die Schauspieler sind weder besonders gut, noch besonders schlecht. Vielleicht mit einem kleinen Hang zu schlecht. Wäre die Serie ein Lied, wäre sie genau die Art von Lied, die bei deutschen Radiosendern rauf- und runtergedudelt wird, weil keine Gefahr besteht, dass sie in irgendeine Richtung positiv oder negativ auffällt.


Foto: RTL2

Als Flash Gordon in den 1930er-Jahren erfunden wurde, mögen die Geschichten neu und originell gewesen sein, doch heute wirkt die Handlung wie tausendmal gesehener Scifi-Standard: interstellare Wurmlöcher, böse Herrscher auf fremden Planeten, schöne Frauen an der Seite des jungen Superhelden. Natürlich sollte man einen klassischen Stoff nicht zu sehr verfremden, wenn er noch wiedererkennbar sein soll, aber selbst Smallville, das direkt vorher läuft und ebenfalls auf alten Comics basiert, wirkt dagegen schnell, originell und modern. Und natürlich wurde Smallville mit dem größeren Budget eines amerikanischen Networks in Hollywood produziert und Flash Gordon deutlich günstiger für einen Kabelkanal in Kanada. Dafür kann die Serie nichts, aber das ändert nichts daran, dass man es merkt.

Flash Gordon, mittwochs um 22.15 Uhr bei RTL2.

Michael, 24. September 2008, 06:26.

Lund in Sicht!

Kommissarin Lund: Das Verbrechen beginnt mit einem Klischee: Montagmorgens um 6.30 Uhr schaltet Sarah Lund einen Fernseher aus, der noch seit dem Vorabend läuft. Er zeigt nur Schnee. In welchem zivilisierten Land hat an einem Werktag um halb sieben das Fernsehprogramm noch nicht begonnen? Das gab es zuletzt zu einer Zeit, als gegen 23.00 Uhr auch noch Sendeschluss war. Dann würde man die zweite Hälfte von Kommissarin Lund: Das Verbrechen schon gar nicht mehr mitbekommen. Und das wäre schade, denn das ist die gute Hälfte.

Zunächst werden deutlich zu viele Personen und ihre Lebenssituationen auf deutlich zu vielen Handlungsebenen eingeführt, bevor die Geschichte in Gang kommt. Das ist zwar eine vorschriftsmäßige Erfüllung der Chronistenpflicht, nimmt aber leider auch schon vorweg, wer später in irgendeiner Form etwas mit dem titelgebenden Verbrechen zu tun haben wird, das nach geschlagenen fünfzig Minuten erst den Film bereichert: Der Mord an einer Schülerin. Denn warum sonst sollten sie alle so ausführlich vorgestellt worden sein?


Trauernde Eltern. Foto: ZDF/Tine Harden

Doch man muss das im Verhältnis sehen. Die erste Folge von Kommissarin Lund: Das Verbrechen wirkt zwar bis kurz vor Schluss, als habe sie das Tempo eines ganz normalen Tatorts und steuere dann auf ein dramatisches Finale zu, aber dann wird klar, dass die Geschichte gerade erst anfängt. Kommissarin Lund ist eine bemerkenswerte Fortsetzungsgeschichte, und Das Verbrechen ist tatsächlich das einzige Verbrechen, um dessen Aufklärung es in den zehn spielfilmlangen Folgen geht. Mehr als 1000 Minuten für einen einzigen Fall. Da bleibt viel Zeit, auch stille Trauer zu zeigen. Minutenlang fassungslose Gesichter, Schockzustände, Trauerbewältigung, betretenes Schweigen. Das ist nicht sehr kurzweilig, aber erschreckend realistisch. Und noch mehr Klischees. So zieht Lund mit ihrem neuen konventionell unkonventionellen Kollegen völlig ironiefrei die klassische Guter-Bulle-böser-Bulle-Nummer ab.


Kommissarin Lunds Nachfolger ist schon da. Aber Lund geht noch gar nicht!
Foto: ZDF/Tine Harden

Kurz vor dem Ende des ersten Teils scheint es, als sei die Sache einfach, der Täter bald identifiziert und nur noch dingfest zu machen, doch jetzt beginnen erst die eigentlichen Verstrickungen. Der Wahlkampf zwischen dem amtierenden Bürgermeister und seinem Herausforderer spielt eine Rolle, Intrigen, undichte Stellen, falsche Fuffziger. Alte Affären. Familiäre Probleme, zunehmende Distanz. Plötzlich beginnt die Serie zu fesseln. Wer die erste Hälfte des ersten Teils tapfer durchsteht, wird unbedingt wissen wollen, wie es weiter geht. Das ist spannend, gut gespielt und plötzlich gar nicht mehr langatmig. Teilweise erinnert Kommissarin Lund: Das Verbrechen mit all den Nebenschauplätzen und Verstrickungen ein bisschen an Das Geheimnis von Twin Peaks, ist aber nicht so skurril, und ein bisschen an die hervorragende Serie Damages – Im Netz der Macht, ist aber nicht halb so verworren. Vielleicht fällt es dem Publikum deshalb diesmal leichter, sich über zehn Wochen an eine Serie binden zu müssen, wenn es die Lösung erfahren will.

Kommissarin Lund: Das Verbrechen, sonntags um 22.00 Uhr im ZDF.

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Michael, 13. September 2008, 19:09.

So lernte ich eure Mutter kennen

„Kinder, ich erzähle euch die Geschichte, wie ich eure Mutter kennen lernte.“
„Werden wir für irgendwas bestraft?“

Das US-Sitcom-Genre ist doch noch nicht tot. Mit How I Met Your Mother beginnt am Wochenende auf ProSieben die beste Comedyserie seit Scrubs: Es ist die klassische Freundeserie über eine Clique, die rumhängt und Blödsinn redet. Einer sucht die große Liebe, zwei haben sie schon gefunden, und einer will um jeden Preis verhindern, dass jemand länger als eine Nacht bleibt.

Der ungewöhnliche Ansatz der Serie sieht vor, dass Hauptfigur Ted in 25 Jahren seinen Kindern rückblickend erzählt, wie er deren Mutter kennen lernte. Die ganze Serie ist also ein Rückblick. Das ist leider eher ein Hindernis als ein origineller Vorteil, weil man davon ausgehen muss, dass, so lange die Serie erfolgreich ist, sowieso keine der auftauchenden Frauen diese Mutter sein wird. Das stört aber kaum.

Abgesehen von dieser endlosen Geschichte verschwendet die Serie keine Zeit für langatmige Vorgeschichten, woher sich die bisherigen Protagonisten untereinander kennen. Wie Ted und dieser merkwürdige Frauenheld Freunde wurden, ist in einem Satz erklärt: „Ich bin Barney, wir haben uns am Pissoir getroffen.“

Barney steht in einer Reihe mit den ganz großen Sitcom-Randfiguren, die zu den eigentlich Stars ihrer Serien wurden: Norm aus Cheers, Kramer aus Seinfeld, Jack aus Will & Grace. Er hat die besten Pointen, die prägnantesten Sprüche und die absurdesten Ideen. Seine Vorstellung davon, seinen Kumpel Ted zu verkuppeln, geht so: Er spricht eine wildfremde Frau an, fragt: „Kennst du Ted?“, und schon ist er verschwunden, während Ted mit der Frau dasteht.

Barney wird gespielt von Neil Patrick Harris, der als Doogie Howser, M.D. ein Kinderstar war und neben Alyson Hannigan aus Buffy — Im Bann der Dämonen einer der beiden Schauspieler war, die schon zu Beginn der Serie bekannt waren. Die anderen wurden es im Lauf der vergangenen drei Jahre, in denen eine treue Fangemeinde How I Met Your Mother zur Kultserie hochjubelte. Die Sitcom ist origineller als Friends, so lustig wie Scrubs und manchmal fast so romantisch wie Verrückt nach dir. Sie bildete anfangs in den USA einen erfolgreichen Block mit King of Queens beim Sender CBS, dessen Programm an allen anderen Stellen von forensischen Krimis durchsetzt war – eine Tatsache, über die sich die Macher im Trailer zum Start der dritten Staffel selbst lustig machten.

Die Serie ist die Sendung mit den jüngsten Zuschauern bei CBS, das zwar weit davon entfernt ist, ein amerikanisches ZDF zu sein, aber eben doch die ältesten Zuschauer von allen hat. Das ist ein anderer Grund, warum How I Met Your Mother dort manchmal ein bisschen fremd wirkt, und deshalb ist die Serie jedes Jahr aufs Neue von der Absetzung bedroht. Aber vielleicht müssen die wahren Kultserien in dieser ständigen Gefahr leben.

Bei ProSieben passt dagegen alles zusammen: Am frühen Samstagnachmittag zwischen Malcolm mittendrin und Scrubs ist How I Met Your Mother gut aufgehoben. Und mal ehrlich: Die wirklich guten US-Comedys hatten in Deutschland doch immer nur Randsendeplätze.

Der beste Serienstart der Saison.

How I Met Your Mother, samstags ab 14.00 Uhr, jeweils zwei Folgen auf ProSieben.

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Michael, 12. September 2008, 05:24.

Das Nein

The Nine – Die Geiseln erforscht ab heute das Leben einer Gruppe von Menschen, die sich kennen lernten, als sie bei einem Banküberfall zu Geiseln wurden.


Foto: kabel eins

Die Serienpremiere geht so: Wir lernen ein paar Menschen und Bruchstücke aus ihrem Lebensumfeld kennen. Zu einem zufälligen Zeitpunkt sind alle gleichzeitig in einer Bank, die dann überfallen wird. Zeitsprung: Tage später werden die Geiseln befreit und kehren schrittweise in ihr normales Leben zurück. Sie halten Kontakt. Von nun an sprechen alle nur noch in Rätseln: Von Heldentaten, Zwischenfällen, Vorkommnissen und Ereignissen, ohne konkret zu werden, und auch ohne dass eine Rückblende zur den Geschehnissen während der Geiselnahme Klarheit schaffen würde. Das ist ganz furchtbar ermüdend und schade um die tollen Schauspieler (Chi McBride aus Dr. House, Kim Raver aus 24, Tim Daly aus Auf der Flucht, die schon in Folge 1 agieren müssen, als gelte es, die Serie auf mindestens zehn Jahre zu strecken, obwohl nur etwa drei Wochen Handlung zur Verfügung stehen.

Hinter The Nine steckt Hank Steinberg, der vor sechs Jahren Without A Trace erfand, eine Serie, in der es jede Woche darum geht, vermisste Personen aufzuspüren. Damals befürchtete ich, nach wenigen Wochen könnten alle Möglichkeiten und Geschichten ausgeschöpft sein, auf welche Weise jemand verschwinden und gefunden werden könnte, doch seit 136 Folgen ist die Serie nun ungebrochen großartig und abwechslungsreich. Insofern hätte ich die Hoffnung gehabt, dass es Steinberg gelingen würde, auch The Nine mittelfristig zu einer kurzweiligen Serie zu machen – doch dann bezeichnete der Titel unfreiwillig auch die Anzahl der Episoden, auf die es die Serie brachte, bevor sie in den USA abgesetzt wurde, ohne Hintergründe und Vorkommnisse abschließend klären zu können. (Kabel 1 zeigt alle 13 Folgen, die gedreht wurden.) Bis dahin wurde sie zwar schon erkennbar besser, aber wer angesichts der öden Pilotfolge seine Zeit lieber nicht in eine halbe Serie investieren will, hat mein volles Verständnis.

The Nine – Die Geiseln, freitags um 22.15 Uhr bei Kabel 1.

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Michael, 5. September 2008, 05:46.

Schon vergessen

Hirnschaden-Sender ProSieben hat eine neue Comedy.

Dass schlimme Hirnschäden Stoff für gute Gags hergeben, zeigt uns seit Wochen mittwochs die schöne Serie Eli Stone über einen Anwalt mit einem Aneurysma, der vielleicht ein Prophet ist. ProSieben weitet dies nun zu einer Art Themenabend aus und startet ebenfalls mittwochs die neue US-Comedyserie Samantha Who?, die ihren Humor aus einer Amnesie bezieht. Samantha war früher eine unerträgliche Schnepfe, hat dann bei einem Unfall ihr Gedächtnis verloren und entsetzt festgestellt, wie sehr sie sich selbst gehasst hätte. Während sie ihr Vorleben erforscht, ändert sie sich, und manche ihrer alten Weggefährten begrüßen das, während ihre ebenso entsetzliche „beste Freundin“ gern die „alte Sam“ zurück hätte.


Foto: ProSieben

Die Frau ohne Erinnerung spielt Christina Applegate, bekannt als Kelly Bundy aus Eine schrecklich nette Familie und Jesse aus Jesse, und leider jüngst wegen ihrer Brustkrebserkrankung in den Schlagzeilen. Sie spielt die Rolle gut und wurde als beste Comedy-Hauptdarstellerin für einen Emmy nominiert, doch mehr als ganz nett ist die Serie leider nicht. Es gelingt ihr, ohne plump, peinlich oder verächtlich zu werden, Humor aus einer schlimmen Situation zu gewinnen, und ohne sich über die Krankheit selbst lustig zu machen. Trotzdem bleibt Samantha Who? ungefähr bei durchschnittslustig hängen – was aber immerhin bedeutet, dass ein paar gute Ideen und nette Gags drinstecken. Ein Klassiker wird das wohl trotzdem nicht.

Bei der Programmierung der Serie zeigt ProSieben jedoch den Mut, den RTL mit My Name Is Earl leider nicht hatte, und zeigt die Serie noch vor Einbruch der tiefen Nacht im Abendprogramm, eingeklemmt zwischen neuen Folgen von Grey’s Anatomy und – und das ist beste Nachricht – Scrubs!

Vor genau fünf Jahren und einem Tag startete Scrubs – Die Anfänger in Deutschland, damals im Block mit Friends ebenfalls im Abendprogramm. Die Serie begann mit durchwachsenem Erfolg und wanderte nach zwei Staffeln erst ins Vorabend- und dann ins Samstagnachmittagsprogramm, wo sie sich aber zu einem Knaller und Dauerbrenner entwickelte. Da läuft sie auch weiterhin, aber die neue Staffel ist ab heute als Erstausstrahlung mittwochs abends zu sehen.

Samantha Who?, mittwochs um 22.15 Uhr bei ProSieben.
Anschließend Scrubs – Die Anfänger!

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Michael, 3. September 2008, 02:37.

Biedermann und die Brandschatzer

Die neue Sat.1-Telenovela Anna und die Liebe geht so: Die grundgute Lisa Plenske Anna Polauke ist ein hässliches schüchternes Entlein, das von einem tollen Job in einem schnöseligen Modekonzern einer schnöseligen Werbeagentur mitten in Berlin Berlin träumt. Sie verliebt sich in den schönen Chef Sohn des Chefs, der jedoch erst mal nichts von ihr wissen will.

Gespielt wird die Hauptfigur der neuen Sat.1-Telenovela vom ehemaligen RTL-Star Alexandra Neldel Jeanette Biedermann, bekannt aus der Soap Gute Zeiten, schlechte Zeiten Gute Zeiten, schlechte Zeiten.


Foto: Sat.1

Im ersten Moment mag es aussehen, als seien die Produzenten von Anna und die Liebe plündernd und brandschatzend durch Verliebt in Berlin gezogen, doch man muss einräumen, dass erstens ja eigentlich jede Telenovela so geht und zweitens auch jede Menge Elemente aus Grimms Märchen enthalten sind. Im Grunde ist Jeanette Biedermann als Anna nämlich so eine Art Aschenputtel, komplett ausgestattet mit einer bösen Stiefschwester und einem bösen Stiefvater, und die Chefin der Werbeagentur, in der sie gern arbeiten würde, ist dann die böse Hexe. Man kann nur hoffen, dass in der zweiten Sendewoche jemand von einem Wolf gefressen wird, denn in der ersten Woche ist die Handlung noch vorhersehbarer als in der zweiundzwanzigsten Wiederholung von Dirty Dancing (die eine Stunde später kommt). Zuerst bekommt mal die böse Stiefschwester den ersehnten Job, weil sie Annas Bewerbungsunterlagen gestohlen hat. Die blöden, arroganten und hoch bezahlten Werbeschnösel fallen auf sie rein und verlassen sich komplett auf tolle Ideen, die die Neue bringen soll, während sie selbst hirn- und ideenlos rumsitzen und Espresso trinken. Anna selbst ist leider nicht nur schüchtern, sondern stellt sich auch mehrfach viel zu dämlich an, um den Diebstahl aufzuklären und sich selbst ins rechte Licht zu rücken, obwohl die Situation so einfach wäre. Das kommt leider nicht wie sympathische Tollpatschigkeit rüber und scheint auch nur bedingt ihrer Schüchternheit geschuldet, sondern da wirkt sie einfach nur doof. Als sich die im Prinzip gleiche Situation zu Beginn der vierten Folge schon zum dritten Mal wiederholt, nervt es nur noch. Das ist schade, denn Jeanette Biedermann spielt ihre Rolle eigentlich ganz hübsch und leistet sogar eine der weniger hölzernen Darstellungen im Ensemble.


Foto: Sat.1

Zum Glück für Sat.1 haben all diese Faktoren im Fernsehen ja wenig mit den Erfolgsaussichten zu tun. Ob AUDL ein Erfolg wird, hängt davon ab, wie sie die Serie sich entwickelt, und vielleicht davon, wie viele Zuschauer der inzwischen erfolgreichen zeitgleichen RTL-Soap Alles was zählt zum Umschalten bereit sind. Als Sat.1 auf dem gleichen Sendeplatz Verliebt in Berlin zeigte, gab es die nämlich noch nicht.

Anna und die Liebe, werktags um 19.00 Uhr in Sat.1.

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Michael, 25. August 2008, 00:14.

08/15 — Sie retten deinen Sendeplatz auch nicht

Baywatch ging ja immer so: Jemand, den wir nicht kennen, droht zu ertrinken, dramatische Musik setzt ein, und halbnackte Menschen eilen zur Rettung. In diesem Satz war der Grund versteckt, warum sich so viele Zuschauer für die Rettung von Menschen interessierten, für die an sich sie sich nicht interessierten, weil sie in der Regel keine Vorgeschichte hatten, sondern schlicht ein „Fall“ aus dem Nichts waren.

112 – Sie retten dein Leben geht im Prinzip genauso: Jemand, den wir nicht kennen, der keine Vorgeschichte hat und der nicht umständlich eingeführt wird, hat urplötzlich einen Autounfall, und in dicke Overalls gekleidete Menschen eilen zur Rettung. Merken Sie den Unterschied? Nein, es ist nicht nur das stellenweise Fehlen der dramatischen Musik.

112 – Sie retten dein Leben ist die neue tägliche Serie, die zur Rettung des RTL-Sendeplatzes um 17.00 Uhr eilen soll, der seit der achten Wiederholung der Nanny vor sechs Jahren keinen Erfolg mehr hervorgebracht hat. Im Gegensatz zu allen anderen täglichen Serien ist es keine Soap, sondern Action, hat aber genauso talentierte Darsteller, nur nicht so viel Handlung. Die Serie beschränkt sich in ihren 25-minütigen Episoden auf das, was sie für das Wesentliche hält, also einen mittelspektakulären Unfall und ein paar entschlossene Helfer, und reichert dies nur spärlich mit einer vorgetäuschten Rahmenhandlung aus einer klischeeätzenden Chefin und einem unwilligen Polizistensohn im Schatten seines Vaters, der zugleich sein Chef ist, an. Diese Rahmenhandlung besteht in der ersten Folge zu achtzig Prozent aus einer Diskussion über Betriebskostenaufstellungen, was das Actionextrakt durch eine Überdosis Langeweile aushebelt. Warum darüber hinaus auch im Actionanteil keine rechte Spannung aufkommt, kann ich nicht erklären, aber so ist es nun einmal.

Hermann Johas Firma Action Concept, die auch Alarm für Cobra 11 herstellt, produziert die neue Serie, in der Polizei, Notarzt und Feuerwehr „erstmals unter einem Dach“ zusammenarbeiten. Also, erstmals, wenn man Third Watch ignoriert, an dessen Idee sich auch schon Notruf Hafenkante geringfügig orientierte.

Vielleicht stößt die Serie dennoch in eine Lücke des Fernsehprogramms: Sie ist besser als diese pseudodokumentarischen Laiendarsteller-Krimis wie Lenßen & Partner, die in Sat.1 die Halbstundensendeplätze füllen, aber schlechter als Alarm für Cobra 11, was für sich schon ein interessanter Halbsatz ist. Es passiert auch kaum weniger als im Sendeplatzvorgänger Einer gegen 100, und dass der muskulöse Polizistensohn in der Mitte der ersten Episode seine Jacke auszieht und für den Rest der Rettung im Feinrippunterhemd agiert, ist ein erster Schritt zum Erfolg von Baywatch.


Foto: RTL

112 – Sie retten dein Lebenwerktags um 17.00 Uhr bei RTL.

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Michael, 25. August 2008, 00:11.

Glaube versetzt Steine

  1. „Faith“
  2. „Freedom“
  3. „Father Figure“
  4. „Wake Me Up Before You Go Go“
  5. „One More Try“

Fällt Ihnen bei dieser Liste etwas auf, zum Beispiel, dass dies alles Titel von George-Michael-Songs sind? Dann sind Sie schon gewitzter als derjenige, der sich um die deutschen Episodentitel der skurrilen Anwaltsserie Eli Stone kümmern sollte. Dies sind nämlich auch die Titel der ersten fünf Episoden von Eli Stone. Allerdings nicht in Deutschland. Hier heißen sie:

  1. „Ruf des Propheten“
  2. „Doppeldecker“
  3. „Die Verlobungsparty
  4. „Mr. Koma“
  5. „Noch ein Versuch“

Schon schade, dass der Gag in der deutschen Fassung verloren geht, obwohl es doch sonst heute so wenig Berührungsängste mit Originaltiteln gibt (Grey’s Anatomy, Desperate Housewives, Two And A Half Men, Cold Case, Without A Trace usw.)


Foto: ProSieben

Zumal ProSieben sogar damit wirbt, dass George Michael in der neuen Serie eine Hauptrolle spiele. Das ist zwar ohnehin nicht wahr, er hat lediglich Gastauftritte in einzelnen Episoden, aber seine Musik spielt eine große Rolle: Sie verfolgt den Helden Eli Stone, der an einem Gehirnaneurysma leidet, wodurch er sich immer wieder Dinge einbildet, die gar nicht da sind. Zum Beispiel George Michael. Oder einen Knabenchor, der George-Michael-Lieder singt. Diese Vorstellungen plagen ihn so lange, bis er in seiner Funktion als Anwalt für die kleinen Leute kämpft und sich damit gegen die Interessen der riesigen, mächtigen Kanzlei auflehnt, für die er arbeitet, und gegen die ihrer mächtigen Mandanten. Er ist nämlich ein Prophet. Sagt sein Kumpel. Und der muss es wissen, denn er ist ein Scharlatan. Er arbeitet als Akupunkteur, und sein wichtigstes Dienstutensil ist sein aufgesetzter chinesischer Akzent.


Foto: ProSieben

Serienerfinder Greg Berlanti, der auch die idyllische Familienserie Everwood schuf, bereichert das Fernsehen ein weiteres Mal: Eli Stone verbindet all das Pathos, das man aus anderen Anwaltsserien wie Boston Legal und L.A. Law kennt, mit all der Komik, die man aus einem inoperablen Hirnschaden schöpfen kann, ohne dabei platt, albern oder peinlich zu werden. Die Serie ist liebevoll, originell, kurzweilig, witzig, nachdenklich und hiermit wärmstens empfohlen.

Eli Stone, mittwochs um 20.15 Uhr auf ProSieben (zum Start zwei Folgen hintereinander).

Michael, 6. August 2008, 06:48.
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